Kurz & bündig
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[+] Bärenstarker Motor, toller Sound, Allradantrieb, präzise Handschaltung |
[-] Ungünstige Gewichtsverteilung, magere Serienausstattung, mittelmäßige Frontsitze |
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Es scheint müßig, über die Schwächen solcher Sportboliden zu diskutieren. Wer sollte sich mit 309 kW/420 PS und 430 Nm Drehmoment nicht zufrieden geben? Egal ob Limousine, Avant oder Cabriolet – damit steht man immer in der Pole Position. Zu allem Überfluss sieht man den einzelnen RS4-Vertretern ihre Potenz allenfalls auf den zweiten Blick an.
Noch stärker als beim schon legendären Vorgängermodell ist es den Ingenieuren der quattro-Schmiede gelungen, einen Kombi auf die Räder zu stellen, der kaum so aussieht, wie er tatsächlich ist. Klar: Wer genau hinschaut, bekommt beim Anblick der ausgestellten Kotflügel, der bulligen Schürzen und des mächtigen 19-Zoll-Radsatzes eine Ahnung. Aber aufdringlich kommt der 1,7 Tonnen schwere Allradler mit Steherqualitäten nun wirklich nicht daher.
Kampf um jedes Gramm
Es sind die Liebe zum Detail und der betörende Sound aus acht Zylindern, der Sportwagenfans mit Familienanschluss die Sinne rauben soll. "Pro Rennsitz sparen wir allein rund 18 Kilogramm", sagt Jürgen Krauth, bei Audi an der technischen Entwicklung des RS4 beteiligt, nicht ganz ohne Stolz. Die Rennsitze passen gut - lassen den anspruchsvollen und groß gewachsenen Piloten jedoch nicht nur behaglich Platz nehmen. Zu unbequem lassen sich die superleichten Recaro-Stühle verstellen – überwiegend manuell. Bei Gurtverlauf, Kopfstütze und der zu kurzen Oberschenkelauflage wurde am falschen Ende gespart. Stattdessen hätte man lieber bei der kaum genutzten, nach wie vor dreisitzigen, Rückbank Gewicht einsparen sollen.
Jürgen Krauth: "Insgesamt konnten wir durch zahlreiche Maßnahmen mehr als 50 Kilogramm Gewicht einsparen. Das war eine echte Herausforderung." Wie bei solchen Autos üblich muss man für dieses Weniger ganz schön mehr bezahlen. Der Vorderwagen mit Kotflügeln und Haube wurde aus Aluminium gefertigt. Wer die rund 5.000 Euro teuren Kohlefaserbremsen ordert, spart pro Rad nochmals wertvolle fünf Kilogramm und kommt mit einem Scheibensatz bis zu 300.000 Kilometern aus.
Unwichtig für jemanden, der monatelang einen Kasten Wasser im Kofferraum spazieren fährt. Doch Rennsportfans bekommen bei solchem Leichtbau und einem Minimum an ungefederten Massen feuchte Augen. Da verzichtet man gerne auf Seitenairbags, elektrische Fensterheber hinten oder eine Dachreling. Die Bedeutung des am Mitteltunnel positionierten Starterknopfes erschließt sich nicht - nach wie vor muss man erst den Zündschlüssel drehen. Der RS4 ist so oder so eine Sportskanone – mit oder ohne Knopf.
S wie Spaß
Wie sein bulliger Vorgänger begeistert auch der Audi RS4 der zweiten Generation mit seinem sagenhaften Ansprechverhalten. Die "S-wie-Spaß-Taste" am seltsam abgerundeten Lenker gedrückt - und es gibt es kein Halten mehr. Das Lenkrad liegt prima in der Hand, zeigt jedoch schnell die Grenzen der Fahrdynamik.
In punkto Motorleistung und Fahrwerksabstimmung glänzt der Audi RS4. Doch die Gewichtsverteilung ist es, die den echten Motorsportfan vielleicht doch auf den im Frühjahr kommenden BMW M3 warten lässt. Der schwere Achtzylinder und die Entwicklung der A4-Serie als Front- und Allradantriebsversion haben ihren Preis. Die mehr als 1,7 Tonnen Gewicht teilen sich im Verhältnis 58:42 zulasten der Vorderachse auf. Zum Idealzustand von 50:50 fehlt eine ganze Ecke. Daran kann auch die auf 40:60 veränderte Kraftverteilung Richtung Heck nichts mehr ändern.
Im Grenzbereich schiebt der RS4 spürbar über die Vorderräder. Nick- und Wankbewegungen werden durch ein intelligentes Dämpfersystem minimiert. Die schräg gegenüberliegenden Dämpfer sind über einen Ölstrom miteinander vernetzt.
Das 4,2 Liter-V8-Triebwerk mit Benzindirekteinspritzung liebt hohe Drehzahlen. Über 5.000 Touren geht die Post beim RS4 erst so richtig ab. Und Schluss ist erst hinter der 8.000-Touren-Marke – auch Tourenrennwagen bieten da kaum mehr. 0 auf 100 km/h in 4,8 Sekunden sind ein Statement, das die Konkurrenz aus München und Affalterbach aufhorchen lässt.
Fettes Teil - fetter Sound
Geht es mit Vollgas zur Sache, legen die Kolben des Motors umgerechnet unglaubliche 25,5 Meter pro Sekunde zurück. Bei 250 Km/h wird abgeriegelt. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass die meisten Sportversionen aus dem Hause Audi ohne Spaßbremse unterwegs sind. Der Tuner des Vertrauens oder ein geübter Werkstattmeister kann dem Potenzprotz aus Neckarsulm locker Tempo 300 entlocken. Der Verbrauch ist in dieser Klasse kein ernsthaftes Thema. Audi verspricht geradezu illusionäre 13,5 Liter SuperPlus auf 100 Kilometern – bei zurückhaltender Fahrweise.
Besonders erwähnenswert ist das manuelle Sechsganggetriebe. Es zeigt einmal mehr, dass es keine Doppelkupplung oder eine Tiptronic sein muss, die den Fahrer auf der 20,5 Kilometer langen Nordschleife verzaubert. Die Schaltstufen fallen sanft und präzise in die gewünschte Stellung. Erstmals kann ein Audi hier beim Klassenprimus BMW mithalten.
Das kann man von der Lenkung nicht gerade sagen. Vor allem im Lastbetrieb kann sie Antriebskräfte nicht ganz überspielen und lässt einen Hauch Präzision vermissen.
In den ersten fünf Monaten wurden von der RS4-Limousine bereits 4.000 Modelle verkauft. 1.000 Vorbestellungen liegen für Cabrio und Avant vor. Und der Marktstart in den USA steht noch an.
Während in Europa wohl in erster Linie der Avant interessierte Käufer finden sollte, werden es im finanzkräftigen Ausland wohl insbesondere Cabrio und Limousine sein. In Deutschland startet der Spaß bei 69.900 Euro. Der Avant kostet 2.500 Euro Aufpreis. Und der offene RS4 durchbricht die 80.000-Euro-Mauer deutlich.
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