Die Fahrt in einem Zug nutzen viele Passagiere zum Lesen, Arbeiten, Telefonieren oder sie schauen einfach aus dem Fenster. Wenn ein Automobildesigner Zug fährt, kann es passieren, dass am Zielbahnhof ein komplettes Notizbuch mit der Idee zu einem neuen Sportwagen auf der Habenseite steht. So zumindest war es bei Ken Okuyama.
Als er in diesem Jahr aus dem ebenfalls von ihm designten Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen ausstieg, waren in seinem Notizbuch nur noch wenige weiße Seiten vorhanden. Der in seiner Karriere unter anderem in Diensten von Pininfarina für den Ferrari Enzo, den Ferrari 599 oder auch bei General Motors für die C5 Corvette verantwortliche Designer hat mal eben ein schickes neues Automobil gezeichnet - den Kode 9.
Zugegeben, das 4,10 Meter lange und 1,90 Meter breite Sport-Coupé teilt sich den mittleren Teil seines Chassis mit dem eines Lotus Super 7 aus dem fernen England. Seine Front und sein Heck sowie das gesamte Design stammen jedoch aus der Feder von Ken Okuyama und sind zu großen Teilen per 3D-Drucker entstanden. Das abnehmbare Carbondach, das im Handumdrehen aus dem Zweisitzer ein offenes Fahrvergnügen werden lässt, gehört allerdings nicht dazu.
"Ich liebe es, mein Auto von vorn und auch von hinten zu betrachten", schwärmt der Vater des bis zu 370 PS starken aber nur 890 Kilogramm leichten Kode 9. Besonders die vorderen Kotflügel haben es ihm angetan: "Sie spiegeln die Formen einer schönen Frau mit großen Brüsten und einer schmalen Hüfte wider", erklärt er.
"Ich muss den Käufer mögen. Sonst kriegt er kein Auto von mir. Und den ersten behalte ich sowieso."
Neben der Form, deren Einzigartigkeit in der sehr präsenten Heckfinne gipfelt, sprechen auch seine Abmessungen und seine Motorisierung für eine Fahrdynamik, die mehr als nur Spaß machen muss. "Die Finne, die auch bei aktuellen LeMans-Rennboliden zu finden ist, ist nicht nur dem Design geschuldet. Sie wirkt sich auch positiv auf die Fahrdynamik aus. Zudem habe ich einen sehr prominenten Radstand für meinen kleinen Roadster von 2,30 Meter Länge gewählt. Der ist auch bei den Modellen Porsche 908, 911, 917 und dem Dino zu finden. Heutzutage ein Fahrzeug mit solch einem kurzen Radstand zu bauen ist leider nicht mehr vorgesehen. Dieses Auto ist daher auch als Botschaft an die heutige Autoindustrie zu sehen, die sich in immer kompliziertere Strukturen, gleichzeitig aber einfachste Designlinien verrennt."
Der in der Basismotorisierung von einem 1,6 Liter großen Vierzylinderbenzinmotor angetriebene Kode 9 soll aber nicht nur ein Konzeptfahrzeug bleiben. Im Gegenteil. Juli 2014 geht er in die Serienproduktion. Ab 120.000 US-Dollar soll die 135 PS starke Basisversion kosten. Für die 370 PS starke Topversion, die ihre Kraft aus einem Vierzylinder-Honda S2000-Motor mit 2,0 Liter Hubraum holt, werden 160.000 Dollar fällig. Eine Zwischenversion mit ebenfalls zwei Litern Hubraum, jedoch nur 250 PS steht auch zur Wahl. Allen drei ist das Getriebe gemein das über sechs Gänge verfügt und manuell durchschaltet werden muss.
Doch nicht nur Geld muss der potenzielle Käufer des von legendären Rennwagen aus den Jahren 1963 bis 1973 inspirierten Sportwagen mitbringen. "Ich muss den Käufer mögen. Sonst kriegt er kein Auto von mir. Und den ersten behalte ich sowieso", verrät Ken Okuyama selbstbewusst. Was sich anhört wie die ersten Marketingsätze Ferraris lässt der Designer nicht unbegründet. "Im ersten Jahr werden wir fünf Fahrzeuge, im zweiten weitere 15 produzieren. Wir haben für die gesamte Entwicklung nur knapp unter eine Millionen US-Dollar benötigt und von niemandem, nicht einmal von Banken, Geld geliehen. Und da sind wir stolz drauf."
Ob und wann der kurvige Japaner den Weg nach Europa findet, steht noch nicht fest. "Vielleicht schon in zwei Jahren - mal sehen", rutscht es Ken Okuyama heraus, während er gedankenverloren über den Kotflügel streichelt und der Finne einen kleinen Klaps gibt.
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