Kurz & bündig
|
[+] Ordentliches Fahrwerk, gutes Platzangebot, günstig im Unterhalt, keine lokalen Emissionen |
[-] Hoher Preis, geringe Reichweite, schwache Ausstattung, lange Ladezeit |
|
Nissan hat neben dem Bestseller Quashqai einen zweiten Star in der Modellpalette. Auch wenn gerade in Deutschland kaum mehr als homöopathische Stückzahlen zu erwarten sind, verspricht sind Nissan eine Sogwirkung vom ersten Serien-Elektrofahrzeug.
Das Design des Nissan Leaf Design ist wohltuend unspektakulär, der Innenraum farblos und für den Antrieb sorgt ein Elektromotor mit 80 kW/109 PS und 280 Nm Drehmoment. Das reicht für 145 km/h Spitze und einen Spurt von 0 auf 100 km/h in rund zwölf Sekunden. Doch der Preis von 36.990 Euro lässt Interessenten kräftig schlucken. Ein vergleichbares Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselmotor kostet gerade mal die Hälfte. Subventionen vom Staat? Fehlanzeige. Wer beim Elektroauto auf den Tausender schaut, der ist bei Nissan Leaf & Co. falsch. Den Kostennachteil fährt denn auch niemand je wieder herein.
Das scheint in Übersee viele nicht zu stören. Fast 25.000 Nissan Leaf wurden dort mittlerweile verkauft. Jeweils über 10.000 in Japan und den USA, wo es jedoch Steuervergünstigungen von bis zu 7.500 Dollar gibt. Doch hört man auf die Händlerschaft in Kalifornien, so beginnt die Elektrowelle schneller als erwartet wieder abzuebben. Wurden im vergangenen Sommer bis zu 1.700 Leafs pro Monat verkauft, waren es Ende des Jahres nicht einmal mehr 700 Fahrzeuge.
Verspieltes Cockpit
Trotz zu hundert Prozent aufgeladenem Lithium-Ionen-Akku mit 24 kWh zeigt die Reichweite des Leaf beim Praxistest in Berlin gerade 118 Kilometer an. Und nach Einschalten der Klimaanlage reduziert sich der Radius auf 113 Kilometer. Nichts mit den in Aussicht gestellten 175 Kilometer aus dem Verkaufsprospekt. Es geht los am Tränenpalast. Der Verkehr in der Hauptstadt gehört zu den schlimmsten in Deutschland. Die Straßen sind in einem lausigen Zustand, die Autos alt und kaum jemand nimmt Rücksicht.
Der ab April auch in Deutschland erhältliche Nissan Leaf ist im Cityverkehr flott unterwegs, hat bei der nassen Fahrbahn bisweilen sogar Probleme, seine Kraft auf den Boden zu bekommen. Die gewöhnungsbedürftige Lenkung stört in der Innenstadt nicht und ein großer Teil der polterigen Federung ist den schlechten Berliner Straßen geschuldet. An das verspielte Cockpit gewöhnt man sich schnell - an den links oben im Cockpit sprießenden Baum bei besonders sparsamer Fahrweise weniger.
Schließlich will der Leaf ein ganz normales Auto sein - und abgesehen vom fehlenden Motorengeräusch fährt er sich auch so. Vier Erwachsene haben in dem Fünfsitzer Platz und der Laderaum fasst 330 bis 680 Liter. Das ist klassenüblich und allemal ausreichend. "Ab Mitte kommenden Jahres werden wir drei Ausstattungsvarianten mit mehreren Farben und auch Ledersitzen bekommen", sagt Nissans Elektro-Experte Florian Wunsch: "Im Winterpaket gibt es schon jetzt Sitzheizung vorne und hinten sowie ein beheiztes Lenkrad. Das ist sparsamer als die Beheizen des kompletten Innenraums über die Lüftung."
Mitteltunnel mit Knubbel
Nissan lässt seinem Kunden aktuell kaum eine Wahl. Die Farbe des Leaf kann man nur aus einem engen Spektrum wählen. Das Interieur ist alternativlos in einem hellem Beige gehalten, das in Europa kaum gefallen dürfte. Wie die Farbe nach zwei Jahren aussieht, kann man nur vermuten. Ebenso wie das Armaturenbrett und die Verkleidungen sind auch die Sitze aus recyceltem Material. Der Seitenhalt ist dünn, die Beinauflage kurz und die Verstellmöglichkeiten karg.
Nach ein paar Kilometern wird über den gewöhnungsbedürftigen Knubbel auf dem Mitteltunnel in den Eco-Modus gewechselt. Der Leaf erlahmt: Das gerade noch flotte Gefährt hat sich auf Knopfdruck in eine nervige Lethargie verabschiedet. "Auch im Eco-Modus steht die gesamte Motorleistung zur Verfügung", erklärt Florian Wunsch, "doch die geänderte Gaspedalkennlinie soll zu sparsamer Fahrweise ermahnen."
Der Eco-Modus ist derart träge, dass man die Ökobäume, die im Instrumententräger zunehmend sprießen, gleich während der Fahrt auch noch umtopfen könnte. Immerhin zeigt der Bordcomputer kurzzeitig bis zu 124 Kilometern Reichweite an.
Von Berlin Mitte aus geht es in den Osten der Stadt. Nach dem Wechsel in den normalen Modus fährt sich das Elektromobil wieder wie es sich gehört. Ein kleiner Zwischenspurt - und beim Bremsen wird eifrig rekuperiert. Ganz nebenbei wurden zwei komplette Bäume gepflanzt. Nett.
Rechnen lernen
Ohne Klimaanlage ist heute kaum etwas zu machen. Kurz muss sogar die heizbare Heckscheibe zugeschaltet werden. Die Reichweite liegt dann schnell nur noch bei 78 Kilometern. Und das Zentraldisplay zeigt an, dass der noch zu 75 Prozent volle Akku im Heck des Leaf bis zur 100-Prozent-Ladung drei Stunden Zeit benötigt.
Wer ein Elektroauto fährt, lernt stetig zu rechnen. Das ist nervig, doch anders geht es nicht. Auf Knopfdruck werden die Elektrotankstellen in der Umgebung angezeigt und ein hinterlegter Kreis zeigt, wie weit man mit der Akkufüllung noch unterwegs sein kann. Das Ausschalten der Klimaautomatik würde 21 Kilometer mehr Reichweite bringen zeigt das Display - doch klare Sicht rundum ist wichtiger.
Zurück an der Friedrichstraße ist der elektrische Ausflug nach rund zwei Stunden zu Ende. Drei Bäume gepflanzt, noch 62 Kilometer Reichweite und gerade mal 42 Kilometer gefahren. Das dürfte den meisten Kunden für den sicheren Alltagsbetrieb kaum reichen. Schon gar nicht für 37.000 Euro.
An der Ladestation muss der Leaf wieder Kraft tanken. Zum vollen Akku dauert es bis zu acht Stunden, für eine kleine Tour reichen 30 Minuten Nachladung. Unter der Markennase gibt es vorne zwei Ladestockdosen für 220 Volt und Drehstrom. Einfach Einsteigen und losfahren ist kaum machbar. Immerhin hat man per Smartphone auch außerhalb des Autos jederzeit den Ladezustand im Blick.
Wie entsteht ein Fahrbericht? Das erfahren Sie hier
|
|