Wer den weißen Mazda Cosmo sieht, der gerät schnell ins Schwärmen – Wankel hin oder her. Die flache Chrom-Orgie mit dem langen Radstand ist eines der coolsten Sportcoupés. In Europa kennen den Mazda 110 S Cosmo Sport nur wenige. Kein Wunder: Der erste Serienwankel wurde nur in seinem Heimatland Japan angeboten.
Von 1968 bis 1972 produzierte Mazda gerade mal 1516 Fahrzeuge. Nicht der deutlich bekanntere Ro 80 war in den 60er Jahren das erste Serienfahrzeug mit einem Kreiskolbenmotor - den Titel schnappte ihm ein damals so gut wie unbekannter Japaner weg.
Mazda, damals noch Jahrzehnte vom "Zoom-Zoom" entfernt, hatte bereits viele Jahre am Prinzip des Wankelmotors gebastelt. Mit Einflüssen aus Europa und den USA machten die Japaner in den 60er Jahren auch erste zaghafte Gehversuche in Richtung sportlicher Autos.
Mit dem 1962 initiierten Projekt des Mazda Cosmo sollte alles anders und vor allem sportlicher werden. Während sich das erste Mazda-Team mit dem innovativen Wankelmotor beschäftigte, machte sich ein zweites ans Design. Schließlich sollte ein Sportwagen auch nach Sportwagen aussehen. Gerade nach heutigen Maßstäben ist der 4,14 Meter lange Cosmo denn auch mehr als eine exotische Schönheit: Ein cooler Zweisitzer mit flacher, langer Motorhaube und einem lässigen Hinterteil mit den durch die Stoßstange geteilten Heckleuchten.
Wie in Dr. No
Wer an Verfolgungsjagden in James-Bond-Streifen der 60er und 70er Jahre denkt, dem kommt schnell auch der Mazda Cosmo in den Sinn. Real hat es einen solchen Cosmo Sport jedoch beim Geheimdienst ihrer Majestät nicht gegeben. Eine Schande, denn ein derartiges "Productplacement" hätte seinerzeit sicher für einen weltweiten Erfolg des japanischen Supersportlers gesorgt.
So kann sich Mazda nur mit der Rolle des Nebendarstellers rühmen. Denn auch wenn der 110 S den Wettkampf gegen den Ro 80 um Haaresbreite gewann, erlangte die deutsche Limousine eine weltweit deutlich größere Aufmerksamkeit.
Dabei wurde der erste Prototyp des Mazda Cosmo Sport unter dem Arbeitstitel "Projekt L402A" bereits auf der Tokio Motorshow im Jahre 1963 gezeigt. Parallel gab es von 1964 bis 1967 bereits eine Kleinserie des NSU Spider. Bis die ersten Vorserienmodelle des 110 S Cosmo zu Händlern in die Felderprobung kamen, gingen jedoch noch fast drei Jahre ins Land.
Das erste Serienfahrzeug mit der internen Motorbezeichnung L10A kam schließlich im Jahre 1967 auf den japanischen Markt. Und sorgte für Heulen und Zähneklappern bei NSU, wo man den Ro 80 seinerzeit auf Gedeih und Verderb vorher präsentieren wollte.
Reise nach New York
In Europa kennen den Cosmo nur wenige. Einer davon ist Walter Frey, seit Jahrzehnten Mazda-Händler und begeisterter Autosammler. Unter seinen 165 automobilen Preziosen finden sich auch zwei Mazda Cosmo: "Einen der beiden Wagen habe ich Ende der 80er Jahre selbst aus New Jersey geholt", erzählt der Augsburger Autohändler. "Damals war ich im Urlaub in New York. Um den Wagen zu kaufen, habe ich per Linienbus zusammen mit meinen Söhnen einen abenteuerlichen Abstecher nach New Jersey gemacht." Ein paar Wochen später trudelte der weiße Cosmo, 68er Baujahr, in Deutschland ein. Bis heute der Rechtslenker der ganze automobile Stolz der Familie.
Das Modell zeigt sich auch auf der Straße in einem guten Zustand. Der 110 PS starke Kreiskolbenmotor zieht seidig und weich an. Die sportliche Viergangschaltung passt gut - allein die schwergängige und schwammige Lenkung mag nicht zu einem Sportwagen passen.
Die 110 Wankel-PS des Zweischeibenmotors haben mit den knapp 950 Kilogramm des Japaners leichtes Spiel. Das spindeldürre Holzlenkrad und die sieben Runduhren im nüchtern schwarzen Cockpit verbreiten den Charme der 50er- und 60er Jahre. Die Sitze mit Kunstlederbezug bieten keinerlei Seitenhalt, doch die Sitzposition ist überraschend gut. Kein Gedanke, im urjapanischsten aller Nippon-Sportler zu sitzen. Doch Rechtslenker und das historisch-geschwungene Mazda-Logo lassen keinen Zweifel daran, dass man einen Cosmo bewegt – einen von 1.516.
Cosmo Owners Club
Die Sammlerqualitäten des 63jährigen Frey haben sich längst auch bis in die japanische Firmenzentrale herumgesprochen. Hier ist der Augsburger Autohändler bekannt wie ein bunter Hund. Seine Sammlung mit über 160 Autos umfasst auch mehr als 100 seltene Mazda-Modelle, darunter 50 Wankler. Die ungewöhnliche Mazda-Expertise hat Walter Frey als einzigem Europäer die Aufnahme in den elitären Cosmo Owners Club ermöglicht.
Seine beiden Söhne teilen die Mazda- und Autoleidenschaft des Vaters. "Unser Ziel ist ein eigenes Mazda-Museum", sagt Joachim Frey. "Historie ist schließlich die billigste Werbung."
Weshalb der Cosmo bis heute im Schatten des Technologieträgers Ro 80 und anderer Sportwagen aus Europa und den USA steht, hat einen einfachen Grund: Er wurde allein in Japan verkauft. Und das in einer Auflage von kaum mehr als 1.500 Stück. Der Ro 80 dagegen wurde bis zum Jahre 1977 fast 48.000 Mal verkauft.
Besonders selten sind die ersten Mazda-Modelle der Baureihe L10A, von denen es nicht einmal 350 Stück gegeben haben soll. Rund viermal so viele Fahrzeuge entstammen der späteren Baureihe L10B. Zwar verfügte auch er über einen Zweischeiben-Wankelmotor mit 2x491 Kubikzentimetern. Aber eine geänderte Motorsteuerung erlockte dem Hecktriebler 128 statt zuvor 110 PS. Die ersten Prototypen hatten noch ein Kammervolumen von weniger als 0,8 Litern.
Letztlich wurde die kostenintensive Produktion im Herbst 1972 eingestellt. Sein Nachfolger Mazda RX-7 war weit weniger beeindruckend, dafür aber um so erfolgreicher. Ihn gab es später auch in den USA und Europa. Bis heute gilt der Mazda 110 S Cosmo in Japan als Supersportwagen und hat dort einen ähnlich emotionalen Ruf wie der Mercedes SL. Auch den gab es als Einzelstück übrigens mit Wankelmotor: Ein SL-Prototyp des Baujahres 1972 wurde eigens für Felix Wankel umgebaut.
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