Der US-Markt ist reich an Autolegenden. Von dem immer schwarzen Ford T-Modell über unendlich lange Cadillacs, die sensationellen Thunderbirds bis hin zu Renncoupés wie der Corvette und der Viper. Dodge gilt als eine der Marken mit dem größten Einfluss auf den US-Markt. So war es es ein 68er Dodge Charger, der durch die sensationelle Verfolgungsjagd in Bullit Filmgeschichte geschrieben hat.
Der Charger ist eines der schärfsten US-Autos aller Zeiten. Schon seine Dimensionen machen Angst: 5,40 Meter lang und 1,90 Meter breit bei der Parkplatzsuche muss man fast mit Maybach-Dimensionen kalkulieren. In den Innenstädten von Berlin, Franfurt oder München braucht man es damit gar nicht erst versuchen. Besser man parkt gleich in der zweiten Reihe. Wer sollte es auch wagen, dieses Prachtstück an den Haken zu nehmen und abzuschleppen?
Für die Duke-Boys Luke und Bo in der US-Kult-Serie Dukes of Hazzard (deutscher Titel: Ein Duke kommt selten allein) war der General Lee ihr ein und alles. Sie liebten und sie herzten ihn. Ihr Charger trug den Namen von General Robert E. Lee, der für die Südstaaten gegen Mexiko und im Bürgerkrieg kämpfte.
Schrott am laufenden Band
Sein automobiler Nachfahre ging mit den Dukes durch dick und dünn, bretterte über Stock und Stein. Da, wo in der Serien-Schmonzette die meisten modernen Geländewagen hätten passen müssen, kam der Charger mühelos durch. Nur ein paar hundert Meter Anlauf - und nervige Hindernisse wie Hügel, Scheunen oder Polizeisperren wurden einfach übersprungen. Während der Dreharbeiten wurden sage und schreibe 309 General-Lee-Modelle zu Schrott gefahren.
Von den Polizeiwagen hinter ihm gar nicht zu reden. Der entnervte Comissioner Boss J.D. Hogg konnte meist nicht mehr tun, als seinen Stetson entnervt auf den Boden zu knallen und die Trümmer der Polizeiwagen rund um Sheriff Coltrane und Enos Strate einsammeln. Außer einer Staubwolke und einem Blick auf den orangefarbenen Dodge mit der riesigen "01" auf der Tür gab es nichts mehr zu holen. Zum allem Überfluss ließen die Duke-Boys mit ihrer Zwölfton-Fanfare, dem "Dixie-Horn", auch noch ihren Schlachtruf ertönen.
Womit wir beim Heute gelandet wären. Fabio Endrizzi aus Friedberg bei Frankfurt hat als Student schon früh seine Liebe zu PS-starken Autos entdeckt. Privat fährt er einen Audi 100 S4, rund 300 PS stark. Doch seine wahre Liebe gilt einem Dodge Charger aus dem Jahre 1969.
Mega-Durst
In mühevoller Kleinarbeit hat er den PS-Protz wieder auf Vordermann gebracht. Die Restaurierung hat mehrere Monate gedauert. "Der Zustand des Ausgangsmodells war gut", sagt Endrizzi: "Sonst hätte es länger gedauert." Kein Problem ist die Ersatzteilversorgung. "In den Vereinigten Staaten gibt es so gut wie alles." Und Ebay-USA ist eine echte Fundgrube, wissen die Kenner der Szene.
Wenn das mächtige 383er-Triebwerk angefacht wird, bibbert der Asphalt. 6,2 Liter Hubraum (383 cubic inches), acht Zylinder und 260 kW/350 PS sind auch nach über 30 Jahren eine Schau. Die Höchstgeschwindigkeit hängt ganz von der Getriebeübersetzung ab. Bis zu 220 km/h sollen drin sein. Dann haben die montierten Power-Brakes jedoch Höchstleistungen zu vollbringen. Wenn es auf der Landstraße einmal eng werden sollte, hilft noch immer die schwarze Rammstange. Damit wurde in der Fernsehserie so ziemlich alles zusammengefahren, was der Filmfundus hergab.
Der Verbrauch ist astronomisch. "Bei normaler Fahrt sind es 30 bis 35 Liter pro 100 Kilometer", sagt Endrizzi mit einem Augenzwinkern: "Aber beim Stopp-and-Go-Verkehr in der City laufen auch schon mal 50 Liter durch den Vergaser." Damit nicht jeder Ausflug zur Plünderung des Kontos wird, hat der Dodge-Fan im Heck seines General Lee einen Gastank verbaut. Dann lässt sich der 5,40-Meter-Koloss mit weniger als 20 Litern pro 100 Kilometern fahren. Für alle Fälle kann man am Armaturenbrett umschalten auf Benzinbetrieb.
Jeder Meter ein Genuss
Bis auf den Schalter in Kniehöhe und den griffigen Momo-Lenker ist im Charger alles wie damals original. Okay, das weiße Leder passt nicht so recht in das orangefarbene Geschoss ist aber ebenfalls Serie.
Überraschend, wie gut sich der mehr als 35 Jahre alte Dodge Charger über die enge Landstraße bewegen lässt. Die bekannt schwammige Lenkung von US-Autos sucht man vergebens. Präzise lässt sich der Bigblock-V8 über die Straße zirkeln. Der Suchtfaktor? Nicht nur wegen des betörenden Blubberns ganz enorm. Ein Tritt auf das schwergängige Gaspedal und der Charger stemmt sich bullig donnernd gegen den Wind. Statt aerodynamischer Feinheiten gibt es nur Power pur.
Jeder Meter ist ein Genuss. Fabio Endrizzi restauriert gerade einen weiteren General Lee, ebenfalls Baujahr 1969 und in dem obligatorischen Orange - aber mit schwarzem Leder. Einen Käufer für den General hat er bereits, einen begeisterten Italiener. Die Dukes haben eben überall ihre Fans so wie Dodge.
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