Viele kennen es, wenige haben es je live gesehen und nahezu niemand hat es selbst gefahren: ein Tuk Tuk. Die kleinen Dreiräder flitzen, kriechen, hupen und vor allem knattern durch ganz Asien und transportieren für eine Handvoll Münzen ihre bis zu drei, je nach körperlicher Konstitution auch schon mal fünf Passagiere von A nach B.
Auf der Insel Sri Lanka, an der Südspitze Indiens gelegen, gehören sie ebenso zum Straßenbild wie die genüsslich am Straßenrand grasenden Kühe. Woher die 2,63 Meter kurzen und 1,30 Meter breiten Taxis ihren Namen haben, ist auf Grund des Viertakt-Motorsounds nicht schwer zu erraten.
Der Einzylinder-Benzinmotor des 630 Kilogramm leichten Bajaj RE 4Stroke-Tuk Tuks lässt schnell den Verdacht aufkommen, dass das Fahren eines solchen Gefährts einfach sein muss. Doch weit gefehlt. Das Fahren eines nur 55 Kilometer pro Stunde schnellen Tuk Tuk ist harte Arbeit. Und wenn die Körpermaße des Fahrers von europäischer Natur sind, dann wird es sogar nahezu unmöglich. Wohin mit dem Knie? Wohin mit Kopf?
Der gewöhnungsbedürftige Linksverkehr stellt angesichts dieser Schwierigkeiten - und der Tatsache, dass neben den Tuk Tuks ja auch noch schwere LKW und schnelle Pkw die Straßen nutzen - das kleinste Problem dar. Bei der Naturschutzorganisation Nature Conservation Society in Aluthgama, rund 80 Kilometer südlich der Hauptstadt Colombo, gab es nun die Möglichkeit, einmal so einen Stadtfloh zu testen.
Reifenwechsel im Uhrzeigersinn
Ist der Fahrersitz, unter dem sich servicefreundlich die Batterie befindet, erst einmal eingenommen und die unteren Gliedmaßen irgendwie neben dem dünnen Bremspedal verstaut, dann kann es losgehen.
Doch so einfach ist das natürlich nicht. Laut Handbuch muss zuvor noch eine Checkliste durchgearbeitet werden. Ist der acht Liter fassende Benzintank voll? Sind 1,5 Liter Getriebeöl vorhanden? Ist die Batterie voll? Sind Bremsen und Lenkung funktionstüchtig und sind alle drei, beziehungsweise inklusive Ersatzreifen alle vier Reifen überprüft? Das Thema Reifen spielt angesichts der rauen und mit Schlaglöchern garnierten Straßen eine übergeordnete Rolle. Nicht ohne Grund sollten alle 5.000 Kilometer die Reifen im Uhrzeigersinn rotiert werden. Soll heißen: Aus dem Vorderrad wird das rechte Hinterrad, das wiederum zum Ersatzrad wird und so weiter.
Ist alles gecheckt darf der Schlüssel gedreht und im Leerlauf der Startknopf gedrückt werden. Sollte das 3.000 Euro teure Tuk Tuk nicht innerhalb von höchstens fünf Sekunden anspringen hält das Handbuch einen heißen Tipp parat: Einfach zehn bis 15 Sekunden warten und dann nochmals versuchen.
Mit einem lauten "Tuk Tuk" gibt der soeben mit Benzin geflutete 0,17 Liter große und 6 kW/8 PS starke Motor ein erstes Lebenszeichen von sich. Jetzt noch 15 Sekunden warten, einen Gang einlegen und langsam mit der rechten Hand Gas geben - das war's: Der Motor ist wieder aus. Also von vorn. Beim vierten Mal ist es geschafft. Die 11,5 Newtonmeter greifen schonungslos an der Hinterachse an und bringen die acht Zoll kleinen Räder in Bewegung. Der Fahrtwind sorgt angesichts der Außentemperaturen von 35 Grad für die gewünschte Abkühlung. Der Zeiger im leicht verstaubten Speedometer hat schon fast die weiße 20 auf grünem Grund überflogen, da wartet bereits die erste Kreuzung.
Kleine Runde um den Block
Ein beherzter Tritt auf die Bremse sorgt schnell, aber irgendwie auch zu schnell für Stillstand. "Normalerweise bremsen wir nicht. Wir gehen nur vom Gas", lachen die Besitzer des Tuk Tuk, Andrea Launhardt und ihr Mann Chandralal Premakumara. Um nicht noch weiter in den schier undurchdringlichen Verkehr einzudringen muss der Rückwärtsgang herhalten.
Doch schnell wird klar: Das Anlassen des 317 Kilogramm leichten Tuk Tuk war nicht das Schwierigste. Nass geschwitzt gelingt es beim gefühlt zehnten Mal, den korrekten der möglichen fünf Gänge inklusive des gewünschten Rückwärtsgangs einzulegen und langsam auf der Nebenstraße zurückzufahren.
Nach einigen Manöverwiederholungen und vom Ehrgeiz getrieben gibt es eine kleine Runde um den Block. Dabei wird deutlich, dass es ohne weiteres möglich ist, das 1,71 Meter hohe Dreirad auf den Kopf zu stellen. Ein zu starker Lenkeinschlag und es ist passiert. Zum Glück nicht heute.
Das Gefühl, in einem Autoscooter zu sitzen, macht sich zudem schneller breit als gewünscht. Und die Fahrweise der Einheimischen wirkt diesem Gefühl nicht wirklich entgegen. Lediglich das dünne Blech und die fehlenden Seitenwände holen einen schnell wieder in die Realität zurück und lassen die eigene Fahrt wie ein Himmelfahrtskommando erscheinen. Der einsetzende starke Monsunregen und die weiterhin viel zu schnell und zu dicht fahrenden Bussen und LKW lassen nur das eine Fahrtziel zu: Ab nach Hause. Egal wie. Zur Not auch zu Fuß.
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