Die Sonne lacht, der Asphalt ist heiß und über 160.000 Zuschauer freuen sich beim Goodwood Revival über automobile Raritäten, die nur hier fahren. Dieses Wochenende in der Region West Sussex erscheint wie eine geträumte Zeitreise. Allerdings wird die träumende Menge jäh in die Realität zurückgeholt, als ein 66 Jahre alter Norweger den Zündschlüssel eines orangenen Rennwagens umdreht.
"So wird sich wohl die Fanfare zum jüngsten Gericht anhören", brüllt eine junge Mutter, während sie ihrem kleinen Sohn die Ohren zuhält. Fanfare ist im Übrigen der passende Begriff, da die beiden Auspuffrohre, die aus dem orangen Tatra 603 B6 herausragen, die Ausmaße zweier Posaunen haben. Dass der stählerne Tscheche so laut ist, hat jedoch - anders als bei manch getuntem Ruhrgebietsflitzer - einen technischen und keinen geschmacklichen Hintergrund.
Der Tatra 603 B6 verfügt über einen Heckmotor mit acht Zylindern und knapp 170 PS. Der ohrenbetäubende Krach resultiert aus dem Kühlsystem, das ihm nochmals 20 zusätzliche Pferdestärken beschert. Sorgen beim Tatra normalerweise zwei von der Kurbelwelle angetriebene Ventilatoren für eine ausreichende Kühlung des Motors, so verfügt der 603 B6 über ein sogenanntes Doppel-Diffusor-Kühl-System. Das ersetzt beide Ventilatoren und versorgt den Motor durch einen vom Doppel-Diffusor erzeugten Unterdruck mit Kühlluft. Dieses System wurde zuletzt vor über 40 Jahren verwendet und arbeitet seit 2010 in dem orangenen Tschechen. Wegen der großen, schwarzen Auspuff-Endrohre bekam das System den Namen Black Bull Tatra Double-Diffuser Cooling System.
Gefahren wird der schwarze Bulle aus dem Jahr 1959 vom norwegischen Renn-Urgestein John Haugland. Der Leiter einer Rally-Schule ist stolz, diese Rarität beim Goodwood Revival pilotieren zu dürfen: "Er ist schon etwas ganz besonderes, auch wenn sein Klang ihn stärker wirken lässt als er tatsächlich ist." Besitzer Stanislav Hajdusek freut sich ebenfalls über das Interesse der Menschenmenge: "Die Idee war, mit einem nicht britischen Fahrzeug nach Goodwood zu kommen. Da kam uns die Idee mit dem Tatra. Er ist übrigens ein echter Scheunen-, beziehungsweise Garagenfund. Wir haben insgesamt zwei Jahre Arbeit investiert."
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