Es mag viele Autofahrer geben, die an zwei Tagen knapp 15 Stunden hinter dem Lenkrad verbracht haben. Doch nur die wenigsten schaffen das auf einer Rennstrecke und rasen nach knapp 70 scharf gefahrenen Kurven im Acht-Minuten-Takt mit bis zu 300 Kilometer pro Stunde die Döttinger Höhe entlang - die Teilnehmer der Scuderia S7 allemal.
Oberstes Gebot: Ordnung und Disziplin. "Die Sicherheit hat oberste Priorität", erklärt Organisationsleiter Mike Schütte. "Wir haben die Nordschleife samt Streckenposten und Abschleppdienst für zwei Tage gemietet, bei uns benimmt sich jeder - unabhängig von PS-Zahl und Einkommen."
Just in diesem Moment tönt aus seinem Funkgerät der Satz "Wir haben einen Abflieger im Brünnchen". Schütte kann das nicht erschüttern: "Das gehört nun mal zum Motorsport dazu", so sein trockener Kommentar und er beginnt das für solche Fälle einstudierte Prozedere in Gang zu setzen: Strecke sperren, Abschlepper und Besenwagen ordern, Zeitplan neu stricken.
In diesem Fall ist die Sache noch einmal glimpflich ausgegangen. Am ersten Tag der Veranstaltung hat der Abflug eines Instruktors mit seinem neuen, auf 333 Exemplare limitierten und 560 PS starken Audi R8 GT drei angeknackste Brustwirbel und eine gebrochene Rippe gefordert. Hätten die Ärzte den Unglücksfahrer nicht noch über Nacht zur Beobachten behalten wollen, er hätte sich einfach ein anderes seiner zu diesem Event mitgebrachten Fahrzeuge geschnappt und wäre weiter geheizt.
Bei den Teilnehmern herrscht eine gewaltige Porsche-Übermacht
Eines herrscht an diesen Tagen jedenfalls nicht nahe der Nürburg-Ruine, die so ruhig und idyllisch inmitten der 20,832 Kilometer langen Grünen Hölle liegt: Fahrzeug- und Geldmangel. Anders als der Name Scuderia S7 vortäuscht, sind die Italo-Flitzer á la Ferrari oder Lamborghini in der Unterzahl. Es herrscht eine gewaltige Porsche-Übermacht. Nur vereinzelt sind ein Mercedes-Stern, Opel-Blitze oder das Logo von BMW, Nissan und McLaren zu erspähen. Wen wundert's? Sind die Zuffenhausener Automobile doch von Altmeister Walter Röhrl auf genau diesen Lebensraum getrimmt worden.
An den Kennzeichen ist indes zu erkennen, dass Treibstoff verschlingende Anreisen aus Skandinavien und Italien keine Ausnahme bilden. Würde es einen Tunnel zwischen Kanada und der Eifel geben, wäre der dort lebende Iraner Ahmad Khodkar mit Sicherheit in seinem zur Rennmaschine umgebauten BMW 135i auf eigener Achse angereist. "Er kommt seit 40 Jahren zu uns auf den Ring. Er ist der Diva Nordschleife völlig erlegen", schwärmt Streckenposten Manfred Wiebusch.
Wiebusch ist 71 Jahre alt und leistet seit 53 Jahren Fahranfängern und Profis erste Hilfe oder signalisiert mit seinen vor 17 Jahren für 80 DM selbst gekauften Flaggen, ob Gefahr im Verzug ist. "Ich bin mit zehn Jahren das erste Mal mit meinem Vater zum Ring gekommen und da war es um mich geschehen", erklärt der gebürtige Remscheider.
So ganz nebenbei verrät der für 45 Euro pro Tag arbeitende Manfred Wiebusch, dass ihn vor fünf Jahren eine heranfliegende Felge am Rücken getroffen hat. Ach ja, und, dass er einer der beiden Streckenposten war an jenem denkwürdigen 1. August 1976, die Niki Lauda zusammen mit dem Rennfahrer Arturo Merzario aus seinem brennenden Ferrari 312T2 gezogen haben. Auf die Frage, ob sich der Ex-Formel 1-Weltmeister jemals bei ihm bedankt oder gemeldet hat, erwidert er mit schlecht geschauspielter Coolness: "Nein. Nie. Ist aber auch nicht notwendig."
Unerfahrene oder untermotorisierte Fahrzeuge sollten sich lieber vom Ring fernhalten
Streckenposten wie er oder der 57-jährige Johannes Schuhmacher, der seit 1985 jeden Tag für die Sicherheit unter anderem am Streckenabschnitt Metzgesfeld sorgt, sind im Teilnahmepreis von 2.300 Euro mit inbegriffen. Der für Motorsport-Uninteressierte unglaublich hoch erscheinende Preis für zwei Tage Rasen relativiert sich allerdings beim Blick auf den Tagesablauf. So lösen sich Sektionstraining und freies Fahren in regelmäßigen Abständen so ab, dass - abgesehen von einem angebotenen Mittagessen - keinerlei Unterbrechungen auf dem Plan stehen. Soll heißen, an den beiden Tagen werden Kilometer gefressen. Und das auf der schönsten, längsten aber auch gefährlichsten Rennstrecke der Welt.
Für Anfänger oder als Geschenk für den Liebsten, der sich schon immer mal eine Fahrt auf der Nordschleife gewünscht hat, ist eine Teilnahme an der Scuderia S7 nicht gedacht. Und auf keinen Fall zu empfehlen. Rennstreckenunerfahrene oder untermotorisierte Fahrzeuge sollten sich lieber vom Ring fernhalten. Denn das Gefühl, von einem 600 PS starken Porsche überholt zu werden, kommt dem gleich, das man beim Vorbeiflug eines Kampfjets hat.
Ringerfahrene Autofahrer mit mindestens 200 PS unterm Hintern kommen hingegen voll auf ihre Kosten. So ist es keine Seltenheit, dass ein Stadtflitzer wie der Opel Corsa OPC einem Ferrari die Show stiehlt und ihn in einer der 73 Kurven überholt. Spätestens jedoch auf der knapp zwei Kilometer langen Geraden Döttinger Höhe stellt sich dann die vorherige Reihenfolge wieder ein. Gegen den Geschwindigkeitsüberschuss von 100 Kilometern pro Stunde kann auch der talentierteste Rüsselsheimer-Pilot nichts ausrichten.
Nirgends erwähnt, doch ebenfalls im Preis mitinbegriffen sind die Nach- und Nebenwirkungen der beiden intensiven Scuderia S7-Tage: Schulterschmerzen bei gleichzeitiger Nordschleifen-Sehnsucht. Wer die Grüne Hölle derart intensiv erleben durfte, der wird ihr wie Ahmad Khodkar - oder die zahllosen Ring-Jünger zuvor - gnadenlos verfallen.
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