In Japan gehören sie seit Jahren zum Straßenbild, so wie bei uns die Kompaktklasse. Die Kei-Cars, sprich Kleinst- oder Leicht-Fahrzeuge, sind vor allem eines: klein. Doch ein genauer Blick offenbart, dass sich das europäische Auge durchaus täuschen lässt. Denn die bis 3,40 Meter langen, 1,48 Meter breiten und bis zu zwei Meter hohen Stadtflöhe bieten mehr, als es ihnen auf Anhieb anzusehen ist.
Und das, obwohl sie im Vergleich zum aktuellen Smart Forfour zehn Zentimeter kürzer und satte 19 Zentimeter schmäler sind. Wer einmal in einem Kleinst-Japaner saß, wird sich spätestens beim Preisvergleich gegen den Deutschen entscheiden. Na gut, die per Gesetz vorgeschriebene 0,660 Liter-Hubraumgrenze sprengt der Smart zwar. Aber wer in Japan lebt, weiß um die Vorteile, die der Besitz eines Kei-Cars mit sich bringt.
Da wäre zum einen die jährliche Steuerersparnis. Zahlen Kei-Car-Fahrer nur umgerechnet 81 Euro, wird darüber hinaus bis zur Ein-Liter-Marke dreimal so viel fällig. Gleichzeitig fahren sie auf der mautpflichtigen Autobahn günstiger. Wird die 350 Kilometer lange Strecke von Tokio nach Nagoya zur Berechnung herangezogen, zahlen die Kei-Cars nur 43 statt 54 Euro.
Einer der größten Gründe, sich für einen kleinen Stadtwagen zu entscheiden, liegt allerdings ganz woanders. Denn wie auch die ersten deutschen Großstädte zeichnet sich Japan vor allem durch Parkplatzmangel aus. Aus diesem Grund können nur Autos zugelassen werden, für die auch ein fester Stellplatz zur Verfügung steht - mit der Ausnahme von Kei-Cars. Bei denen entfällt der Parkplatz-Nachweis.
Da wundert es nicht, dass von den 5,6 Millionen zugelassenen Fahrzeugen im Jahr 2014 ganze 2,3 Millionen auf dieses Fahrzeugsegment fallen. Die Nummer eins ist mit 215.000 Verkäufen der Daihatsu Tanto, ein Großraumvan im gesetzlich vorgeschriebenen Abmessungs-Korsett der Kei-Cars. Eine Fahrzeugform, die die gesamte Top 5 der am meisten verkauften Kei-Cars bestimmt.
Große Augen, satte Rundungen und fesche Farben fallen zumindest schon von außen auf
Wie langweilig wäre Japan ohne seine schrillen, schrulligen und irgendwie auch sexy Kleinstwagen? Weil nicht jeder Kei-Car-Besitzer in einem geschrumpften Kastenwagen von A nach B fahren möchte, gibt es unter anderem bei Suzuki drei richtig heiße Boliden. Der eine heißt wie ein bekanntes Männermagazin, der andere besitzt ein überall im und am Fahrzeug auftauchendes Logo wie das des bekanntesten Männermagazins und der dritte im Bunde ist einfach nur sportlich. Die Rede ist vom Hustler, dem Lapin mit Bunny-Logo und dem Alto Turbo RS.
Letzterer macht seinem Namen ohne Kompromisse aber dafür mit Turboaufladung alle Ehre. Für 10.663 Euro stehen dem Fahrer bis zu 64 PS, 98 Newtonmeter und ein kernig klingender Allradler zur Verfügung. Wie seine beiden Brüder wird er zwar auch mit einem manuellen Fünfganggetriebe angeboten, doch bei einer Bestellrate von über 90 Prozent für die gemütlichere Alternative in Form des CVT-Getriebes spielt das eine verschwindend geringe Rolle.
Wer sich vom mehr schlecht als rechten Getriebe nicht die Gänge vorschreiben lassen möchte, der hat beim Alto Turbo RS die Möglichkeit, per Schaltwippen am Lenkrad selbst zu Hand anzulegen. An seiner eher zurückhaltenden Spritzigkeit ändert das zwar nichts. Im Vergleich zum Hustler und Lapin sind ihm seine Mehr-PS allerdings deutlich anzumerken.
Das macht jedoch überhaupt nichts, liegt bei den ebenfalls mit Front- oder Allradantrieb erhältlichen Japanern der Fokus auf etwas ganz anderem. Denn dort wird auf die geschlechtertypischen Ansprüche Wert gelegt. So ist der Bunny-Wagen Lapin als reines Frauenauto deklariert. Große Augen, satte Rundungen und fesche Farben fallen zumindest schon von außen auf.
Da nur rund 700 Kilogramm bewegt werden müssen, überrascht der Spritverbrauch von knapp drei Litern auf 100 Kilometern kaum
Das eigentlich Weibliche findet allerdings im Innenraum statt. Dort finden sich zwei Schminkspiegel, ein halbes Dutzend Ablagefächer, ein Handtaschenhalter und eine wohlige Wohnzimmeratmosphäre. Mit dem Drücken des Startknopfes erscheinen ein paar Hoppelhäschen im Display, die ihre Fahrerin willkommen heißen und sogar zum Geburtstag gratulieren. Für die tonnenschweren Einkäufe lassen sich sowohl die Rückbank, als auch der Beifahrersitz umklappen. Dauert der Stau mal wieder etwas länger, lassen sich auch beide Vordersitzlehnen nach hinten umlegen und aus dem Kei-Car wird ein echtes Wohn- oder Schlafzimmer.
Damit die Besitzerin auch ja nicht vergisst, dass sie in einem rollenden Hasen fährt, verstecken sich im ganzen Fahrzeug kleine Bunny-Logos. Eine nette Lösung gegen herumfliegende Anschnallgurte findet sich im Fond. Dort wird einfach der Anschnallgurt in einen kleinen Schlitz im Plastik gesteckt, fertig.
Wie der Lapin verfügt auch der Hustler über Bremsenergie-Rückgewinnung. Im Zusammenspiel mit ESP, Citynotbremse, Allradantrieb sowie einem großen Navigationssystem, Klimaanlage und schlüssellosem Starten, können deutsche Hersteller froh sein, dass die Kei-Car-Welle noch keinen Kurs auf Europa genommen hat.
Das fahrende Männermagazin und der Lapin teilen sich den 52 PS starken Motor mit 63 Newtonmeter Drehmoment. Für den Männerwagen ist jedoch noch eine 64 PS starke Version erhältlich. Da nur rund 700 Kilogramm bewegt werden müssen, überrascht der Spritverbrauch von knapp drei Litern auf 100 Kilometern kaum. Der Wendekreis von neun Metern ist unter anderem den 15 Zoll großen Rädern zuzuschreiben.
Was sich von dem sexy Trio besonders der Hustler an Kritik gefallen lassen muss, das ist seine hohe Seitenwindanfälligkeit sowie die stark in den Innenraum dringenden Windgeräusche. Der Grund liegt unter anderem in seiner Höhe. Immerhin bietet er 16 Zentimeter mehr Kopffreiheit als der Alto Turbo RS. Dass der Hustler mit 1,66 Meter genau so hoch ist wie Schauspiellegende Marilyn Monroe, ist dabei bestimmt Zufall.
|