Was den Europäern ihr VW Golf ist den Südamerikanern der VW Gol - eine Nummer kleiner als der Golf und im Namen fehlt gerade mal ein Buchstabe. Seit einem viertel Jahrhundert ist der Gol das meisterverkaufte Auto Brasiliens. Der Modellname könnte treffender nicht sein und da sich der Volkswagen-Konzern seit ein paar Jahren kräftig beim Nationalteam der Selecao engagiert, ist das kräftig gelbe Sondermodell gleichen Namens eine logische Folge.
1980 erstmals vorgestellt, entwickelte sich das Einstiegsmodell von Volkswagen do Brasil schnell zum Bestseller und übernahm 1987 Platz eins in der Verkaufsliste. Dort steht er seit 25 Jahren. Thomas Schmall, Präsident von Volkswagen do Brasil: "Der Gol ist ein Stück Brasilien."
Technisch ist die neueste Gol-Generation eine Mischung aus verschiedenen, in die Jahre gekommenen Volkswagen-Plattformen. Der ausgelaufene VW Polo spendiert dem brasilianischen Gol große Teile seines Unterbaus. Dazu kommen Komponenten von verschiedenen Golf-, Fox- und Polo-Generationen.
Das Design des neuesten Gol präsentiert sich ähnlich unspektakulär wie das des europäischen Golf. Der lateinamerikanische Kunde steht nicht auf extravagante Designeskapaden. Der VW Gol ist seit Jahren insbesondere gut, günstig und ein treuer Begleiter - das kommt an. Mittlerweile gibt es Cross- und Rallyemodelle, Sparversionen und Sportvarianten. Doch so treffend wie der VW Gol Selecao ist kein anderer.
Der 3,90 Meter lange Gol ist bei allem Bauteil-Mix technisch nicht mit dem europäischen Polo oder gar dem klassenhöheren Golf zu vergleichen. Ein wirklich billiges Vergnügen ist der Gol in seinem Heimatland dennoch nicht. Das liegt weniger an überzogenen Preisen der in Brasilien seit 1953 beheimateten VW do Brasil, sondern an üppigen Steuern, die den Einstiegspreis des Basis-Gol auf umgerechnet über 11.000 Euro ansteigen lassen.
188 km/h Spitze sind deutlich mehr, als sich die brasilianische Polizei auf den Autobahnen gefallen lässt
Dafür gibt es solide Technik, eine mäßige Ausstattung und wenig Komfort. Die grauen Kunststoff-Oberflächen sind nach europäischen Maßstäben rustikal und lieblos, die Schalter rar gesät und die Sicherheitsausstattung mehr als dünn. Doch für Sicherheits- und Assistenzsysteme interessiert sich in Brasilien eh kaum jemand. Auf dem neusten Stand sind das Lenkrad und das Radiosystem. Die würden sich auch in einem deutschen Polo gut machen.
Auch bei den Motoren bleiben moderne Turbo-Direkteinspritzer außen vor. Der Kunde hat außen die Wahl zwischen Drei- und Fünftürer sowie innen zwischen 1,0 und 1,6 Litern Hubraum. Das 72 PS starke Einsteigermodell ist für das tägliche Fortkommen ausreichend. Ein Wunder an Drehfreude ist der leistungsstärkere Gol 1.6 Selecao mit seinen 101 PS jedoch nicht. Er bietet für umgerechnet knapp 16.000 Euro immerhin eine manuelle Klimaanlage, Alufelgen, Bordcomputer, elektrische Fensterheber und Funkfernbedienung.
Die Fahrleistungen sind ordentlich. Von 0 auf Tempo 100 schafft es der Fronttriebler in rund zehn Sekunden. Und 188 km/h sind deutlich mehr, als sich die brasilianische Polizei auf den Autobahnen gefallen lässt. Das maximale Drehmoment von 154 Nm bei 2.500 U/min reicht aus, um den eine Tonne schweren Brasilianer flott zu bewegen. Wirklich sparsam kann man mit ihm jedoch nicht unterwegs sein. So laufen selbst bei normaler Gangart mehr als acht Liter Kraftstoff durch die Einspritzdüsen. Getankt werden kann ein beliebiges Mischungsverhältnis von Ethanol und Benzin.
Der VW Gol 1.6 Selecao ist zumindest nach europäischen Maßstäben ein Billigmodell vom Schlage eines Dacia Sandero. Bei längeren Autobahnfahrten nervt der fehlende sechste Gang, der das Geräuschniveau absenken würde. In Brasilien interessiert das zumindest in dieser Kleinwagenklasse niemanden.
Rund 70 Prozent der Brasilianer suchen ihren Traumwagen in der Liga von Gol, Sandero, Corsa und Clio. Kein Wunder, dass vom VW Gol seit 1980 mehr als sieben Millionen Fahrzeuge gebaut wurden. Das bedeutet Platz fünf in der Volkswagen-Konzernhitliste.
Wer den Gol als Stufenheckversion mit Kofferraum will - auch kein Problem. Der ungleiche Bruder heißt Vovage. Doch den gibt es nicht als Sondermodell Selecao - auch wenn Brasilien die Fußball-Weltmeisterschaft am 13. Juli gewinnen sollte.
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