Wenn der durchschnittsdeutsche Autobesitzer eine Delle im Kotflügel hat, bekommt er einen hysterischen Anfall - beim Franzosen zuckt höchstens die Gauloise im Mundwinkel. Ein Klischee, das durchaus reale Wurzeln hat: "Franzosen sind Auto-Pragmatiker", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR) an der FH Gelsenkirchen. "Nirgends sieht man das besser als bei den Kleinlastern und Transportern. Während in Deutschland mit seinen gut 3,4 Millionen Fahrzeugverkäufen nur 226.000 Transporter und Kleinlaster abgesetzt werden, sind es im 2,5 Millionen-Markt Frankreich mit 460.000 Fahrzeugen mehr als doppelt so viele", berichtet er.
Dieser Trend berührt auch den PKW-Markt. Ob Renault Kangoo, Peugeot Partner oder Citroën Berlingo: Seit Jahren sind die Franzosen führend im Angebot an Kasten-Kombis auf Nutzfahrzeugbasis. Weitere Spezialitäten im geburtenstarken Frankreich (im Durchschnitt bringt jede Französin 2,1 Kinder zur Welt) sind kleine Familienkombis und vor allem Minivans - ein Fahrzeugsegment, das Renault mit dem Espace in Europa erst populär gemacht hat.
Die Marke mit dem Rhombus am Kühlergrill ist mit 21,5% Marktanteil übrigens die Nummer eins ins Frankreich, gefolgt von Peugeot (17%) und Citroën (13,4%). Damit teilen sich die einheimischen Hersteller die Hälfte des Marktes untereinander auf.
Deutsche Autos beliebter als Italiener
Auch Kompaktklasseautos und Kleinwagen spielen in Frankreich eine wesentlich größere Rolle als in Deutschland. Nur selten gelingt es den Franzosen, diesen Trend zu exportieren – wie zum Beispiel bei der ersten Generation des Renault Twingo. Auf deutschen Straßen rollten im Jahr 2007 noch mehr als 460.000 Twingos.
Insgesamt aber sind die Franzosen in Deutschland deutlich schwächer als die Deutschen in Frankreich. "Nur 10% aller in Deutschland verkauften Neuwagen kommen von französischen Herstellern - aber 25,8% der in Frankreich verkauften Neuwagen sind deutsche Marken", hat Dudenhöffer gezählt.
Nummer eins bei den deutschen Marken in Frankreich 2007 war Volkswagen (142.603 Zulassungen und 6,9% Marktanteil), gefolgt von Ford (5%), Opel (4,8%), Mercedes (3,4%) und BMW (3,2%). Erfolgreichster Japaner in Frankreich ist Toyota mit 5% Marktanteil. Die Italiener dagegen bekommen trotz ihres breiten Kleinwagen-Angebotes kein Bein auf französischen Boden: Der Fiat-Konzern erreichte 2007 gerade mal einen Marktanteil von 3,5%, Alfa Romeo und Lancia inbegriffen.
Eine enorme Rolle spielt auf dem französischen Markt der Dieselmotor. Der Dieselanteil ist mit knapp 80% viel höher als in Deutschland (46%). Citroën-Sprecher Thomas Albrecht beobachtet für Frankreich zudem eine Zunahme der gewerblichen Verkäufe – um 6,5% im Jahr 2007. "Davon profitiert unter anderem der neue C5, der aus dem Stand zum Marktführer der Mittelklasse in Frankreich wurde. Allerdings sind viele französische Geschäftswagen eine Nummer kleiner als die Pendants in Deutschland", weiß Albrecht.
Umweltschutz übers Portemonnaie
Gleichwohl haben deutsche Autos in Frankreich einen guten Namen. Nicht umsonst spielte Citroën in einem britischen Fernsehspot für den C5 („Unmissverständlich deutsch“) mit vielen Klischees. Auch die berühmte Renault-Werbung, in der Weißwurst und Baguette im Crash-Test gegeneinander antraten, zeigte die Lust der Franzosen am Vergleich mit ihren Nachbarn.
Weitgehend positiv reagieren die französischen Hersteller auf die neue Zulassungssteuer in Frankreich, denn sie hat zumindest vorübergehend ihre Verkäufe mächtig angekurbelt. Bei einem CO2-Ausstoß von mehr als 160g/km zahlt man in Frankreich einen Malus, bei einem Wert unter 130g dagegen gibt es einen Bonus.
"Die Einführung eines CO2-bezogenen Bonus/Malus-Systems in der Besteuerung hat zu einer Verschiebung des Marktes und zu einem geänderten Käuferverhalten geführt", berichtet Albrecht. "Die Zahlen der verkauften Renault-Kleinwagen, die besonders gute Emissionswerte aufweisen, stieg um 23.000 Einheiten (+16 %). Die Verkäufe der großen Vans fielen hingegen um 25 %", bestätigt auchg Renault-Sprecherin Caroline Sambale den Trend zu umweltfreundlicheren Fahrzeugen.
Auch Peugeot-Sprecher Bernhard Voss beobachtet ein verändertes Käuferverhalten: "Das Segment der Fahrzeuge, die weniger als 120g CO2/km ausstoßen, betrug 33,2% im Zeitraum Januar bis September 2008, gegenüber 19,7 % im Vorjahreszeitraum." Bei Peugeot repräsentieren kleine und kompakte Fahrzeuge (Peugeot 107, 207 und 308) 60% des Produktmixes. Durch den hohen Anteil an Klein- und Kompaktwagen mit sparsamen Dieselmotoren können letztlich alle französischen Hersteller den EU-Plänen zur Reduzierung des CO2-Flottenausstoßes entspannter entgegen sehen als viele deutsche Automarken.
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