Man muss kein Autoexperte sein um zu wissen, dass "Diesel" und "USA" bislang nicht so recht zusammenpaßt. Diesel? Das ist doch das dreckige Zeugs, das es an der Tankstelle hinten in der Schmuddelecke gibt und das allenfalls die robusten Motoren der Trucks vertragen.
Doch in Zeiten steigender Kraftstoffpreise kommen auch die Amis zunehmend in Versuchung, sparsame Autos zu fahren. Von langer Hand hat DaimlerChrysler nun seinen Dieselstart, Version 2.0, vorbereitet. Mit einem Bauernfängertrick will man die leidige Dieseldiskussion vermeiden: Die neuen Modelle mit Selbstzünder unterschlagen einfach die Bezeichnung CDI. Die ebenso blumige wie diffuse Bezeichnung "BlueTec" soll die Erinnerungen an laut nagelnde Selbstzünder der Pick-Up-Klasse mit einem Handstreich vom Stammtisch wischen.
DaimlerChrysler ist stolz auf seine neueste Dieseltechnik. "Unsere BlueTec-Aggregate sind ein Meilenstein in der Motorentechnologie", sagt Mercedes-Benz Vorstand Thomas Weber: "Wir präsentieren hier wirklich eine Weltsensation." Der zurückhaltende Schwabe macht aus den hohen Erwartungen keinen Hehl und setzt auf die Gunst der Stunde. In Zeiten, da eine Gallone (ca. 3,7 Liter) nicht mehr 1,20, sondern über drei US-Dollar kostet, sollte man hocheffiziente Selbstzünder doch an den Mann bringen können.
Der viel gerühmte V6-Diesel mit drei Litern Hubraum soll es richten. Im E 320 wurde er zum Flüsterdiesel, deutlich leiser säuselnd als die auch schon prächtige CDI-Version. "Durch innermotorische Maßnahmen haben wir das Geräuschniveau noch einmal deutlich gesenkt", sagt Mercedes-Baureihensprecher Frank Bracke.
Der Dreiliter großer Bluetec-Diesel leistet 210 PS, 526 Nm Drehmoment und schlägt mit einem Durchschnittsverbrauch von 6,7 Litern Diesel auf 100 Kilometern die benzinbetriebene Konkurrenz um Längen. Seine maximale Reichweite: 1.200 Kilometer.
Die Technik selbst ist schon eine ganze Zeit verfügbar - doch was man brauchte, war ein offizieller "D"- wie Diesel-Day. Weil der schwefelarme Dieselkraftstoff in den USA nun zum 15. Oktober offiziell eingeführt wird, hat auch der E 320 Bluetec dann seinen öffentlichkeitswirksamen Marktstart.
Sauber, stark und Leise
Fährt sich ein E 320 Bluetec nun anders als ein E 320 CDI aus europäischer Produktion? Abgesehen vom deutlich dezenteren Dieselsäuseln ist alles beim alten. Im Innenraum ist der Diesel - außer am kraftvollen Antritt - gar nicht zu erkennen. Und auch von außen ist die Kapselung vorbildlich.
Dass die Bluetec-E-Klasse Dank Partikelfilter, sowie Oxidations- und SCR-Katalysator zurzeit der sauberste Diesel der Welt ist, dürfte die meisten Kunden in den USA kaum interessieren. Wichtiger ist: Nach jahrelangem hin und her starten Mitte Oktober in den USA 76.500 Tankstellen mit dem Verkauf von schwefelarmem Diesel - die Voraussetzung für die Bluetec-Technik. Dank der großen Reichweite haben Mercedes-Fahrer dann die entsprechende Flächendeckung. "Es spielt keine Rolle, ob dem schwefelarmen Dieselkraftstoff anteilig Biokraftstoff zugeführt wird", sagt Weber.
Doch der 51.550 US-Dollar teure E 320 ist nur der Anfang blauer Zeiten. In den nächsten Jahren sollen zehn weitere Baureihen aus dem Hause Mercedes-Benz, Jeep und Chrysler folgen. Mit R-, GL- und ML-Klasse sind die nächsten Versionen bereits in der Pipeline. Im Gegensatz zur E-Klasse dürften sie jedoch vom Start weg eine Harnstoff-Einspritzung bekommen.
Mercedes nennt das ganze "Adblue" und lässt damit den etwas negativ besetzten Begriff Ammoniak weitgehend unerwähnt. Weber: "Auch ohne die Harnstoff-Einspritzung schaffen wir beim E 320 die strenge Schadstoffnorm BIN-8, die in 45 Staaten gilt."
Ab 2008 geht Mercedes dann in die vollen und will Dank Adblue-Zusatz auch die besonders strengen BIN-5-Grenzen unterbieten. Derzeit hat man noch damit zu kämpfen, dass der E 320 BlueTec in wichtigen Staaten wie Kalifornien, New York oder Massachusetts nicht angeboten werden darf: Ohne BIN-5 keine Zulassung und kein Verkauf.
Die Zukunft ist Blue
BlueTec soll alles andere als eine Eintagsfliege sein. Oder ein netter Marketinggag. 2008 kommt die Harnstofftechnik auch nach Europa. Mittelfristig werden die gewöhnlichen CDI-Aggregate aus dem Modellprogramm verschwinden. Als nächstes ist die wichtige Zweiliter-Klasse im Gespräch, die zu BlueTec werden soll.
Ginge es nach Mercedes, könnte die Saubermann-Technik zukünftig auch zusammen mit anderen Herstellern verbreitet werden. Zunächst ziehen die DaimlerChrysler-Hausmarken Jeep und Chrysler nach. "Jedoch werden auch Partnerschaften und Kooperationen mit anderen Herstellern nicht ausgeschlossen", versichert Weber: "Wir wollen die Technik nicht für uns behalten." Erste positive Signale gibt es bereits von Marken wie Honda, Audi, Nissan oder Volkswagen. Die wollen ebenfalls auf Harnstoff-Additive setzen.
Thomas Weber: "Verbrennungsmotoren haben nach wie vor ein riesiges Potenzial. Doch weitere Ziele sind ein Dieselhybrid und letztlich eine Brennstoffzelle."
Experten erwarten denn auch einen weltweit verstärkten Diesel-Trend. Die aktuelle J.D.-Power-Studie "Global Outlook For Diesel" prognostiziert, dass der weltweite Diesel-Marktanteil von heute 18 auf rund 30 Prozent im Jahr 2015 steigen wird: In Nordamerika wird für Diesel- Neuzulassungen ein Anteil von über 15 Prozent erwartet.
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