Plötzlich bricht die Hölle los. Eine gewaltige Explosion zerfetzt die Nacht. Unser Konvoi ist in einen Hinterhalt geraten! "Down, down, down!" brüllt der Fahrer – bloß den Kopf runter. Ich kauere mich auf der Rückbank zusammen und hoffe, dass der Chauffeur sein Geld wert ist. Er legt den Rückwärtsgang ein, und der ganze Konvoi prescht mit Vollgas zurück. Doch dann verlieren die Fahrer die Koordination. Wo sind unsere Begleitschutzfahrzeuge? Ich sehe gerade noch, wie plötzlich aus der Dunkelheit ein Auto ohne Scheinwerfer auf uns zurast und einen Raketenwerfer abfeuert. Der Wagen wird in gleißendes Licht getaucht.
Jetzt bin ich wohl tot.
Es ist nur eine Übung – natürlich und gottseidank. Aber für einen Beobachter wirkt dieses Szenario im BMW High Security Training so realistisch, dass man sich einen echten Anschlag nun wirklich lieber nicht vorstellen möchte. Und obwohl alle Teilnehmer wissen, dass es sich nur um Übungsgranaten und Feuerwerk handelt, steht jedem noch der Schweiß auf der Stirn. Viele von ihnen fahren Politiker, Manager großer Konzerne oder Botschafter.
"Manche setzen sich einfach nur ins Auto und fahren los. Aber sorgfältige Vorbereitung ist in diesem Job das A und O", sagt Trainingsleiter Michael Caspers. Er war 25 Jahre lang bei der Polizei, unter anderem auch beim SEK.
Ramm-Attacke bei Nacht
Pro Jahr schult BMW rund 500 VIP-Fahrer aus der ganzen Welt für einen Job, bei dem im Bruchteil einer Sekunde aus der täglichen Routine eine lebensgefährliche Situation werden kann. Wie schnell die Security-Leute dann völlig hilflos sein können, kann man beim "Anlegen" sehen: Michael Caspers fährt in einem 5er BMW mit 80 Sachen hinter einem goldenen 7er her. Der Abstand wird immer geringer. Jetzt müsste er langsam bremsen, denke ich und ziehe den Beifahrergurt fest.
Doch weit gefehlt: Caspers gibt Gas und schiebt den 5er sanft gegen das linke Heck der goldenen Limousine. Plastik splittert, Metall knirscht. Der andere Fahrer versucht gegenzulenken, doch Caspers gibt Vollgas und schiebt den 7er einfach weg. Der schwere Wagen schleudert hilflos um die eigene Achse, und beide Autos prallen aneinander.
Jetzt hätte ein Schütze im Rammfahrzeug leichtes Spiel.
Noch beeindruckender ist diese Verfolgungsjagd bei Nacht: Michael Caspers schaltet die Scheinwerfer aus und wartet, bis einer der Trainingsteilnehmer vorbeifährt. Dann klemmt er sich hinter ihn. Wenn der Vordermann nicht zufällig auf die Bremse tritt und sein Bremslicht den Wagen hinter ihm anleuchtet, hat er keine Chance, ihn kommen zu sehen. Reagiert er nicht blitzschnell, schiebt Caspers die schwere Limousine von der Strecke.
Mit 120 an die Leitplanke
Eine andere Übung ist das Ausweichen bei vollem Tempo: Mit 120 Sachen müssen sich die Fahrer zwischen einem Auto, das die Straße blockiert, und der Leitplanke vorbeischieben. Aus 100 Metern Entfernung sieht die Lücke viel zu eng aus. Erst beim Näherkommen sieht man, dass es gerade so reichen könnte.
Der Wagen schlittert knirschend an der Leitplanke vorbei. Beide Türen sind reif für den Lackierer. Aber im Ernstfall wäre der Fahrgast in Sicherheit.
"Man muss immer in Bewegung bleiben. Wer steht, bietet ein optimales Ziel", erklärt Caspers.
Manchmal müssen er und seine Kollegen den Fahrern ganz banale Dinge einhämmern. Zum Beispiel, dass man sich nie einparken lässt, um stets fluchtbereit zu sein. Oder dass man als Begleitfahrzeug immer versetzt fährt, um die Sicht auf das VIP-Auto zu versperren. Dazu gibt es Übungen mit drei Autos, bei denen der Trainer im letzten Auto versucht, sich an das VIP-Auto heranzupirschen.
VIP-Chauffeure in Moskau
Der Umgangston im Training ist nicht so leger wie bei normalen Fahrertrainings: "Hier wird Tacheles geredet", sagt Michael Caspers, während er zusieht, wie ein Fahrer auf nasser Fahrbahn einen kniffligen Pylonenkurs umrundet. Caspers greift zum Funkgerät: "Du weißt schon, dass da ein Gaspedal unten rechts ist? Ich kann ja neben dir laufen!" mosert er per Funk den Mann im Wagen an.
Die Fahrer selbst dürfen über ihren Job nicht viel sagen. Mahmoud zum Beispiel erzählt, dass er einen Diplomaten im gepanzerten Wagen chauffiert. Vladimir und Alexandr fahren VIPs in Moskau - zum Beispiel Manager und Wirtschaftsbosse.
Wenn die beiden Sicherheitsleute grimmig dreinschauen, verdunkelt sich der Himmel und die Vögel gehen zu Fuß. Und sie können verflixt gut Autofahren. "Unser Job ist stressig: VIPs haben es immer eilig, die Straßen sind immer voll – da kann man nicht alle Regeln beachten", geben Vladimir und Alexandr zu.
Vor einiger Zeit durfte man sich in Moskau gegen eine entsprechende Summe sogar ein Blaulicht aufs Dach setzen. Aber heute bleibe das aber den Behörden vorbehalten, bedauern die beiden Russen.
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