McLaren schwimmt auf einer Erfolgswelle. Im Gegensatz zum mäßig erfolgreichen Formel-1-Team sind die Straßen-Sportwagen sehr gefragt. In den vergangenen fünf Jahren haben die Briten mehr als 10.000 Autos verkauft. Jetzt kommt die nächste Attacke aus Woking auf das Super Sportwagen Establishment.
Der McLaren 720S (P14) ist der Nachfolger des 650S und markiert den Auftakt einer massiven Produktoffensive: In den nächsten fünf Jahren sollen 15 neue Modelle beziehungsweise Derivate (wie zum Beispiel Spider) auf den Markt kommen. Die Hälfte diese Fahrzeuge wird elektrifiziert sein, neben den Plug-in-Hybriden wird es auch ein Ultimate-Series-Auto geben, das rein elektrisch angetrieben wird. Allerdings wird dieses Modell eher am Ende der "Track 22" genannten Geschäfts-Strategie sein Debüt feiern.
Der 720S ist das erste Modell der zweiten Generation der Super Series-Baureihe und wird einen Abstand zum McLaren 570 und sogar dem 675 LT herstellen. "Die Super Series-Modelle sind der Kern des McLaren-Geschätsmodells", sagt Mike Flewitt, Chef der britischen Sportwage-Schmiede.
Auf den ersten Blick fällt sofort die elegante Form des 4,54 Meter langen Super-Sportwagens auf, die nicht durch Beplankung verschandelt wird. Der wichtigste Kniff hinter dieser Ästhetik sind sogenannte "Air Ducts", also Kanäle, die die Luft in geordnete Bahnen lenken, und so rund 30 Prozent mehr Abtrieb generieren als beim 650S und dabei den Luftwiderstand deutlich reduzieren.
Das geht schon bei der Front mit den LED-Scheinwerfern los, die an die Maske des Degen-Helden "Zorro" erinnert. Seitlich in den "Augenhöhlen" befinden sich die Eingänge zu Luftkanälen. Die Luft wird durch die Radläufe geführt und an den Türen entlang bis zum Heck. Bisweilen besteht die Karosserie scheinbar aus zwei Schichten. "Die Form zeigt die Funktion" sagt McLaren-Chefdesigner Robert Melville.
Ganz ohne Technik geht es aber auch beim 720S nicht: Der aktive Heckspoiler verstellt sich je nach Fahrsituation in drei Stufen. Das Ergebnis sollen viel Grip, hohe Kurvengeschwindigkeiten und zudem eine beeindruckende Agilität sein.
Die Kraft der 720 PS und das maximale Drehmoment von 770 Newtonmetern kommen - wie beim Vorgänger auch - vom doppelt aufgeladenen V8-Triebwerk mit dem internen Code M840T. Der Motorblock ist weitgehend identisch mit dem Triebwerk im 650S, aber rund vierzig Prozent der Teile sind neu.
Beim Probesitzen fällt auch sofort die verbesserte Ergonomie des Cockpits auf
In Kombination mit dem Carbon-Chassis (Monocage II), das in Kombination mit der Leichtbau-Karosserie in einem Gewicht von 1.283 Kilogramm resultiert (18 Kilogramm weniger als das 650 S Coupé) sorgt das für in Super Sportwagen typische Fahrleistungen: Nach 2,9 Sekunden erreicht der 720S Landstraßen-Tempo, nach aberwitzig kurzen 7,8 Sekunden sind es bereits 200 km/h und nach 21,4 Sekunden die magischen 300 km/h geknackt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 341 km/h.
Im Schnitt gönnt sich der McLaren 720S 10,7 l/100 km. Da müssen sich die Ferraris und die Lamborghinis warm anziehen. Zumal sich die McLaren-Renner bisher immer durch eine extreme Agilität, eine präzise Lenkung und vor allem sehr gut dosierbare Bremsen auszeichnen. Diese fahrdynamische Rezeptur ist auch beim 720S zu erwarten.
Der soll vor allem in Übersee für Umsätze sorgen. Deswegen wurde das Cockpit der 2,06 Meter breiten und 1,20 Meter langen Flunder komplett neu entworfen. Das geht mit den Flügeltüren los, die weiter in das Fahrzeugdach hineinragen und beim Aufschwingen 16 Zentimeter weniger Platz verbrauchen, als bisher. Die neue Konstruktion macht das Einsteigen deutlich einfacher als bislang - auch ohne Turnübung. Beim Probesitzen fällt auch sofort die verbesserte Ergonomie des Cockpits auf. Selbst groß gewachsene Zeitgenossen haben in den bequemen Sportsitzen Platz, um den Kopf herum bleibt es luftig und eine perfekte Sitzposition ist schnell gefunden.
Das Interieur ist, wie es sich für einen Sportwagen gehört, auf das Wesentliche reduziert. Ein witziges Gimmick ist, dass der Instrumenten-Bildschirm sich im Renn-Fahrprogramm um 90 Grad nach vorne dreht und auf einer schmalen Leiste nur noch die wesentlichen Informationen anzeigt, damit der Blick auf das Asphaltband frei bleibt.
Ganz billig ist das Vergnügen nicht, einen 720S zu fahren, der ab Mai zu haben sein wird: Der neueste McLaren kostet 247.350 Euro. Zu viel auch für McLaren-Boss Mike Flewitt: Der fährt mit einem Ford Focus RS zur Arbeit.
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