Das Seat Designcenter in der Nähe von Barcelona ist gerade mal ein Jahr alt und gehört zu den modernsten weltweit. In der ersten Etage brüten die klugen Köpfe über dem Außendesign zukünftiger Modelle, im Erdgeschoss entstehen zeitgleich die Interieurs – Sitze, Teppiche, Konsolen und Armaturenbretter.
Ob ein Auto als wertig oder gar hochwertig wahrgenommen wird, entscheiden insbesondere Haptik und Anmutung es Innenraums. Rasten Knöpfe satt und solide ein? Sind Oberflächen sanft und dabei doch nicht schwammig? Sieht die Struktur aus wie in der teuren Premiumklasse? Das hört sich alles nach einer Quadratur des Designkreises an. Zudem: Vieles ist nur schwer messbar und schließlich entscheidet unterm Strich der Kunde – rein subjektiv.
Der Narbung von Oberflächen - besonders der großen Fläche der Armaturentafel - kommt dabei eine besonders große Bedeutung zu. Dort schauen Fahrer und Passagiere besonders intensiv und immer wieder hin.
Auf der Suche nach einer schmucken neuen Narbung kam den Designern von Seat eine besonders abgefahrene Idee: Sie projizierten den feingliedrigen Stadtplan von Barcelona auf eine Fläche und ließen hieraus eine dreidimensionale Kunststofffolie entwerfen. Sie schmückt nun seit einigen Monaten die neueste Version des Seat Ibiza.
Netter Gag
Trotzdem kann man sich das optionale TomTom—Navigationssystem auf der Mitte der Armaturentafel nicht sparen - selbst dann nicht, wenn man in Barcelona unterwegs ist. Denn selbst wann man die Oberfläche des Armaturenbrettes ganz genau anschaut oder gar millimeterweise mit den Fingern abtastet: Auf der Suche nach Lokalitäten wie der Via Laietana, der Ronda sant Pau oder der Placa Sant Josep Oriol hilft das hintergründige Armaturenbrett kaum mit Tipps zur Routenführung.
"Natürlich ist das ein netter Gag - aber unsere Designer beschäftigen sich sonst natürlich mit deutlich wichtigeren Aufgaben", sagt Chris Axe, verantwortlich für das Exterieur der Seat-Modelle. "Ein Designer muss das ganze Auto lieben. Sonst gibt es unter dem Strich keine gute Arbeit."
Eine Arbeit, die beim Einstiegsmodell Ibiza dem rund 80köpfigen Team unter Leitung von Luc Donkerwolke jede Menge Spaß gemacht zu haben scheint. Schließlich gelang es, die Linienführung der Genf-Studie "Bocanegra" nahezu komplett in die Serie zu retten. Wenn im nächsten Jahr die Sportversion des Ibiza Cupra auf den Markt kommt, wird der "Bocanegra" dann völlig Realität.
Weißes Blatt Papier
Händeringend wartet Seat auf ein kleines, preiswertes Einstiegsmodell nach dem Vorbild des alten Lupo-Zwillings Arosa. Doch zunächst soll Konzernmutter Volkswagen mit der kleinen "Up"-Familie Vorrang haben. Erst ab Ende 2010 dürfte es dann einen neuen Einstiegs-Seat geben.
Derweil arbeitet man im Seat Design Center in Martorell nicht allein an Ideen für Seat-Fahrzeuge. "Natürlich gibt es immer wieder Arbeiten, die wir im Rahmen von Ideenwettbewerben auch für die anderen Marken in unserer Gruppe durchführen", erläutert Designer Jorge Diaz Perez. "Dabei kann es um kleine Komponenten, aber auch um ganze Baugruppen gehen."
Am heißesten ist der Kampf jedoch bei der eigenen Marke. "Wir fangen immer mit einem weißen Blatt Papier an", sagt Chris Axe. "Erst dann geht es an die Computer und später im Rahmen von internen Ausschreibungen dann an die Clay-Modelle." Beim Ibiza-Modell hatte man sich zunächst auf acht Visionen geeinigt, die sich dann auf fünf und später drei Modelle reduzierten, die letztlich in Ton geformt wurden. Der besonders dynamische Entwurf mit einer Abkehr von den bekannten konvexen und konkaven Formen der bisherigen Modelle machte schließlich das Rennen.
Vorbei mit Einerlei-Design
"Wenn man den neuen Ibiza sieht und ihm nähert kommt, dann erwacht er Schritt für Schritt zum Leben", erzählt Jorge Diaz Perez während er die gegenläufigen Seitenlinien mit dem Fingern nachzeichnet.
Das Design des neuen Einsteigers wollen die Spanier sukzessive in alle neuen Modelle bringen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die zukünftigen Fahrzeuge untereinander deutlicher unterscheiden als Altea, Leon, Toledo vom ehemaligen Ibiza. Doch die Aussicht auf den alten Audi A4, der mit aufgefrischtem Design und als Exeo im kommenden Jahr zunächst als Limousine und später auch als Kombi auf den Markt kommen wird, lässt nicht nur Seat-Fans hoffen. Die Zeit des Einerlei–Designs scheint bei Seat vorbei zu sein.
Endlich stimmen auch die spanischen Innenräume. Und welcher Hersteller kann schon von sich behaupten, einen Stadtplan auf dem Armaturenbrett zu haben? Wenn die Elektronik einmal ausfällt und der Beifahrer nach einer Party an der Rambla schläft – vielleicht hilft der abstrakte Plan zur groben Orientierung dann doch.
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