Japan tickt schnell. Schneller als Europa und Japans Metropolen - so scheint es – probieren die Zukunft heute schon aus. Wer in der ehrgeizigen Gesellschaft mithalten will, muss Spitzentempo bringen. „Immer auf der Überholspur bleiben“, lautet das Motto, auf das man schon die Jüngsten polt. Beim Kampf um die Pole-Position fängt der Karriere-Stress bereits im Kinderzimmer an. Kein Wunder, dass sich der gehetzte Mensch in der atemlosen Hightech-Welt nach Ruheinseln sehnt. Nach Entspannung und gelegentlichem Innehalten, nach "Slow-Motion" und Geborgenheit.
Trendforscher spüren die diffusen Sehnsüchte der Gesellschaft auf. Designer bringen sie in eine materielle Form. Nissans Auto-Schneider haben das Bedürfnis nach Entschleunigung auf ihre Art umgesetzt und Ende der 1990er Jahre den Cube präsentiert. Cube, der "Würfel", ist ein kantiges Auto, das es gar nicht erst darauf anlegt, mit beeindruckenden Sprints zu punkten. Cube ist vielmehr ein Auto, das sich dem gängigen Aerodynamik-Diktat konsequent widersetzt. Knapp vier Meter lang und in etwa ebenso hoch wie breit präsentierte sich Japan-Würfel bereits in der ersten Generation. Mit seiner fast senkrechten Windschutzscheibe bietet er gewissermaßen dem stromlinienförmig angepassten Mainstream trotzig die Stirn. Mit dem ungewöhnlichen Design traf Nissan ins Schwarze. Vor allem der Kundschaft in den Metropolen gefällt das automobile Bekenntnis zum Anderssein. Rund 900.000 mal hat sich die kantige Kiste bisher verkauft. "In Japan genießt der Cube Kultstatus wie hierzulande der Mini", sagt Thomas Ebeling, Nissans Kleinwagen-Marketingchef in Europa.
Mini-Lounge für stressgeplagte Großsdtädter
Inzwischen ist mit zeitgemäßen Retuschen die dritte Cube-Generation am Start. Mit einem Aufmaß von knapp 1,70 Meter, serienmäßigen Panoramadach und gemütlich gefederten Sitzen will der neue Nippon-Würfel für ein Wohlfühl-Ambiente sorgen. Mehr noch. Nissans Marketing-Strategen preisen das mobile City-Loft als entspannende Mini-Lounge, die ihre seine Insassen selbst in der Rushhour den Widrigkeiten des hektischen Alltags enthebt.
Das Heck des putzigen Kastenwagens präsentiert sich mit großer Klappe, die sich wie eine Kühlschranktür öffnen lässt. Ungewöhnlich ist auch die asymmetrische Heckpartie, die sich durch das an einer Seite weit um die Ecke gezogene Rückfenster ergibt. Jetzt laufen im Rechtslenker-Land Japan auch spiegelverkehrte Cube-Versionen von den Montagebändern. Denn Nissan will seine coole Kiste demnächst auch auf Europas Straßen platzieren. Ob auch Europa auf den Entschleunigungs-Würfel gewartet hat, wird sich zeigen. Mit einem Basispreis von 18.000 Euro ist das automobile Designer-Stück nicht gerade ein Schnäppchen. Und wer sich in Sachen Kultstatus mit einem Mini messen will, müsste im Innenraum eigentlich mit standesgemäßerer Haptik punkten. Hier zeigten sich die Japaner nicht wirklich ambitioniert. Und auch in punkto Einrichtungs-Details wurde nicht gerade geklotzt. Bequeme Polster, praktische Klemmgummis in den Türen und eine weiche Teppichmatte auf der Armaturentafel, die Handy und ipod einen kuscheligen - aber wenig bremssicheren - Platz bietet. Für "Lounge-Atmosphäre" reicht das sicher nicht.
Der Cube will auffallen
2000 Cube-Einheiten will Nissan im ersten Jahr an die Kundschaft in Deutschland bringen. Hochgegriffen ist das sicher nicht. Doch selbst wenn aus Cube hierzulande kein Bestseller wird, steht zumindest fest, mit seinem ungewöhnlichen Design hebt sich der Wagen von der automobilen Masse ab. "Cube wir auffallen. Cube wird polarisieren", ist sich Nissan-Designer John Sahs sicher. Und das, findet der Japaner, sei auch gut so. Denn in jedem Fall bringe das Würfel-Auto Farbe ins Nissan-Portfolio und das werte das Image der Marke auf, wovon letztlich die gesamte Modellpalette profitiere.
Eine echte Alleinstellung auf dem deutschen Markt hat Nissans Zauberwürfel indes nicht. Mit dem Daihatsu Materia und dem Kia Soul buhlen bereits zwei kantige Kisten mit eigenwilligem Charakter um die Kundschaft. Das Seelchen aus Korea verkaufte sich im vergangenen Jahr zwar bei weitem nicht so gut wie die kleinen Cityhüpfer der Marke, die dank Abwrackprämie enorm ins Rollen kamen. Aber immerhin 2800 mal. Dabei kommt der Soul sowohl bei einer jungen Käuferschicht als auch bei autofahrenden Senioren gut an, weiß Kia-Sprecherin Silke Rosskothen. "Die einen finden ihn witzig, die anderen schätzen ihn vor allem wegen der bequemen Ein- und Aussteigeposition, die sich durch die extra hohen Türen ergibt." Dass der kantige Koreaner die deutsche Kundschaft auch emotional bewegt, steht zumindest für die Kia-Sprecherin fest. "Soul-Fahrer winken sich zu", sagt Silke Rosskothen und eine Soul-Community im Internet hat sich auch schon formiert.
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