Seit Jahren gibt in den Vereinigten Staaten ein gewaltiges Preisdumping den Ton an. Mittelklasse, SUV, Vans oder Luxuslimousinen – dem Druck müssen sich nahezu alle Marken stellen. Einzig hochpreisige Spartenmodelle von Herstellern wie Ferrari oder AMG-Mercedes kommen in den USA wenigstens noch mit einem blauen Auge davon. Doch selbst Nobelmarken wie Audi, BMW oder Porsche können zwischen San Francisco und New York nicht die Preise realisieren, die sie gerne hätten.
Dazu kommt: Ohne eine eigene Produktionsstätte in den Staaten ist die Lage noch schwieriger. So haben Marken wie Toyota, BMW oder Mercedes sich in den vergangenen Jahren mit dem Bau von Automobilfabriken dort ein wichtiges Standbein schaffen können, von dem sie in den USA, aber auch auf anderen Märkten profitieren.
Toyota wird mit Pick Ups wie Tacoma, Tundra oder dem Mittelklasse-Bestseller Camry mit einem Produktionsstandort im Bundesstaat Kentucky längst als einheimische Marke mit uramerikanischen Werten akzeptiert. Nicht anders sieht es bei BMW (Spartanburg/South Carolina) und Mercedes-Benz (Tuscaloosa/Alabama) aus. Beide Hersteller sammeln Punkte als Premiummarke mit deutschem High-Tech-Hintergrund, die einen Teil Ihrer Topmodelle – gerade aus dem beliebten SUV-Bereich - in den USA produzieren.
Günstige Produktion
Angenehmer Nebeneffekt: Die Produktion ist in den USA deutlich günstiger als in Deutschland. Zudem befinden sich die Fahrzeuge schon dort, wo sie in erster Linie verkauft werden sollen. Und schwierige Kursschwankungen werden auch noch abgemildert.
"Die Modelle der ML-, GL- und R-Klasse aus Tuscaloosa spielen in unserem Portfolio eine überaus wichtige Rolle", sagt Daimler-Vorstand Dr. Dieter Zetsche und lobt die Mitarbeiter in Alabama: "So einen Spirit wie hier habe ich bisher in keinem anderem Werk gesehen."
Die amerikanischen Team-Mitglieder, wie sie bei Mercedes-Benz heißen, gelten als arbeitswillig und überaus belastbar. Im Werk Tuscaloosa wurden innerhalb von nur 13 Monaten drei neue Modelle auf die Linie geschoben. Schon heute steht deshalb für Zetsche fest: "Auch die dritte Generation der M-Klasse wird hier in Tuscaloosa vom Band laufen." Weitere Investitionen langfristig nicht ausgeschlossen.
In München sehen die Überlegungen nicht anders aus. Neben BMW Z4, X3 und X5 wird ab nächstem Jahr auch der Sport-Crossover X6 aus Spartanburg, USA kommen - ein Fahrzeug, das eben insbesondere auch für den US-Markt entwickelt wurde.
Audi und VW schwächeln
Wie schwierig es ohne eine Produktion in den USA laufen kann, zeigen die Beispiele Audi und Volkswagen. Beide müssen Modelle wie Q7, A6, A8, Golf, Jetta und Touareg vergleichsweise teuer importieren und haben zudem mit einem wenig standesgemäßen Händlernetz zu kämpfen.
So stark sich Volkswagen in Europa präsentiert, so wenig ertragreich ist das Geschäft auf dem größten Automobilmarkt der Welt. Seit dem Jahre 2003 schwimmen die Niedersachsen in den roten Zahlen - im vergangenen Jahr allein gab es ein Minus von rund 600 Millionen Euro.
Die neue Golf- und Jetta-Generation sowie der Mittelklasse-SUV Tiguan könnten ab 2009 für eine Wende zum Guten sorgen. Zudem scheinen sich die Gerüchte zu erhärten, dass VW nach rund 20jähriger Pause bald wieder Modelle in den USA produzieren wird. VW-Chef Winterkorn macht ebenso wie das Vorgängerdoppel Pichetsrieder/Bernhard keinen Hehl daraus, dass Volkswagen mehr spezifische Fahrzeuge für den US-Markt produzieren muss.
Gute Erfahrungen im Süden
Wenn sich VW in den USA nach Vorbild von Mercedes oder BMW wieder für ein eigenes Werk entscheidet, könnte dort ein neuer Van, eine Stufenhecklimousine oder ein SUV entstehen. Sollten sich zudem in den nächsten Jahren kleinere Modelle und Dieselfahrzeuge in Amerika durchsetzen, dürften diese allerdings nach wie vor aus Europa kommen.
Wo genau eine solche US-Produktionsstätte liegen könnte, ist nicht entschieden. Das letzte Volkswagen-Werk wurde 1987 in Pennsylvania geschlossen. Seither kommen die NAFTA-Modelle in erster Linie aus Südamerika.
BMW und Mercedes haben in den Südstaaten der USA gute Erfahrungen gemacht. Mercedes produziert seit exakt zehn Jahren in der Nähe von Tuscaloosa seine SUV-Modelle der M-Klasse, gemeinsam mit ihren Brüdern der GL- und R-Baureihe. BMW kam mit dem X5 nur wenig später in den Süden.
Amerika soll dieseln
Seinerzeit war Tuscaloosa das erste Mercedes-Werk für Pkw außerhalb Deutschlands. Um der immensen Nachfrage Herr zu werden, investierte Mercedes-Benz seither zusätzlich zu den ursprünglich geplanten 300 Millionen US-Dollar weitere 100 Millionen, um die Kapazität jährlich auf über 80.000 Fahrzeuge auszubauen.
Mittlerweile beläuft sich die Investitionssumme auf über eine Milliarde US-Dollar und das maximale Produktionsvolumen liegt bei rund 170.000 Fahrzeugen. "In diesem November werden wir auf eine Million Fahrzeuge kommen", sagt Dieter Zetsche.
Auch die neuen Mercedes-Diesel, die hier ebenso wie von Volkswagen und Audi unter dem Label Bluetec verkauft werden, kommen dann aus Alabama. Automobilanalysten gehen mittelfristig von einem US-Dieselanteil von 15 bis 20 Prozent aus. Ohne eine eigene Produktion dürften es Marken wie Audi und Volkswagen jedoch auch mit Rückenwind aus dem Diesel- und Kleinwagenbereich schwer haben.
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