Es ist schon komisch. Ein Däne verkauft in den USA ausschließlich deutsche Autos und donnert zusammen mit einem Mittelfranken mit bis zu 220 Kilometer pro Stunde durch die Baja-Wüste in Mexiko. "Die Baja 1000 zählt zu den gefährlichsten Rallyes der Welt", schwärmt Rennfahrer Martin Christensen.
Schon die siebenstündige Fahrt vom All German Auto-Werksgelände im kalifornischen Escondido in das 425 Kilometer entfernte Testgelände nahe dem mexikanischen Örtchen San Felipe ist mehr als nur eine einfache Transportetappe. In der amerikanischen Grenzstadt Calexico offenbart ein kurzer Zwischenstopp bei einer Fast Food Kette, dass bereits hier die Uhren etwas anders ticken. Da dürfen die Burger-Gäste auch schon mal in einem ehemaligen Tresorraum der zum Fritten-Tempel umfunktionierten Bank an ihrer Kalorienbombe nagen.
Überraschender Weise gestaltet sich der Grenzübertritt nach Mexiko ähnlich unspektakulär wie der von Deutschland nach Holland. Anders herum kann es dann schon mal ein paar Stündchen in Anspruch nehmen. "Die Amis sind froh über jeden, der das Land gen Mexiko verlässt", verrät ein Grenzposten und schickt noch einen gut gemeinten Rat hinterher: "Passt auf Euch auf!"
"Wir bleiben immer zusammen, das ist sicherer", erklärt Teamchef Christensen. Und auch der deutsche Rennfahrer Armin Schwarz weiß, dass "es besser ist, an diesem Fleckchen Erde als Gruppe aufzutreten". Aber warum fährt der ganze Tross denn dann so weit, wenn er doch gleich ums Eck in der Nähe von San Diego auch testen könnte. "Hier in Mexiko brauchst Du keinen Schriftkram. Hier kannst Du einfach fahren. Und das Beste: hier freuen sich die Menschen, wenn Du mit knapp 200 an deren Hütten vorbeizimmerst. In den USA wäre das nicht möglich", ergänzt Armin Schwarz, setzt sich seinen Helm auf und klettert in den AGM-Jimco X6 SCORE Trophy Truck.
Von wegen BMW X6
Der Begriff "Truck" ist irreführend. Denn "ein Trophy Truck ist alles, was kein Buggy ist", lautet die kurze Erklärung von Schwarz. Der vom Design einem BMW X6 nachempfundene Truck von All German Motorsport verfügt über 800 PS, die er aus einem Achtzylinder-Benzinmotor generiert und nur an die Hinterachse weiterleitet. Trotz des BMW-Logos auf dem Aggregat arbeitet dort jedoch ein aus dem Nascar-Rennsport entnommener Chevrolet-Motor. "Von BMW haben wir nichts bekommen. Daher kleben wir ein leicht modifiziertes Logo auf die Motorhaube", begründet Martin Christensen sein Werkeln an der gigantischen Front des Fahrzeugs.
Die Breite von 2,36 Meter liest sich zugegebener Maßen viel Platz versprechend. Erst einmal eingestiegen schrumpft der Raum allerdings jäh um einen herum ein. Das Anlassen des 5,45 Meter langen und 600.000 US-Dollar teuren Zweitonners hat nichts mit einem typischen V8-Klang mehr gemeinsam. Es ist einfach nur brutal, unbequem und laut. "Wir haben am Auspuff einiges nachjustieren müssen, da wir uns trotz Headsets nicht mehr verstanden haben", beschwichtigt Armin Schwarz.
Die Kommunikation muss aus einem ganz einfachen Grund gewährleistet sein: Die Navigationskommandos kommen vom Co-Piloten. In Armin Schwarz Fall heißt der übelkeitsresistente und vor allem mutige Mann Bryan Lyttle. Kommandos wie "Jump" oder "Stone" können während des rund 22 Stunden dauernden Rennens lebenswichtig sein. "Wir springen bis zu 80 Meter", kommt es dem Duo fast synchron über die Lippen, gefolgt von einem infernalen Motoraufheulen und dem darauf folgenden Testbeginn.
Baumstämme und betrunkene Mexikaner
Was von außen betrachtet wie ein sanftes Schweben aussieht und durch einen stetigen Geschwindigkeitsanstieg ruhiger zu werden scheint, kommt im Inneren dem Ritt auf einem wilden Hengst gleich. Auf einer Schlagloch-Sand-Piste eine 90 Grad-Kurve driftend zu nehmen macht klar, dass neben einem festen Glauben an die Physik ein noch festerer Glaube an die Sache selbst von Nöten ist. Wer ernsthaft meint, alles Automobile erlebt zu haben, wird demütig ob dem, was er hier erlebt. Wenn der Engel auf der Schulter, der eigentlich für das Bremspedal plädieren sollte, teuflische Züge annimmt - dann ist klar: Hier passiert gerade etwas ganz Besonderes.
Nach den ersten Tests in der Wüste irgendwo im Norden von Mexiko sind nicht nur die Rennfahrer und Mechaniker zufrieden, sondern auch die mitgereisten Ingenieure und Mitarbeiter einiger Sponsoren. Die deutsche Schäffler Gruppe, die das Rennvorhaben sowohl finanziell als auch mit Material unterstützt, nutzt die Gelegenheit, um einen neuen Drehmomentwandler zu testen. "Diese hydraulische Kupplung hat sehr gut funktioniert", sagt Armin Schwarz. "Wir erhoffen uns davon eine insgesamt bessere Performance, weil das Auto wesentlich besser anspricht und man die Einstellungen genauer vornehmen kann." Doch bringt all die gute Abstimmung nichts, "wenn während des Rennens wieder ein paar besoffene Mexikaner ganze Baumstämme auf die Strecke legen."
Dass es beim Rennen auch unter den Konkurrenten ein wenig schroff zugeht, möchten beide Rennfahrer nicht verneinen. So wird ein geplantes Überholmanöver nicht per Hupe, sondern durch ein kurzes Anklopfen angekündigt. "Wir fahren dem Vordermann kurz hinten drauf, da der durch den ganzen Staub nicht sieht, was hinter ihm alles fährt", erklärt Armin. Und was passiert, wenn er keinen Platz macht? "Dann warten wir bis zur nächsten Kurve und klopfen ein wenig stärker
", grinst er und schält sich aus seinem feuerfesten Overall.
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