Im Silicon Valley gehen die Uhren auch in Sachen Auto bekanntlich etwas anders. Dort verkauft sich das elektrische Model S von Tesla prächtiger als ein BMW 7er oder der Porsche Panamera. Und selbst die Mercedes S-Klasse parkt im amerikanischen Ökostaat bisweilen im Schatten. Die Straßen werden in erster Linie zwar von US-typischen Luxus-SUV, Sportwagen und Groß-Pick-Ups bevölkert, doch Plug-In-Hybriden und selbst Elektroautos sieht man hier obligatorischer als anderswo im Straßenbild.
Im Herzen des Silicon Valley sind nicht nur alle wichtigen Autohersteller und Elektronikzulieferer mit visionären Techniklabors und Entwicklungszentren vertreten - an jeder Ecke gibt es auch Autohäuser von Toyota, Chrysler, Mercedes, Porsche, General Motors oder eben Volkswagen. Die ersten neun Monate des Jahres lief es für die Marke Volkswagen in den USA alles andere als erfolgreich - auch ohne "Dieselgate". Von Januar bis Ende September 2015 wurden in einem 17-Millionen-Markt gerade einmal 264.200 VW verkauft, 2,5 Prozent weniger als im auch schon alles andere als erfolgreichen Jahr 2014.
Die Wolfsburger Großmarke ist in den USA kein Dauerthema wie in Deutschland. Dazu sind Präsidentschaftswahlen, Kalifornien-Dürre und die zahllosen Sportereignisse zu allgegenwärtig. Wer beim VW-Händler im Großraum San Francisco nach den Dieselmodellen fragt, bekommt es mit überraschend entspannten Angestellten zu tun. "Wir verkaufen hier in erster Linie Golf E, Golf GTI und den Tiguan", sagt Verkäufer Tom Petersen (Name von der Redaktion geändert), "die Diesel sind bei uns sowieso nicht besonders begehrt. Wir haben bei den Dieselmodellen aktuell einen Verkaufsstopp und sie stehen hinten auf dem Hof."
Fragt man den amerikanischen VW-Verkäufer nach der aktuellen Kundennachfrage, blickt man auch hier keinesfalls in traurige Gesichter. "Die Verkäufe laufen gut", sagt Petersen, "wir machen hier pro Monat rund 200 Fahrzeuge und gehören damit zu den besten im Land. An einem normalen Tag können es acht, zehn oder mehr Autos sein, die wir verkaufen."
Ein schnelles VW-Diesel-Schnäppchen beim US-Händler machen, das ist aufgrund des Verkaufsstopps derzeit nicht drin. Dabei sind sogar einzelne Dieselmodelle hinten auf dem Hof mit grellen Discountpreisschildern versehen. Ein weißer VW Passat 2.0 TDI SE wird mit einem Rabatt von 7.015 Dollar beworben. Doch auf dem Armaturenbrett liegt, wie bei allen TDI-Modellen mit vier Zylindern, ein unscheinbarer Zettel, auf dem "do not sell / stop sale" steht.
In den USA wartet kein Kunden auf sein Auto oder bestellt es gar im Konfigurator
Bei den VW-Händlern in der Region Palo Alto, Sunnyvale, Mountain View, San Jose bis hinauf nach San Francisco stehen - wie bei der internationalen Konkurrenz - die Höfe voll mit Neu- und Gebrauchtwagen. In den USA wartet kein Kunden auf sein Auto oder bestellt es gar im Konfigurator. Sehen, einsteigen, Probe fahren und hart verhandeln. Am nächsten Tag parkt das Traummobil nach erfolgreicher Finanzierung oder entsprechendem Barkauf schon in der eigenen Garage.
"Natürlich ist die Dieselgeschichte bei vielen Kunden ein Thema und wir werden darauf angesprochen", sagt ein US-Verkäufer, "aber die Verkäufe gehen zumindest bei uns aktuell nicht zurück. Vielmehr freuen wir uns auf Modelle wie den neuen Tiguan, der hier erst als 2017er Modell auf den Markt kommt. Von dem kennen wir bisher nur Fotos. Der Tiguan wird gerade von sehr vielen Asiaten gekauft, die keinen großen SUV wollen."
Und in der Tat stehen auf den Höfen der meisten Händler im Silicon Valley mehrere Dutzend Tiguan, sehr viele Golf E, noch überraschend mehr Golf GTI und eine graue Heerschar von Jettas und Passats mit Benzinmotoren, die allesamt vom Dieselskandal nicht betroffen sind. Golf und Tiguan sind in der Bay Area nicht als Dieselmodelle auf dem Markt.
Bei Passat oder Jetta sah das bis Mitte September durchaus anders aus. Einige Händler verkauften die VW-Limousinen mit einem Selbstzünderanteil von bis zu 30 Prozent. Gering ist die Nachfrage nach Aussagen eines Bay-Händlers beim größeren Touareg, der sich mit seinem vom Dieselskandal nicht betroffenen Dreiliter-V6-Diesel die breiten Pneus platt steht. "Für ihn haben wir einfach kaum Nachfrage. Den wollen höchstens ein paar Europäer, die hier arbeiten."
Geht es um große SUV und Limousinen, so sind Hersteller wie Cadillac, BMW, Mercedes, Lexus oder Porsche gefragter denn je. Die amerikanischen Volkswagen-Händler haben es in den USA seit Jahren aber auch gegen die starke Volumenkonkurrenz von Honda, Kia, Hyundai, Toyota, Ford oder Chevrolet schwer. Anders als in Europa wird Volkswagen in den USA nicht als Marke wahrgenommen, die mit ihren Produkten das Tor zur Premiumliga aufgestoßen hat.
In den USA fehlen ein großer SUV, deutlich unter dem Preis des Touareg, auf dem so preissensiblen US-Markt ebenso wie ein Pick Up oder regelmäßige Auffrischungen für das gesamte Portfolio. Gerade da wollte Volkswagen mit der Modellpflege des 2016er US-Passat im September einen Neuanfang starten. Auf dessen Premiere in Brooklyn gestand der amerikanische VW-Chef Michael Horn jedoch die Diesel-Manipulationen ein - und schob den aufgefrischten Passat somit in den Hintergrund.