700 Elektrokleinwagen vom Typ Ray EV hat Kia in den vergangenen beiden Jahren an Behörden und öffentliche Einrichtungen mehr verteilt, denn ernsthaft verkauft. Der japanisch anmutende Kubusflitzer der Koreaner ist ein Probelauf für das erste elektrische Volumenmodell. Das kommt 2014 mit der zweiten Generation des Kia Soul auch nach Deutschland. Werden zum Marktstart im März Diesel- und Benziner als Antriebe verfügbar sein, so folgt im Herbst eine elektrische Version, die auf der gleichen Produktionslinie wie die Verbrenner gebaut werden soll.
Über den Preis schweigen sich die Koreaner noch aus. Fest steht, dass die Kapazität des Akkupakets von 27 kWh ausreichen soll, um Reichweiten von 200 Kilometern zu ermöglichen. Angetrieben wird der Kia Soul EV von einem Elektromotor, der eine Leistung von 81 kW/110 PS und 285 Nm leistet. Der Elektro-Crossover fährt sich deutlich flotter, als es die Fahrleistungen mit 0 auf Tempo 100 in 12 Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h auf dem Papier vermuten lassen. Sein Leergewicht von 1,5 Tonnen kann der Kia Soul EV, der in Asien, den USA und Europa angeboten werden soll, allerdings nicht überspielen. Immerhin hat der surrende Koreaner rund 200 Kilogramm mehr auf den Rippen als der Benziner.
Bis Tempo 20 ertönt eine weinerliche Melodei, die sich zum Glück deaktivieren läßt. Sonst würde jede Staufahrt Selbstmordgedanken produzieren. In Korea soll diese Dudelei jedoch zum Serienumfang gehören, um Fußgänger bei langsamer Schleichfahrt zu warnen. Die Federung des Kia Soul EV ist bei den Erprobungsträgern noch etwas hölzern. Mister U, wie sich der Testingenieur auf der Rückbank selbst nennt, sieht hier zu Recht noch Nachbesserungspotenzial. Wirklich ungelenk wirkt das elektrische Gesamtpaket aus Korea allerdings nicht. Und wenn die 285 Nm vom Start weg an der Vorderachse zerren, kommen fast sportliche Gefühle auf.
Das Akkupaket in Lithium-Polymer-Bauweise befindet sich 282 Kilogramm schwer im Unterboden
Optisch ist der Kia Soul EV kaum von seinen 4,14 Meter langen Standard-Brüdern mit Diesel- oder Benzinmotor zu unterscheiden. Wer genau hinschaut, sieht eine leicht geänderte Nase, weil hinter dem normalen Kühlergrill beim Elektromodell leicht vergrößert die Anschlüsse zum Aufladen untergebracht sind. "Das normale Aufladen geschieht in viereinhalb bis fünf Stunden", erläutert Kias Batterieexperte Jinho Park, "mit einer 100-KW-Schnellladung ist der Akku in 25 Minuten zu 80 Prozent gefüllt."
Das Akkupaket in Lithium-Polymer-Bauweise befindet sich 282 Kilogramm schwer im Unterboden, wo auch die meisten geänderten Crashstrukturen verbaut sind. "Im Vergleich zum Kia Ray EV haben wir die Batterie um 46 Prozent leistungsfähiger machen können", sagt Park weiter. "Unsere Energiedichte ist um 40 Prozent höher als im Nissan Leaf." Nach einer guten halben Stunde Fahrzeit zeigt der Bordcomputer eine Restreichweite von 137 Kilometern an.
Die geringen Unterschiede zu den normalen Soul-Modellen zeigen sich auch im Innenraum. Die Ausstattung des Elektromodells ist mit Navigationssystem, klimatisierten Sitzen vorn und beheizten Stühlen hinten, Klimaautomatik, Soundsystem und Lenkradheizung komplett. Ähnlich wie bei BMW i3 und Nissan Leaf bestehen viele Verkleidungen und Innenraumkomponenten aus Ökomaterialien wie Bioschäumen in den Sitzen oder Bio-Kunststoffen in Türen und Verkleidungen.
Große Volumen dürften sich insbesondere in Europa nur schwer verwirklichen lassen
Anders als viele andere Hersteller bleibt Kia seiner Linie treu, die Antriebskompetenz im eigenen Hause zu halten. Was möglich ist, wird daher selbst produziert und bei Komponenten greift man ebenfalls bevorzugt auf lokale Produktionen zurück. "Wir wollen in den nächsten Jahren führend auf dem Ecomarkt für Autos sein", sagt Elektro-Projektleiter Chi Hgeon Hwang. "Derzeit ist hier Toyota durch seine Hybridfahrzeuge mit knapp 70 Prozent vorne. Doch bis zum Jahre 2050 wollen wir 30 Prozent weniger CO2 produzieren - trotz deutlich mehr verkaufter Autos."
Die erst kürzlich verbesserte Rekuperationsfunktion in zwei Stufen und eine effizientere Klimatisierung machen sich schneller als erwartet bemerkbar. Aus gutem Grund, denn schließlich soll gerade auf dem Heimatmarkt Korea nichts schiefgehen. Der große Navigationsbildschirm zeigt kaum Ladestationen. Damit hapert es in Korea noch. Im ganzen Land gibt es aktuell gerade einmal 1.000 Ladesäulen. Und so heißt es selbst in der Millionenmetropole Seoul auf die Suche gehen, bis der Kia Soul EV wieder zu elektrischen Kräften kommt.
Ob der Kia Soul EV ein koreanisches Feigenblatt wird oder nicht nur im Seouler Szenestadtteil Gangnam ein Bestseller, darüber entscheidet neben den objektiven Qualitäten insbesondere der Preis. Der dürfte angesichts der zunehmend ernsthafteren Konkurrenz unter 30.000 Euro liegen. Damit würde ein Elektro-Soul knapp das Doppelte von einem Einstiegsbenziner kosten. Große Volumen dürften sich damit insbesondere in Europa jedoch nur schwer verwirklichen lassen.