Der Rubel rollt nicht in der Major City - er knistert. In Moskaus größter Shopping-Mall für Autos kauft nur jeder dritte Kunde auf Kredit - der Rest zahlt bar. An den Kassen der einzelnen Händler nehmen freundliche Damen die Scheine entgegen und man vermisst nur das Piepsen der Registrierkasse wie im Supermarkt.
Pro Monat würden in seiner Major City rund 2000 Neuwagen verkauft, sagt Mikhail Bakhtiarov. Der Mittdreißiger mit dem hellen Anzug und dem ständig griffbereiten Handy ist Chef der Händlerkette Major. Er besitzt unter anderem Mercedes-Benz-Niederlassungen in Moskau und St. Petersburg sowie mehrere Neuwagen-Outlets in Russland. Wer die Major City betritt, kann innerhalb weniger Gehminuten elf verschiedene Markenhändler eerreichen. Ob Cadillac, Chevrolet, Opel, Ford, Mazda, Saab, Peugeot, VW, Nissan, Renault oder Hummer: Mikhail Bakhtiarov vertritt sie alle.
2100 Mitarbeiter sind in der Major City 9 Kilometer vor den Toren Moskaus beschäftigt. Geöffnet ist der Komplex mit den sieben riesigen Gebäuden von 8 bis 22 Uhr, die Hälfte des Umsatzes wird an Wochenenden gemacht. Der Gebrauchtwagenanteil nimmt mit 10% nur einen kleinen Teil des Geschäfts ein.
Im Marken-Gewimmel findet sich auch der größte russische Mazda-Vertragshändler. Der japanische Hersteller verkauft etwa jeden zweiten Neuwagen in Russland allein in der Region rund um Moskau mit ihren 20 Millionen Einwohnern. Bei vielen anderen Herstellern ist das Verhältnis ähnlich.
120 Millionen Dollar seien in die Major City investiert worden, sagt Autozar Bakhtiarov. "Nach 6 bis 7 Jahren ist das Geld wieder hereingeholt", schätzt der Geschäftsmann. Von der Planung bis zur Eröffnung des ersten Markenhändlers vergingen 14 Monate. Das Zeitaufwändigste an dem Projekt sei noch das Gerangel der Markenhändler um den besten Standort innerhalb des Geländes gewesen, erzählt Bakhtiarov.
Werbung ist nicht nötig
Der russische Automarkt, der mit Zuwachsraten um 40% wahrscheinlich noch in diesem Jahr den deutschen überholen wird, ist eine Goldgrube. "Alles was ihr in Westeuropa nicht los werdet, verkaufen wir", sagt Bakhtiarov ohne eine Spur von Hohn in der Stimme. Der Bedarf ist riesig. Für begehrte Modelle gibt es Wartezeiten zwischen zwei Monaten und einem Jahr.
Gleichzeitig steigen die Ansprüche der Kunden an Qualität und Ausstattung – viele Russen sind ihre Ladas offenbar endgültig leid. Wer in der Major City ein neues Auto kaufen will, braucht sein altes gar nicht erst mitzubringen: Von mehreren Metro-Stationen in Moskau steuern kostenlose Shuttle-Busse das Autoparadies am Rande der Stadt an. Um seine 2000 Autos pro Monat loszuschlagen, benötigt Bakhtiarov rund 20.000 Kunden. "Durchschnittlich kauft jeder zehnte Besucher bei uns einen Neuwagen. Eigentlich müssten wir überhaupt keine Werbung mehr machen", sagt der Autozar.
Trotzdem legt man bei Major Wert auf ein verkaufsförderndes Umfeld. Über manches deutsche Autohaus mit Kaffeemaschine für die Kunden und drei Bauklötzen auf dem Spielteppich würden die russischen Händler dabei wohl nur lachen. Während Papa und Mamutschka in der Mazda-Niederlassung von Major City den neuen Wagen bestellen, wird der Nachwuchs im Kindergarten beschäftigt oder darf sich mit der Carrera-Bahn austoben. Für Jugendliche stehen Playstations mit riesigen Flachbildschirmen parat und im Internet-Café warten 40 Plätze mit Highspeed-Zugang.
Lieber alte Japaner als neue Ladas
Einen eigenen Zubehör-Shop gibt es ebenfalls bei Mazda Major. Erlaubt ist, was gefällt: Wer auf seinem neuen Wagen ein Airbrush-Bild der Mona Lisa sehen will oder Boxen möchte, mit denen man im Zweifel den Roten Platz beschallen könnte, der bekommt auch das.
Ein Ende des Booms für Moskaus Auto-Supermarkt ist vorerst nicht abzusehen. Einen inländischen Händler-Gebrauchtwagenmarkt wie in Deutschland gibt es in Russland praktisch nicht. Wer wenig Geld hat, kauft zähneknirschend einen Lada oder ein chinesisches Billigauto - oder er greift auf die japanische Lösung zurück: Pro Jahr werde fast eine Million Gebrauchtwagen aus Japan nach Russland eingeführt, schätzt die russische Mazda-Verkaufsdirektorin Marina Belinskaya. "Viele Leute tauschen ihre alten Ladas gegen drei bis vier Jahre alte Mazdas, Toyotas oder Nissans aus", sagt Belinskaya.
Der russische Mazda-Chef Jörg Schreiber vergleicht die Situation des Automarktes mit der Ostdeutschlands nach 1989: "Die Russen haben einen enormen Nachholbedarf und sind sehr experimentierfreudig. Die Leute behalten ihren Wagen meistens nur drei Jahre, dann wird ein Neuer gekauft."