Die Grande Nation darbt. Die Wirtschaft kommt nicht in die Gänge und die Automobil-Industrie hinkt bei den Verkäufen hinterher. Staatspräsident François Hollande will sein Land mit aller Gewalt zukunftsfähig machen und verhindern, dass die Gallier noch weiter zurückfallen. Der Ansatz der französischen Regierung: Nur mit dem Einsatz aller Kräfte lässt sich diese Verfolgungsjagd zu einem erfolgreichen Ende bringen.
Deswegen lud der französische Präsident vor gut einem Jahr wichtige Industriekapitäne in den Elysee Palast und schwor sie auf den neuen Kurs ein. Dass ausgerechnet bei der Rede des EADS-Vorsitzenden Jean Botti das Licht ausgeht, dürften nur Pessimisten als böses Omen werten.
Professor Stefan Bratzel jedenfalls ist skeptisch, ob der Taktstock aus Paris die Wende dirigieren kann. "Um den technologischen Rückstand aufzuholen, braucht nicht mehr, sondern weniger französischer Staat. Frankreich muss seine wirtschaftlichen Strukturprobleme lösen, vielleicht ähnlich wie die deutsche Agenda 2010. Vielmehr ist dafür auch eine Art konzertierte Aktion notwendig, die die Gewerkschaften miteinbezieht und die internationale Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund stellt", so der Direktor des Center of Automotive Management (CAM).
Für die französische Automobil-Industrie sind die Ziele bis zum Jahr 2020 klar definiert. Das Lastenheft dieser keineswegs einfachen Aufgabe ist ebenso eindeutig: Bis zu diesem Zeitpunkt soll ein Auto serienreif sein, dass zwei Liter pro 100 Kilometer braucht und maximal 50 g CO2 pro Kilometer emittiert. Das wären deutlich weniger als die von der EU geforderten 95 g CO2 bis zum Jahr 2021. Das alleine ist durchaus machbar. Allerdings sollen diese Autos auch bezahlbar sein, also weniger als 20.000 Euro kosten. Das schließt die Verwendung von exotischen Materialien aus und macht es schwerer, den Auftrag des Präsidenten umzusetzen.
Die Franzosen können diese Projekte nicht alleine stemmen und suchen schon einige Zeit nach Kooperationspartnern
Die ersten Antworten auf die Herausforderung sind bereits gegeben: Der Hybrid Air der PSA-Gruppe basiert auf einer Kombination aus Dreizylinder-Benziner und einem ausgeklügelten Stickstoff-Hydraulik-System, das den Verbrauch auf 2,9 Liter pro 100 km senken soll. Dieser Luft-Hybrid ist ein Schritt zum geplanten Verbrauchsziel. Ob der überhaupt vollzogen wird, steht noch in den Sternen. "Ich würde das Auto gerne bauen - aber damit es rentabel ist, müssen etwa 500.000 Stück pro Jahr produziert werden", bekennt Gilles Le Borgne, Direktor für Forschung und Entwicklung bei PSA.
Die Franzosen können dieses Projekt nicht alleine stemmen und suchen schon einige Zeit nach Kooperationspartnern. Doch bisher verlief diese Suche erfolglos und eine Allianz ist nicht in Sicht. Deswegen dürfte der Air Hybrid als Innovationsträger im Museum landen.
Ein anderer Ansatz, der im Rahmen dieses Regierungsprogramms gestartet wurde, ist das VELV (Véhicule électrique léger de ville) - ein reines Elektromobil, das für den Stadtverkehr gedacht ist und eine Reichweite von rund 100 Kilometer erzielen soll.
Um die Vorgaben zu schaffen, wird die Entwicklung forciert: Hybridisierung und die Effizienz des gesamten Antriebs, das Gewicht des Autos, die Aerodynamik, der Rollwiderstand und das Energie-Management. Mit Volt Control wird die Batterie bedarfsgerecht geladen. Das heißt: nur mit soviel Strom, wie das Fahrzeug gerade benötigt.
Eine weitere Maßnahme zur Effizienzsteigerung ist die Stauvermeidung durch Konnektivität. Da kommen nun andere Partner aus der automobilen Wertschöpfungskette ins Spiel. Etwa der Reifenhersteller Michelin, der schon seit einiger Zeit an Pneus tüftelt, die sich mit besonders wenig Kraftaufwand bewegen lassen.
Wie das Zusammenspiel der Kräfte westlich des Rheins funktionieren kann, zeigt Renaults Konzeptfahrzeug Eolab
Das zeigt das Prinzip dieser Initiative, die mehrere Unternehmen der französischen Industrie vereinen soll, um technologisch wieder nach vorne zu kommen. Eine große Rolle spielen die Verbundstoffe. Deswegen nehmen die Franzosen bei einem anderen Projekt die Chemie-Industrie ins Boot, um eine eigene Carbon-Industrie zu installieren. Das soll die Franzosen in die Lage versetzen, Carbonfaser zu einem Preis herzustellen, der deutlich unter dem aktuellen liegt.
Eine andere Stoßrichtung ist das Finden von neuen Verbundstoffen wie Lignum - ein Verbundstoff, der auf Holz basiert. Stichtag ist ebenfalls das Jahr 2020. Einer der Treiber hinter diesen Anstrengungen ist der Plateforme de la Filière Automobile (PFA), das französische Gegenstück zum VDA.
Wie das Zusammenspiel der Kräfte westlich des Rheins funktionieren kann, zeigt Renaults Konzeptfahrzeug Eolab: Neben Michelin und anderen Zulieferern engagiert sich auch Faurecia, eigentlich Teil des konkurrierenden PSA-Imperiums, bei dem Projekt. Das Wohl der Nation steht über dem ökonomischen Wettbewerb, lautet die Maxime. Der Zulieferer ist für den Glasfaser-Unterboden, die Sitze und die Auspuffanlage verantwortlich.
Das Konzept des Eolab ist wegweisend: Statt ein exotisches Automobil mit extrem teuerer Technik auf die Räder zu stellen, bediente man sich des aktuellen Renault Clio und verfeinerte diesen mit gezielten Maßnahmen. Ganz weit oben im Lastenheft stand die Gewichtsreduzierung um rund 400 Kilogramm. Insgesamt sind beim Eolab rund 100 Patente angemeldet. Davon alleine 40 für den Antriebsstrang.
|