Auch die neueste Generation des Ford Explorer hat einen großen Nachteil – zumindest für die deutschen Kunden: Er ist hierzulande gar nicht auf dem Markt. Immer wieder gab es Bestrebungen, den beliebten SUV auch nach Deutschland zu holen, um ihn offiziell zu vertreiben. Doch angesichts der erwartet geringen Stückzahlen, keinen nennenswerten Gleichteilen mit europäischen Modellen und den europäischen Crashvorschriften schaffte der Explorer nie den Sprung über den Atlantik.
Nur einige findige Ford-Händler mit US-affinen Kunden importierten den üppig dimensionierten Explorer auf eigene Faust. Bei einigen Amerika-Importeuren ist der Ford-Geländewagen seit Jahren denn auch ein durchlaufender Posten im Modellprogram. Dabei hätte gerade die neue Explorer-Generation durchaus das Zeug dazu, mit den europäischen Platzhirschen mitzuhalten und die Marke Ford imagemäßig nach oben zu pushen. Schließlich ist seit dem Untergang der Scorpio-Baureihe oberhalb des Mittelklassemodells Mondeo bei Ford Europa nichts mehr im Angebot. Und ein Kuga kann als Konkurrent von VW Tiguan und BMW X1 die Marke kaum nach oben drücken.
Doch der Explorer bleibt auch 2011 dort, wo er schon immer war: in den USA. Dort hat er beste Aussichten, erneut zum Bestseller unter den Fullsize-SUV zu werden. In Nordamerika wurde er aus dem Stand zum "Truck of the Year" gewählt – keine Überraschung und alles andere als unverdient.
Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist der Explorer nicht wiederzuerkennen. Gesicht und Heck sind modern, kraftvoll und ohne Schnörkel. Seiten- und Schulterlinie wirken ungewöhnlich hoch, die Kotflügel leicht ausgestellt und das Taillenelement schmückt die Seitenansicht, damit der Explorer nicht zu klobig wirkt.
Weicher Wandler
Doch nicht nur das Design zeigt deutliche Signale an Europa. Auch bei den Motoren macht Ford einen harten Schnitt. Die ebenso durstigen wie kraftvollen Achtzylinder gehören der Vergangenheit an. Der Explorer wird in allen drei Ausstattungsvarianten von einem 3,5 Liter großen V6-Motor angetrieben. In den nächsten Monaten soll sogar noch ein aufgeladener Vierzylinder folgen.
Der Sechszylinder lässt dabei kaum den Wunsch nach zwei Zylindern mehr aufkommen. Der Direkteinspritzer leistet 285 PS und ein maximales Drehmoment von 340 Nm. Er ersetzt den 4,6 Liter großen Achtzylinder, der bisher 292 PS leistete. Kombiniert ist der V6-Motor mit einer Sechsstufenautomatik, die den Tatendrang des Crossovers jedoch spürbar dämmt. Die Gangwechsel geschehen sanft im Hintergrund. Doch der Wandler ist so weich, dass ein guter Teil der Motorleistung im Getriebetunnel verpufft – ohne nennenswerten Vortrieb.
Während der Sechszylinder im unteren und mittleren Drehzahlbereich einen ordentlichen Eindruck macht, wird er ab 4.000 Touren ungewöhnlich laut. Ford gibt für das neue 4x4-Flaggschiff einen Normverbrauch von 12,5 Litern auf 100 Kilometern an. In der Realität ist unter 14 Litern jedoch kaum etwas zu machen. Trotzdem ein mächtiger Fortschritt im Vergleich zum betagten V8-Aggregat. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei knapp 185 km/h liegen.
PickUp als Plattform
Beim Antriebskonzept geht Ford einen überraschenden Weg. Trotz üppiger Dimensionen und einem Leergewicht von 2,2 Tonnen wird der Explorer über die Vorderachse angetrieben. Erst wenn beim 4WD-Modell dort die Haftung abreißt, wird die Motorleistung nach hinten transferiert. Serienmäßig gibt es sogar nur den Frontantrieb, da der Explorer erstmals nicht von einer Pick-Up-Plattform abgeleitet wurde. Vielmehr teilt er sich sein Chassis mit Modellen wie Ford Taurus oder Flex.
In dieser Klasse ein wenig überzeugendes Konzept, dass sich beim Fahrverhalten deutlich bemerkbar macht. Die knapp 300 PS starke Allradversion Explorer 4 WD schiebt im Grenzbereich stark über die Vorderachse. Auch die Abstimmung von Anti-Schlupf-Regelung und ESP kann mit den sehr guten Kennlinien der europäischen Ford-Modelle nicht mithalten. Dafür geht es Dank McPherson-Federbeinen vorn und einer Mehrlenker-Hinterachse sehr komfortabel zu.
Ähnlich wie Modelle von Land- und Range Rover ist der neue Ford Explorer 4WD mit einem variablen Allrad- und Antriebssystem ausgestattet. Über das Terrain Management System kann der Pilot das Fahrprogramm dem jeweiligen Untergrund anpassen. Nichts für den harten Geländeeinsatz - aber allemal eine Hilfe auf rutschiger Fahrbahn, im Sand oder auf Gras. Neben den vier Modi gibt es eine Bergabfahrhilfe, die für weitere Entlastung sorgt.
Größenwachstum
Im Vergleich zu seinem Vorgänger hat der Explorer an Größe zugelegt. Mit einer Länge von 5,01 Metern ist er knapp zehn Zentimeter üppiger als bisher. Davon profitiert in erster Linie der Innenraum. So gibt es bequemen Platz für mindestens fünf Erwachsene. Wer die optionale dritte Sitzreihe ordert und es mit seinen Verwandten oder Freunden nicht allzu gut meint, kann diese auf den beiden Notsitzen einpferchen. Für eine kurze Strecke allemal machbar – sonst eine Zumutung.
Der Innenraum selbst hat deutlich gewonnen. Die Sitze sind bequem und die Haptik hat sich um zwei Klassen nach oben geschraubt. An das Bedienkonzept "My Ford Touch" muss man sich gewöhnen, doch die Sensortasten auf der breiten Mittelkonsole prägen sich schnell ein. Der Fahrer kann sich sein Kombiinstrument dann mit Dreh- und Drückbewegungen nach Gusto modifizieren. Ebenfalls eine Übungssache, aber geradezu futuristisch gegenüber bisherigen Explorer-Modellen.
Hinter der großen Heckklappe mit elektrischer Betätigung steht ein Laderaum von 1.240 Litern zur freien Verfügung. Wer die Fondsitze umklappt, kann knapp 2.300 Liter für die Ladung nutzen.
Der Ford Explorer hätte es verdient, dass er auch auf dem europäischen Markt seine Chance bekäme. In den USA ist der Gelände-Crossover nicht zuletzt durch seinen fairen Preis seit Jahren ein Bestseller. In der mittleren Ausstattungsvariante XLT kostet der Explorer 4WD mit ein paar Extras 40.000 Dollar – umgerechnet knapp 30.000 Euro.
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