Wenn man die Augen schließt, kann man es fast hören: Das dumpfe Grollen der V8-Motoren, die Rock’n’Roll-Rhythmen aus dem Autoradio und das Gekicher junger Pärchen, die auf der Rückbank knutschen. Doch wenn man die Augen öffnet, kommt wieder die Ernüchterung: Da steht zwar eine einmalige Sammlung amerikanischer Automobile, die von Henry Fords "Tin Lizzy" über die großen Flossenmonster aus den 50ies bis zu den kantigen Autos der 80er reicht.
Doch viele der Autoträume sind in einem traurigen Zustand. Und sie stehen in einem heillosen Kuddelmuddel beieinander, so als hätte ein Kind gerade seine Spielzeugkiste ausgeschüttet.
Mitten drin in diesem Wust aus Blech, Rost und platten Reifen steht ein alter Mann mit lichtem weißem Haar und einer altmodischen Brille. Clyde Collins, 76, ist der Besitzer dieser unüberschaubaren Sammlung. Rund 100 Autos hat er auf seinem Grundstück mitten in einem verlassenen Nest in Nevada geparkt.
Viele der bauchigen und chrombeladenen Dickschiffe sind heute gesuchte Klassiker. Sie hören auf klangvolle und fast vergessene Namen wie Packard, Hudson oder Studebaker. Natürlich darf auch das Standardprogramm der US-Cars nicht fehlen: Ein Chevrolet Camaro hat ebenso seinen Platz in Clydes Sammlung wie ein Ford Mustang oder ein Thunderbird. Sogar Pickups, Wohnwagen, Feuerwehrautos und einen Schulbus nennt Clyde sein Eigen.
Nur Muscle Cars vom Schlage eines Dodge Charger oder Plymouth Cuda sucht man vergeblich: "Für solche Autos habe ich nie viel übrig gehabt", sagt Clyde.
Zerbrochene Träume
Seine verblichenen Schönheiten befinden sich in einer Art Schwebezustand zwischen rostigem Tod und restaurationswürdigem Überleben. Für viele kommt jede Hilfe zu spät - etwa für die verrotteten Ford A-Modelle oder die äußerst raren Hupmobile-Karossen aus den 20er Jahren. Manche Autos sehen schon das Licht am Ende des Tunnels, aber mit einer fachkundigen Restaurierung könnte man sie noch ins Leben zurückholen.
Das trockene Wüstenklima hat zwar den Lack ausgebleicht, den Chrom abgestumpft und Staub in jede Ritze gepresst. Aber die Substanz mancher Autos ist noch gut - vor allem die der schicken Schlitten aus den 50er und 60er Jahren. Da hockt ein 53er Studebaker mit kaum noch wahrnehmbarer Zweifarblackierung in Cremeweiß und Pink und bettelt um eine zweite Chance. Eine ganze Handvoll Cadillacs aus den 70ern streckt rüstig die fast rostfreien Flossen in den Himmel. Ein 66er Oldsmobile Toronado blickt hoffnungsvoll aus seinen Klappscheinwerferaugen.
"Broken Dreams" nennen amerikanische Autofans Oldtimer, die an verlassenen Orten vor sich hin rotten. Zu Clydes Sammlung könnte keine Bezeichnung besser passen. Sein automobiles Raritätenkabinett ist auch ein Zeugnis geplatzter Lebensträume.
Clyde wurde in Missouri geboren und war in den 50er Jahren Fahrlehrer bei der U.S. Army. Er wurde sogar für den Einsatz im Korea-Krieg trainiert. Doch im letzten Moment blieb ihm das erspart. Um seine Familie mit drei Kindern über Wasser zu halten, fing er als Metzger an, arbeitete im Schlachthof. Doch offenbar ging jede freie Minute an seine Sammelwut verloren – und jeder übrige Cent.
Leben mit Max
Nie habe er mehr als 700 Dollar für ein Auto bezahlt, behauptet Clyde. "Meine teuerste Erwerbung war ein 79er Cadillac. Den habe ich heute noch", sagt der alte Mann stolz. Allerdings sieht der neben einem alten Chevy-Abschleppwagen vor sich hin rottende Cadillac nicht so aus, als habe er in den letzten 20 Jahren besonders viel Zuneigung genossen.
Irgendwann hatte Clydes Frau genug davon, auf einem Schrottplatz zu leben. "Sie hat mich verlassen. Aber einen 31er Ford hat sie mitgenommen – den mochte sie so sehr", erzählt Collins.
Nun lebt er allein in einem Wohnwagen mitten auf dem Schrottplatz. Manchmal kommen die Kinder zu Besuch, doch meistens leistet ihm nur sein Hund Max Gesellschaft. Clyde steht in keinem Telefonbuch und inseriert nirgendwo für seine automobile Schatzkammer. Sie bleibt ein Geheimtipp für Sammler, die zufällig darauf stoßen.
Nicht nur nach vielen Autos hier würden sich viele Sammler alle zehn Finger lecken. Fast jeder Kofferraum der Autos ist voll gestopft mit weiteren Teilen. Der seltene Außenspiegel, die originale Radkappe, das rare Haubenornament – bei Clyde kann man so ziemlich alles finden, was auf Teilemärkten für horrende Summen gehandelt wird. "Ein bis zweimal im Jahr verkaufe ich auch ein Auto, wenn ein Sammler nicht locker lässt", sagt Clyde. Doch meist füllt dann schnell ein neuer Oldie die Lücke.
Eigentlich ist Clyde ganz zufrieden mit seiner Sammlung, so chaotisch sie auch sein mag. Nur eines wurmt ihn: "Mein Traumauto war immer ein Duesenberg. Doch den konnte ich mir nie leisten."
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