Schon im Vorfeld machte VW-Chef Herbert Diess per Twitter klar: "Das wird keine Auto-Präsentation." Ganz im Stil von Teslas "Battery Day" vergangenen September stellten die Wolfsburger per gestreamtem Live-Event zwei Stunden lang ihre neuen Entwicklungen in Sachen Elektromobilität vor - passend einen Tag vor Volkswagens Jahrespressekonferenz. Twitter, YouTube, Website - VW setzt dabei ganz auf Social Media.
Klar ist: Volkswagen hat begriffen, dass es vielleicht doch nicht so klug ist, die Entwicklung und Produktion strategisch wichtiger Bauteile - wie es Akkus für Elektroautos nun mal sind - komplett aus der Hand zu geben und an Zulieferer überwiegend in Asien zu delegieren. Gerade aktuell etwa bangen die Wolfsburger um die anstehende Produktion von Elektroautos in den USA, weil ein Rechtsstreit zwischen zwei koreanischen Zellenhersteller die Akkulieferung gefährdet, wie das "Handesblatt" berichtet. Trotz solcher Unpässlichkeiten: "Die Elektromobilität hat das Rennen gemacht", weiß Diess. Und: "Wir wollen dabei die Pole Position einnehmen."
Für die ehrgeizigen Ziele bei den Elektroautos braucht VW allerdings sehr viel mehr und andere Akkus als bisher - denn schon jetzt gibt es immer wieder Lieferengpässe. Bis 2030 will VW den Anteil reiner E-Autos am Absatz in Europa auf mehr als 70 Prozent steigern – doppelt so viele wie nach der bisherigen Planung. Experten gehen davon aus, dass die dafür nötige Akkukapazität zwischen 250 und 300 GWh liegen wird.
Die ersten Schritte zu mehr Autarkie hat VW schon vor dem Power Day gemacht: Die VW-Tochter Seat will mit Unterstützung des spanischen Staates und des Energieunternehmens Iberdrola bei Barcelona ein großes Batteriewerk aus dem Boden stampfen, das wohl auch andere Konzernmarken versorgen wird. Finanziert werden soll das Werk unter anderem mit Geldern aus dem EU-Programm Next Generation für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie. Im nahen Seat-Stammwerk Martorell laufen derzeit der Audi A1, die Cupra-Modell des Leon sowie die Seat-Modelle Arona, Ibiza und Leon vom Band.
Bis 2025 sind 18.000 Ladestationen in Städten und der Nähe von Autobahnen geplant, 4.000 davon an Tankstellen
Es wird nicht die einzige Gigafactory von VW bleiben. Bis 2030 sind gemeinsam mit Partnern insgesamt sechs dieser Fabrikationsstätten geplant, sagte Technikvorstand Thomas Schmall. Jede davon soll für 40 GWh gut sein. Ab 2025 sollen in Salzgitter "Einheitszellen" produziert werden, ab 2023 bereits geht zusammen mit dem 2016 gegründeten schwedischen Batteriehersteller Northvolt, an dem VW beteiligt ist, eine Fabrik in Skellefteå, Nordschweden, in Betrieb. Als nächstes stehen Fabriken in Süd- und Osteuropa im Plan. Pro Fabrik dürften Investitionen von rund zwei Milliarden Euro anstehen.
Auch die Kosten für Energiezellen will VW drastisch drücken. Schmall kündigte die Produktion von "Einheitszellen" an, die ab 2023 nach und nach in rund 80 Prozent aller elektrischen Konzenmodelle eingebaut werden können. Nur noch bei den restlichen 20 Prozent der Fahrzeuge seien dann individuelle Lösungen nötig. So ließen sich die Preise für Akkus in Einstiegsmodellen um die Hälfte senken und Elektroautos deutlich preiswerter anbieten. "Künftig", so Schmall, "werden unsere Autos um die Batterien herum entwickelt." Zudem setzt Volkswagen künftig auf Festkörperbatterien, die sich in der Hälfte der bisherigen Zeit wieder laden lassen und dank der Gewichtsersparnis bis zu 30 Prozent mehr Reichweite liefern.
Volkswagen kündigte beim Power Day ebenfalls ein eigenes Ladenetz für Elektroautos in Europa an. In Großbritannien und Deutschland soll es in Kooperation mit Aral und dessen Mutterkonzern BP entstehen. Bis 2025 sind 18.000 Ladestationen in Städten und der Nähe von Autobahnen geplant, 4.000 davon an Tankstellen. Ähnliche Netze sind mit Iberdrola in Spanien und Enel in Italien, sowie den USA und China vereinbart. In den USA und Kanada soll es bis Jahresende ein Netz mit 3.500 Ladepunkten geben, in China bis 2025 eines mit 17.000 Ladepunkten.
Die Ladeinfrastruktur ist essenziell für die massenhafte Verbreitung von Elektrofahrzeugen, weiß man bei VW. Eigene Untersuchungen zum Beispiel in China hätten allerdings gezeigt, dass gerade mal jede dritte Ladesäule überhaupt nutzbar sei. Das soll ein eigenes Netz ändern - mit Ladestellen an Tankstellen, überdacht und einfach zu bedienen. Speziell für Porsche-Kunden solle sogar welche mit eigener Lounge zum Relaxen während des Ladevorgangs geben.
|