Mit dem Air startet jetzt eine weitere rein elektrisch angetriebene Limousine zur Jagd auf den Branchenprimus Tesla. So zumindest das Selbstverständnis beim kalifornischen Hersteller Lucid Motors. Der Viertürer spielt optisch und auf den ersten Blick denn auch in der gleichen Liga wie Teslas Model S: rundgelutscht wie ein Drops, ohne große Ecken und Kanten, an denen der Fahrtwind zerren könnte, bestückt mit Aero-Rädern in den Radhäusern und einer speziell strukturierten Oberfläche. Entsprechend nennt Lucid Motors für den Air denn auch eine geradezu fantastisch Aerodynamik: Der Cw-Wert soll bei im Windkanal gemessenen 2,1 liegen. Selbst Formel 1-Technik habe man zur Optimierung der Aerodynamik verwendet, sagt der zuständige Ingenieur Jean-Charles Monnet. Das reicht - neben der schieren Leistung des Antriebs selbst - für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h unter 2,5 Sekunden und eine bei 320 km/h abgeregelte Höchstgeschwindigkeit. Die Viertelmeile (402,34 m) soll in 9,9 Sekunden geschafft sein - so schnell wie bei einem Bugatti Chiron.
Der Antrieb ist entsprechend üppig ausgelegt. Die beiden Elektromotoren an der Hinterachse sollen laut Lucid Motors rund 1.080 PS an alle vier Räder leiten. Dafür haben die Kalifornier das komplette elektrische System erstmals auf "rennerprobte" 900 Volt hochgerüstet. Tesla etwa arbeitet mit 400, Porsche im Taycan mit 800 Volt. Trotz der üppigen Leistung soll der Air ein Langstreckenläufer sein: Bis zu 517 Meilen, umgerechnet 832 Kilometer Reichweite nach EPA-Standard seien möglich und offiziell bestätigt, erklärt Lucid Motors: "Damit hat der Air aktuell die größte Reichweite unter den Elektrofahrzeugen." Den Strom liefert ein 113-kWh-Akku von LG Chem. Die Akku-Packs seien über 10 Jahre und 20 Millionen Testkilometer hinweg sowie mit dem Knowhow aus der Formel E-Rennserie entwickelt worden.
Für Fahrdynamit und Komfort der fast fünf Meter langen und 1,45 Meter hohen Limousine sorgt neben dem großen Radstand von 3,10 Metern ein Luftfederfahrwerk. Die Linienführung ist coupehaft, ausgestellte Radhäuser und die gewölbte Fronthaube sorgen für eine kraftvoll-sportliche Optik. Ein absoluter Hingucker ist das riesige Panoramadach, das nahtlos an die Windschutzscheibe anschließt. Vorne sorgen spezielle Micro-Linsen für gute Sicht im Dunkeln. Hinten zieht sich ein schmales Band aus LED-Leuchten über die ganze Breite. Insgesamt 19 Fahrassistenten, die sich auf 32 Sensoren stützen, sollen dem Fahrer das Leben erleichtern, die meisten davon können online aktualisiert werden. In der Entwicklung sind auch Optionen, die ein autonomes Fahren gemäß Level 3 ermöglichen sollen.
Vorne sitzen Fahrer und Beifahrer in stark konturierten Sitzen. Dazwischen eine breite Mittelkonsole. Ein riesiger, geschwungener Bildschirm vor dem Fahrer liefert die wichtigsten Daten. Dazu kommt zwischen Fahrer und Beifahrer ein weiterer üppiger Bildschirm für Navigation, Infotainment und diverse Fahrzeugeinstellungen. Auch eine Spracheingabe soll es geben. Für die zweite Reihe bietet Lucid Motors zwei Sitzalternativen: Einmal die klassische Rückbank ohne Mittelkonsole und als Option zwei luxuriöse Einzelsitze mit Liegefunktion und einer breiten Konsole inklusive Tablet zur Steuerung der Funktionen. Auch der Stauraum ist für eine Limousine üppig: Vorne passen 280 Liter Gepäck unter die Haube, hinten noch einmal knapp 460 Liter.
Vorbestellungen gegen eine Überweisung von 1.000 Dollar werden aber auch in 15 europäischen Staaten bereits angenommen
Bleibt der Preis. Auch da konkurriert Lucid Motors mit Tesla. In den USA soll die üppig ausgestattete Start-Version 169.000 Dollar kosten (umgerechnet 143.582 Euro). Die Preise für Europa stehen noch nicht fest. Vorbestellungen gegen eine Überweisung von 1.000 Dollar werden aber auch in 15 europäischen Staaten bereits angenommen. In den USA sind bis Ende 2021 zunächst 20 Verkaufsstellen ("Lucid Studios") geplant. Ausgeliefert werden soll der Air in den USA Anfang nächsten Jahres. Später soll es dann auch preiswerter gehen. Für das Basismodell mit 400 PS und 400 Kilometer Reichweite werden 72.500 Dollar gehandelt.
Lucid Motors Chef Peter Rawlinson ist nicht ganz unbedarft in dem Metier der hochwertigen Elektroautos. Bei Tesla entwarf er das Model S. Anfang der 2010er-Jahre wechselte er dann zu Lucid Motors. Auch andere Mitarbeiter wechselten von anderen Herstellern zu dem Startup. Produktionschef Peter Hochholdinger etwa war früher in gleicher Funktion bei Tesla. Peter Hasenkamp, verantwortlich für die Lieferketten, war früher Einkaufschef bei Tesla.
Das junge Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Newark wurde 2007 gegründet und firmierte zunächst unter dem Namen Atieva, seit Oktober 2016 dann unter Lucid Motors. Ursprünglich entwickelte man vor allem Batterien für Elektrofahrzeuge und Antriebsstränge für andere Hersteller. So stammten in der Saison 2018/19 die Batterien in der FIA-Formel E-Meisterschaft komplett von Lucid Motors. Seit 2014 arbeitet man an einem eigenen Elektroauto - erstes Ergebnis ist der Air. Für rund 700 Millionen Dollar entsteht in Arizona ein komplettes Automobilwerk, das anfangs 20.000 Fahrzeuge, später dann 130.000 produzieren soll. Geld ist erst einmal genug da: Allein der Public Investment Fund von Saudi Arabien ist mit mehr als einer Milliarde US-Dollar eingestiegen.
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Mit Lucid Motors macht sich ein weiterer Autohersteller daran, mit einer Elektro-Limousine Tesla Marktanteile abzujagen. |
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