Die Münchner lieben es zu reisen. Und viele tun das ganz besonders gern mit dem eigenen Auto. Während es andere mit dem Flieger nach Spanien, Thailand oder Florida zieht, machen sich jedes Jahr zehntausende von der Isar aus per Auto auf den Weg in Richtung Süden, um dort ein paar freie Tage oder den Jahresurlaub zu verbringen. Neben der Region Norditalien kommt Österreich und Kroatien dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Entfernungen sind kurz genug, sie mit dem Auto zurückzulegen und nicht auf den Flieger oder die Bahn ausweichen zu müssen. In den Großraum Zagreb oder nach Istrien sind es dabei aus der bayrischen Metropole nicht einmal 600 Kilometer und so lohnt der Trip auch schon für ein paar Tage. 600 Kilometer pro Strecke sind selbst mit vielen Benzinern mit einer Tankfüllung und in einer Zeit von viereinhalb bis fünf Stunden zu schaffen. Doch wie sieht die Tour eigentlich mit einem Elektroauto aus?
Der Porsche Taycan ist so ziuemlich das Beste, was der europäische und speziell der deutsche Automarkt mit Stecker zu bieten hat. Der 4,96 Meter lange Viertürer zeigt das technische derzeit machbare. Der Taycan, mit dem wir uns auf den Weg machen, ist das 280 kW/380 PS starke Basismodell mit Hinterradantrieb, das im Boost bis zu 476 PS und 357 Nm maximales Drehmoment bietet und bis zu 240 km/h schnell ist. Das im Boden versteckte Batteriepaket bietet ein Volumen von 93,4 kWh, von denen allerdings nur 83,7 kWh genutzt werden können. Doch auch das dürfte eine Reichweite von bis zu 484 Kilometern ermöglichen. In jedem Fall sollten bis zu 385 Kilometer drin sein, ohne dass nachgeladen werden muss. Nicht viel für eine Luxuslimousine, die mit etwas Ausstattung mehr als 100.000 Euro kostet.
Den Ladeprozess soll die modernste Akku- und Ladetechnik auf ein absolutes Minimum reduzieren und dafür sorgen, dass man sich an der Ladesäule nicht die Breitreifen plattsteht. Maximal kann der Basis-Taycan mit 270 kW laden, damit sollte sich der Akku in weniger als einer halben Stunde wieder völlig erstarken lassen - zumindest theoretisch. Die reale Geschwindigkeit hängt vom Ladezustand und dem Schnelllader selbst ab.
Schon deutlich vor Augsburg musste der Gasfuß sich in Enthaltsamkeit üben
Trotz maximaler Ladedauer zeigt die Tankanzeige beim Start in der Münchner Innenstadt nur 98 Prozent an, was 338 Kilometer Reichweite bedeuten soll. Das unterstreicht erste Zweifel vom Vortag an der Reichweite, als der Porsche Taycan die Strecke von Zuffenhausen nach München in schnellem Tempo nicht mit einer Akkuladung schaffte. Schon deutlich vor Augsburg musste der Gasfuß sich in Enthaltsamkeit üben, sonst hätte es das schwäbische Elektroauto nicht ohne Nachladen in die Münchner Verdistraße zum Schnelllader an der dortigen OMV-Tankstelle geschafft.
Nun geht am Vormittag nach dem obligatorischen Corona-Test im Deutschen Museum Richtung Südosten ab auf die Bahn. Die Autobahn A8 ist an diesem Vormittag gut gefüllt, doch Tempi von 150 bis 190 sind kein Problem. Wer kauft sich schon einen Porsche Taycan, um dann mit Tempo 120 über die Autobahn zu schleichen? Dafür geben die durchgängigen Tempolimits in Österreich, Slowenien und schließlich Kroatien noch ausreichend Gelegenheit.
Die Navigationskarte empfiehlt nach der Zieleingabe einen ersten Nachladestopp südlich von Salzburg - in weniger als 200 Kilometern Entfernung. Keinerlei Probleme beim Grenzübertritt, wo man trotz der umfangreichen Corona-Kontrollen nur wenige Minuten verliert. Nach dem flotten Ritt über die deutsche Autobahn A8 ist es mit der fahrdynamischen Herrlichkeit nun vorbei, denn die Autobahnen in Österreich sind für ihre strengen Tempolimits und entsprechende Kontrollen bekannt. Nach ein paar Metern auf der A1 geht es Richtung Süden auf der A12 zu Destinationen wie Villach oder Wörthersee.
Der Porsche Taycan zeigt sich von seiner besten Seite: Das Fahrwerk ist straff, aber komfortabel genug und die Kunstledersitze sind bequem
Der Kelag Schnellladehub am A12-Tauern-Outlet verspricht nach kurzer Suche Kurzweil und 160 Kilowatt Ladeleistung an den sieben Stationen, die sich letztlich als derer nur fünf entpuppen. Kein anderes Elektroauto in Sicht - doch leider ist die Raststätte wegen der anhaltenden Corona Pandemie ebenso geschlossen wie das nicht gerade vielversprechende Tauern Outlet. Es hakt beim Porsche zum wiederholten Mal mit dem Öffnen der rechte Schnellladeklappe und auch die Tankkarte Nummer eins versagt ihren Dienst. Beim sechsten Versuch klappt es mit der EnBW-Ladekarte und der Taylan saugt sich mit Energie voll. Doch nichts hat es sich mit den in Aussicht gestellten 160 kW und einem Ladetempo von neun Kilometern pro Minute. Es tröpfeln nicht einmal 40 kW durch das dicke Kabel und so erstarkt der Zuffenhausener pro Minute um gerade einmal drei Kilometer - das ist zäh.
Ein verträumter Blick zur benachbarten Tankstelle, wo ein Mitsubishi Lancer nach einem minutenkurzen Tankstopp gerade wieder auf die Autobahn fährt. So heißt es warten und die Karten auf Smartphone und Taycan aufmerksam studieren. Schnellladesäulen an der Autobahn gibt es bis zur Landesgrenze nach Slowenien noch einige. Ein Volkswagen-/Audi-Händler, zum österreichischen Porsche-Importeur gehörig, verspricht in Villach gar 350 kW. So wird die Tröpfchennachladung an der A12 abgebrochen und es geht weiter gen Süden. Dabei zeigt sich der Porsche Taycan von seiner besten Seite. Das Fahrwerk ist straff, aber komfortabel genug und die Kunstledersitze sind bequem. Die bei schnellen Autobahntempi zu direkte Lenkung ist das Einzige, was man dem Basis-Modell vorwerfen kann.
Beim VW-/Audi-Händler angekommen, klappt mit der Porsche-Ladekarte - nichts. Und auch die EnBW-Karte gibt eine nachdrückliche Fehlermeldung. Doch Porsche Villach an der Ossiacher Straße macht dem Ruf der freundlichen Österreicher alle Ehre. Einer der Servicemitarbeiter kennt das Problem und spendiert uns mit der hauseigenen Karte das Nachladen an einer der Ladesäulen. Nebenan parken zwei tankende VW ID.3 - doch 350 kW gibt es hier dann doch nicht. Ein kleiner Spaziergang, den normalerweise keiner auf einer Fahrt von A nach B machen möchte, soll die Stimmung heben und Villach zeigt sich bei nachmittäglichem Sonnenschein von seiner besten Seite. Trotz der Corona hat in der City einiges offen und nach Eis, Espresso und Getränkekauf geht nach einer guten Stunde zurück ins Auto.
Eine volle Ladung würde rund 35 Euro kosten, jedoch nur für kaum mehr als 300 Kilometer reichen - günstig ist das elektrische Tanken nicht
In dieser Zeit hat das Fahrzeug nicht einmal 20 Prozent an Ladung zugelegt. Um noch nach einer vertretbaren Zeit nach Zagreb zu kommen, werden wieder die digitalen Karten gewälzt wie einst die Shell-Atlanten in den 1950ern. In zwei Kilometern Entfernung lockt an einem McDonald ein Hypercharger, der verheißungsvolle 300 kW an Ladeleistung verspricht - nächster Zwischenstopp also statt flotter Weiterfahrt gen Kroatien. Doch auch wenn es dann keine 300 kW sind, sorgen bereits die nicht einmal 100 kW für gute Laune bei den Roadtrippern. In 26 Minuten tankt der Taycan knapp 40 kWh nach - zu einem Preis von 15,45 Euro. Eine volle Ladung würde demnach rund 35 Euro kosten - jedoch auch nur für kaum mehr als 300 Kilometer reichen. Günstig ist das elektrische Tanken nicht.
Es geht mit prall geladenem Batteriepaket nach ein paar Kilometern über die Grenze zu Slowenien und auf perfekten Autobahnen mit reichlich Tempomateinsatz und Tempo 130 Richtung Zagreb zum Hotel Esplanade. Das Hotel hat sogar einen Porsche-Charger. Der leistet zwar nur elf Kilowatt, ist aber kostenlos in der knapp 300 Euro teuren Hotelübernachtung enthalten. Endlich wird die Ladelaune besser und es keimt die Erkenntnis, dass der Porsche Taycan ein klasse Langstreckenfahrzeug ist - wenn man nur nicht andauernd nachladen müsste. Dass die Reise statt der üblichen viereinhalb letztlich siebeneinhalb Stunden dauert, bringt einen vor dem Einschlafen zum Grübeln: So schnell ging es mit dem VW Käfer in den 60er Jahren ebenfalls gen Jugoslawien. Nur nicht so bequem und ohne Bildschirm.
Nach Terminen am nächsten Morgen geht es sich mit 100 Prozent Power im Tank und einer avisierten Reichweite von 365 Kilometern am Mittag zurück. Mit entsprechendem Lerneffekt ist der Hypercharger in Villach auf der Rückfahrt gesetzt. Wieder klappen die Grenzübertritte problemlos und der Billa-Supermarkt freut sich bereits auf den Abstecher. Bei einem Durchschnittstempo von 92 km/h verbraucht der Taycan durchschnittlich 26,6 kWh/100 km. Wieder hakt die Ladeklappe und öffnet sich erst nach Minuten und engagiertem Zureden nebst Kunststoffmassage. Als sie freigibt, saugt sich das Lithium-Ionen-Batteriepaket (Akkustand: 38 Prozent) endlich einmal engagierter voll - zunächst immerhin mit etwas mehr als 200 kW. Als der Akku auf fast 80 Prozent erstarkt ist, fährt die Ladeleistung wieder auf unter 100 Kilowatt herunter und sorgt so für hängende Schultern und die steigende Lust weiterzufahren.
Die Ladepausen sind nicht nur zu Corona-Zeiten nervig und man muss sich von so mancher Reisegewohnheit verabschieden
Die Navigation schlägt nach zwischenzeitlichem Schneeeinbruch eine Ladesäule an der A12 südlich von Salzburg vor. Doch an sich müsste es auch bis zum Schnelllader nach Bernau am Chiemsee reichen. Dafür muss man die aufgehobene Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutscher Seite vergessen und nicht viel mehr als Tempo 120 auf der A8 fahren. Sonst gibt es kein Rückfallszenario, wenn es in Bernau mit dem Nachladen nicht klappen sollte. Doch letztlich kommt der blaue Porsche nahe der benachbarten Shell-Tanksäulen im düsteren Regen problemlos an. Keine Chance, mit der Tankfüllung zurück nach München zu kommen. Und so musste der Zwischenstopp in Bernau sein, wo wieder sonst niemandr nachlädt. Der Akkustand liegt bei 15 Prozent und als der Stecker des Hyperchargers endlich sitzt, saugt sich der Elektro-Porsche mit 9,5 Kilometern pro Minute voll. Etwas sehnsüchtig bleibt der Blick in den Rückspiegel, wo im fahlen Licht der LED-Deckenleuchten der Shell-Tanke PKW mit Verbrenner nach einem Stopp von drei bis fünf Minuten wieder Richtung A8 durchstarten.
Es sind noch 84 Kilometer zurück nach Hause, wo man um 19:45 Uhr mit einer Akkuladung von 63 Prozent ankommen soll. Als der Akku genügend Power für die finale Etappe nach München und die erste am nachfolgenden Morgen hat, geht es weiter. München wird nach mehr als sechs Stunden erreicht.
Was zeigt nun dieser Roadtrip? Der Porsche Taycan ist ein bequemes und wenn gewünscht schnelles Reiseauto, mit dem jeder Kilometer wirklich Laune macht. Doch wer längere Strecken fährt, für den sind selbst mit anhaltenden Tempolimits nicht viel mehr als 300 Kilometer Reichweite drin. Die Ladepausen sind nicht nur zu Corona-Zeiten nervig und man muss sich von der Reisegewohnheit verabschieden, dass man einfach einsteigt und munter ans Ziel fährt ohne viel nachzudenken. Ein oder mehrere Pausen sind gesetzt und die Ladesäulen stehen gerade an Autobahnen oft an düsteren Ecken ohne Bewirtung und jede Überdachung. Und wer meint, dass er mit einem Elektroauto Geld sparen kann, der irrt. Denn unterm Strich kommt man für das gleiche Geld an der Zapfsäule mit einem Verbrenner etwas und mit einem Diesel sehr deutlich weiter. Daher sollten sich Langstreckenfahrer überlegen, ob sie den Schritt ins Elektrozeitalter wagen. Wer viel Zeit hat, ohnehin nicht gerne schnell fährt, im Geiste ein Pfadfinder ist und gerne einmal eine Pause mehr anlegt, ist mit einem Elektroauto allerdings bestens bedient.
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