Die Freude war groß am Abend vor der Detroit Auto Show: Mit 3 zu 1 bezwangen Detroits Red Wings die Buffalo Sabres beim Eishockey. In den letzten zwei Minuten brachten zwei Treffer die Entscheidung. Die Stimmung im Stadium war wie immer fantastisch und ließ viele Fans für kurze Zeit vergessen, dass es jenseits des Eises gar nicht gut läuft in "Motown".
Als Tags darauf General Motors seine vierrädrigen Messestars durchs Spalier "Rally" in die Ausstellungshalle fahren lässt, werden sie ebenfalls bejubelt – von GM-Mitarbeitern. Männer, Frauen und Kinder halten Schilder hoch mit Sprüchen wie "Wir bleiben hier", "Wir sind elektrisch" oder "40 Meilen pro Gallone". Sie hoffen, dass ihr Arbeitgeber noch rechtzeitig das Spiel drehen kann und mit neuen Autos wie Phoenix aus der Asche aufsteigt.
Der Konzern hatte viele seiner Mitarbeiter ermuntert, die Messe zu besuchen - und gleich die passenden Schilder mitgeliefert. Auch Dave Parisot ist mit seiner Tochter zur Show gekommen. Bei GM Powertrain in Ypsilanti, Michigan, baut Dave Getriebe zusammen. Als er im Fernsehen verfolgte, wie die Bosse der "Big Three" bei der Senatsanhörung wie Schuljungen zerpflückt wurden, verstand er die Welt nicht mehr: "Was ist da nur falsch gelaufen in den letzen Jahren?" fragt sich Dave: "Aber noch sind wir da. Die Leute wollen einfach wieder ganz normal an ihre Arbeit gehen."
Auch neue Autos würden sie gerne kaufen - doch da beginnen die Probleme: "Auto, Hypothek, Versicherungen – man kann ja nicht alles auf einmal abbezahlen", klagt Dave. Den Chevrolet Volt sieht er mit gedämpfter Begeisterung. Das Auto sei schick und eine gute Investition in GMs Zukunft - aber er selbst sei schon immer Camaro-Fan gewesen. In der heimischen Auffahrt parkt ein 80er Modell. Und auch für Pickups gebe es nun einmal nach wie vor starken Bedarf – was solle "Joe the Plumber" denn sonst fahren? "GM baut großartige Autos", stimmt Daves Tochter mit ein.
Auch John Scott und sein Sohn haben den Chevrolet Cruze, Cadillac Converj oder den neuen Equinox auf deren Fahrt zum Messestand angefeuert. John verkauft bei GM Ersatzteile und Zubehör. "Wir wurden auf die Messe eingeladen - doch der Jubel war ehrlich und spontan. Unsere Autos sprechen für sich selbst", zeigt er sich felsenfest überzeugt.
Am Willen fehlt es nicht
Mangelnden guten Willen kann man GM nicht unterstellen. Neben dem Volt zeigt der elegante Cadillac Converj Concept, wie sich die Amerikaner einen elektrischen Luxus-Gleiter vorstellen. Der viertürige Winzling Spark, basierend auf der altbekannten Studie Chevrolet Beat, soll ab 2010 weltweit verkauft werden und 2011 in die USA kommen.
Unter den vor einem Jahr präsentierten Konzept-Studien Beat, Trax und Groove hätten sich bei einer Umfrage mehr als zwei Millionen Menschen für den Beat entschieden, sagt Troy Clarke, Chef von GM North America. Nun soll er als Spark vom Band laufen. Doch die weltweite Konkurrenz für den City-Zwerg ist enorm: Vor allem bei japanischen Herstellern können bei Kleinstwagen aus dem Vollen schöpfen.
Und konventionelle Antriebe spielen nach wie vor die Hauptrolle in GMs Modellpalette. Das Thema "Fuel Economy" hat zwar eine wachsende Rolle im Bewusstsein der amerikanischen Autokäufer - aber bei Spritpreisen wieder weit unter zwei Dollar pro Gallone hält sich die Attraktivität eines Elektroautos noch in engen Grenzen.
Das Ziel heißt Überleben
Immerhin bekommt der kompakte Chevrolet Cruze einen sparsamen Vierzylinder-Turbomotor spendiert, der neben Benzin auch E85 tanken kann. Das überarbeitete SUV Equinox soll 25 Prozent weniger Sprit verbrauchen als der Vorgänger. GM erwartet, dass mehr als zwei Drittel aller Käufer als Basismotor den 2,4-Liter Vierzylinder mit 182 PS wählen.
Chevrolet will außerdem ab 2011 den Orlando bauen, einen Siebensitzer auf Basis des Cruze. Viel versprechen sich die Amerikaner vom Buick LaCrosse. Die große Luxuslimousine hat PS-starke V6-Motoren unter der Haube und soll nicht zuletzt in asiatischen Ländern Käufer gewinnen.
Wenn GM sein Loser-Image ablegen kann und in der Qualität sowie beim Service nachbessert – der ist nach Ansicht vieler US-Kunden ein Hauptgrund für fehlende Markentreue – könnte der Umschwung klappen. "Vergraben in all den Finanznachrichten der letzten Monate ist die Tatsache, dass wir in den vergangen Jahren enorme Fortschritte gemacht haben und Autos bauen, die Kunden wirklich wollen", sagte GM-Chef Rick Wagoner in Detroit. Und Ende 2008 waren es ausgerechnet Pick-ups, die dank starker Subventionierung wieder in der Käufergunst stiegen.
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