In den 80er Jahren flimmerte "Auf Achse" mit Manfred Krug über die Fernsehschirme und weckte bei vielen Jungs den Traum vom Fernfahrer-Job mit viel Trucker-Romantik. In der Realität stehen Brummifahrer heute mehr denn je unter Dauerstress. Von Romantik ist nicht mehr viel zu sehen. Doch wie fährt sich eigentlich so ein Monstrum, wenn man nur einen alten "Dreier"-Führerschein sein Eigen nennt und nie über 7,5-Tonner hinausgekommen ist? Um eine Ahnung davon zu bekommen, haben wir auf einer abgesperrten Strecke ein paar Runden mit dem Mercedes-Benz Actros 1851 gedreht – über 16 Meter lang und mit Auflieger 40 Tonnen schwer.
Der erste Einruck: Unbequem haben es die Könige der Landstraße nicht gerade. Der stark gefederte Sitz ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber sehr gemütlich. Vom Entertainment-System über eine halbwegs komfortable Schlafkoje bis hin zu sagenhaft großen Staufächern ist im Actros alles an Bord, was das Leben "on the road" erträglicher macht.
Das Fahren selbst wirkt dank moderner Elektronik verblüffend einfach. Das Beschwerlichste ist der Einstieg in die hoch über dem Asphalt thronende Fahrerkabine - danach geht alles butterweich. Mit einem Hebel entriegelt man die Handbremse, dreht den Zündschlüssel um, stellt den Automatikhebel auf "A" und los geht’s. Der 510 PS starke V8-Bluetec-Dieselmotor meldet sich mit einem kraftvollen Brummeln dienstbereit. Fast ruckfrei fährt der Brummi an, das Zwölfganggetriebe wechselt mit spürbaren Unterbrechungen die Gänge.
16 Liter Hubraum und 2400 Newtonmeter
Der Drehzahlmesser reicht nur bis 2900 Touren, doch schon bei weit weniger geht es im Actros kraftvoll voran. Kein Wunder – mit 15,9 Litern Hubraum und einem maximalen Drehmoment von 2400 Newtonmetern ist der Riesen-Benz nicht auf hohe Drehzahlen angewiesen.
Im Vergleich zum leichteren Axor ist der große Actros behäbiger - bei Vollgas darf man mit 40 Tonnen im Rücken natürlich nicht zuviel erwarten. Die Lenkung lässt sich dafür spielend leicht bedienen. Um das Tempo zu reduzieren, setzt man häufig den Retarder ein, eine verschleißfreie hydraulische Bremse. Trotz des enormen Gewichts sowie Starrachsen vorn und hinten lässt sich der Brummi präziser durch die Kurven zirkeln, als man sich das vielleicht als PKW-Fahrer vorstellen würde.
"Beim LKW-Fahren muss man ständig schauen, was der Auflieger macht", sagt Richard Schneider von der Mercedes Nutzfahrzeug-Erprobung. Immer mit Spiegeln fahren, lautet denn auch das oberste Gebot. Der Actros hat sieben Stück davon, mit denen man eine Rundumsicht um die Fahrerkabine hat. Ein Auto damit zu übersehen, dürfte schwer fallen.
Mehr Verständnis bekommt man nach ein paar Runden am Brummi-Volant allerdings für das Verhalten von LKW-Fahrern in Baustellen: Es gehört sicher eine Menge Augenmaß dazu, ein derart breites Trumm sicher an den fantasievoll arrangierten Absperrungen deutscher Autobahnbaustellen vorbei zu mogeln. Da sollte man als gestresster Autofahrer einfach mal die Kirche im Dorf lassen, wenn ein Laster etwas mehr Platz benötigt.
Beim Rangieren hört der Spaß auf
Moderne Brummis können mit einer Menge Sicherheitstechnik ausgerüstet werden. Würde sich die Politik mit ebensolcher Inbrunst für die Verpflichtung solcher Helfer einsetzen wie für höhere Bußgelder, ließen sich wohl eine Menge Horror-Crashs mit LKW vermeiden.
ESP ist bei vielen modernen LKW ebenso an Bord wie ein Abstandstempomat oder ein Spurwechselwarner, der ab 60 km/h die Fahrstreifen beobachtet. Verlässt der Fahrer ohne zu blinken seine Fahrspur, weil er zum Beispiel eingenickt ist, schrillt ein Warnton durchs Cockpit. Das Tempo der Laster ist elektronisch auf 89 km/h begrenzt. Wäre der Actros nicht abgeregelt, würde er wahrscheinlich problemlos Tempo 120 schaffen.
So simpel sich ein 40-Tonner im Prinzip auch fährt – beim Rangieren zerplatzt ganz schnell die Illusion, man könne sich als PKW-Fahrer mal eben auf den Brummi-Sessel schwingen. Jede falsche Lenkbewegung bestraft das mehr als 16 Meter lange Gespann gnadenlos - der Hänger steht immer so, wie man es eigentlich nicht erwartet hätte. Zwar gibt es auch beim Actros eine Rangierhilfe mit Abstandssensoren - doch die zentimetergenaue Kurbelarbeit kann das System einem nicht abnehmen.
Ebenso wenig wie den Termindruck im Nacken, drängelnde PKW oder die vielen Sicherheits- und Beladevorschriften. "Man macht sich kaum Vorstellungen davon, wie anspruchsvoll der Beruf des Kraftfahrers manchmal ist", sagt LKW-Experte Richard Schneider. Umso schlimmer, dass Aushilfs-Fahrer mit wenig Erfahrung oder ausländische LKW in manchmal haarsträubendem Zustand immer öfter die Straßen unsicher machen.
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