In Zeiten deftiger Kraftstoffpreise dreht sich bei den Autoherstellern fast alles um das Thema alternative Antriebe. Dabei sind Sparversionen, Hybridmodelle und Elektroantriebe für viele nur ein kleiner Zwischenschritt der Evolution. Nicht nur die deutschen Hersteller setzen langfristig auf Wasserstoff als Lebenselixier für den automobilen Vortrieb. Erprobungen und Laborversuche laufen seit Jahren auf Hochtouren.
Seit 1994 hat Mercedes mehr als 100 Technologieträger mit Wasserstoffantrieb auf die Straße gebracht, darunter weltweit 60 A-Klassen. In einer Kleinserie will Mercedes ab 2010 auch die neue B-Klasse mit Wasserstoffantrieb in Kundenhände bringen.
Die Tanks, die in deren doppeltem Sandwichboden versteckt sind, fassen vier Kilogramm Wasserstoff – das reicht für bis zu 400 Kilometer. Der Druck in den Tanks ist mit 700 bar gewaltig. Statt Schadstoffen und Abgasen kommt aus dem Auspuff des Prototypen dafür allerdings auch nichts als heiße Luft.
Bevor die neue B-Klasse mit der Brennstoffzelle die Serienfreigabe bekommt, sind noch ein paar letzte Hürden zu nehmen. Ein zentraler Punkt ist das Kaltstartverhalten. Bei Benzinern und Diesel eine Alltäglichkeit, hat die Brennstoffzelle Probleme mit Temperaturen unter null Grad Celsius. Reste von Wasserstoff im System würden zu einem Ausfall der Zelle führen. Daher haben die Entwickler eine Lüftung entwickelt, die die Leistungen nach dem Abstellen des Fahrzeugs rückstandslos ausbläst.
Unter der Motorhaube des getarnten B-Modells befinden sich die Komponenten von Antrieb und Elektronik. Die Brennstoffzelle als Quelle des nahezu lautlosen Vortriebs befindet sich versteckt unter den Vordersitzen. Sie wird gespeist von einem flachen, 45 Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Akku, der sich flach im Kofferraum ausgebreitet hat.
Kilometerfresser
Wer die Heckklappe des Prototypen öffnet, blickt auf eine Armada von Messinstrumenten und Computern. Sie sorgen dafür, dass jeder Meter der Testfahrten nachvollziehbar ist. Schließlich steckt der Brennstoffzellenantrieb nach wie vor in den Kinderschuhen.
"Unsere Erprobungsfahrzeuge haben in den vergangenen Jahren mehr als vier Millionen Kilometer zurück gelegt", erläutert Jürgen Friedrich aus dem Daimler-Entwicklungsteam der Brennstoffzelle. "Besonders wichtig waren dabei unsere Modelle F-Cell und F600. Die Systeme bei den ersten Entwicklungsträgern laufen länger und besser als erwartet. Mit der neuen Generation rechnen wir durchschnittlich mit 2.000 Betriebsstunden und Laufleistungen von bis zu 300.000 Kilometern.“
Von außen macht die schwarze B-Klasse mit dem Böblinger Kennzeichen einen unscheinbaren Eindruck. Die dunklen Klebestreifen sorgen hier im nordschwedischen Arjeplog sowieso für keinerlei Aufsehen. Auf den verschneiten Straßen fahren zwischen Januar und Ende März mehr bis zur Unkenntlichkeit vermummte Prototypen als normale Autos. Zwischen Arvidsjaur und Arjeplog sind die meisten Autohersteller mit geheimnisvollen Prototypen unterwegs mit ihren Wintertests.
Schwarz und lautlos
Da macht Mercedes mit seiner neuen Saubermann-B-Klasse keine Ausnahme. Bernd Löper leitet das Brennstoffzellenprojekt im Hause Mercedes: "Derzeit gibt es von der neuen B-Klassen-Brennstoffzelle drei Prototypen. Mit diesen führen wir hier Fahrtests, Kaltstarts und Systemtests durch. Es geht auch um Regelsysteme, Getriebe und Abstimmung."
Die Maximalleistung der Brennstoffzelle liegt bei 100 kW – umgerechnet 136 PS. Das reicht für bis zu 170 km/h. Im Dauerbetrieb stehen immerhin 70 Kilowatt zur Verfügung. Mit einem Leergewicht von rund 1,6 Tonnen ist die Brennstoffzellen-B-Klasse 300 Kilogramm schwerer als die Serienfahrzeuge. Im nahezu lautlosen Fahrbetrieb bewegt sich der dunkle Prototyp unspektakulärer denn je und fährt ohne jegliche Abgase.
Denn auch wenn die B-Klasse auf den ersten Blick so aussieht wie eine gewöhnliche Serienversion: Mit den benzin- oder dieselbetriebenen Fahrzeugen auf den Straßen hat das Fahrzeug mit der internen Projektnummer "T 245 CH 2" nichts zu tun.
Zum Starten auf dem streng bewachten Testgelände reicht es dann auch nicht, dass die Entwickler einfach nur den Schlüssel herumdrehen. Eine ganze Horde mit Notebooks bewaffneten Ingenieuren ist nötig, um den Prototypen nach eiskalter Nacht zu neuem Leben zu erwecken.
Je kälter, je lieber
"Schade, dass es heute morgen nicht so kalt ist wie gestern. Da hatten wir minus 17 Grad Celsius", erzählt Löper. Er ist zufrieden. Zwar musste gestern Abend eine Antriebseinheit getauscht werden, doch nach drei Stunden war alles erledigt.
Dem Thema Kaltstart kommt bei der Brennstoffzellenentwicklung eine zentrale Bedeutung zu. Konnten die ersten Prototypen nur bei Temperaturen von über null Grad Celsius gestartet werden, so sieht es bei der neuen Generation besser aus. „Wir wollen auch bei Temperaturen von bis zu minus 25 Grad Celsius starten können", sagt Jürgen Friedrich.
Als es mit den morgendlichen Testfahrten losgehen soll, winkt einer der Entwickler mit einem gerade noch fertig gewordenen Software-Update. Hier im Entwicklungszentrum am Ortsausgang von Arjeplog sind die Wege kurz und das Engagement groß. In einer roten Holzbaracke wird sechs Tage in der Woche getüftelt und gebastelt. Gibt es Verbesserungen bei Antrieb oder Regelsystemen wie ESP oder ABS werden diese in minutenschnelle ins Fahrzeug gebracht. Die Zukunft ist nah, hier oben im eisigen Norden.
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