Eine Messe ist auch dazu da, eine Branche zu feiern. In Japan funktioniert das derzeit besonders gut. Designer und Ingenieure haben bei den asiatischen Autoherstellern ein anderes Leben als in Europa. Dabei sind nicht die täglichen Megastaus in der Innenstadt von Tokio, Osaka oder Hiroshima gemeint. Oder die handvoll Urlaubstage, die zudem niemals ausgeschöpft werden. Nein: In Japan darf man noch Ideen haben und damit spielen. Das zeigt die 40. Tokio Motor Show mit Nachdruck.
Sicher, die Technologie ist wichtig. Und alternative Antriebe sind natürlich längst ein Thema. Doch in Nippon darf man darüber hinaus träumen - und manche Träume werden sogar Realität. Wenn in den nächsten zwei Wochen rund 1,5 Millionen Besucher das Messezentrum besuchen, dann geht es dort nicht nur ums Auto. Es geht auch um Mobilität, Freizeit, Spaß an der Freude und ein gutes Stück japanisches Lebensgefühl.
Nur so ist es zu erklären, dass Klassenprimus Toyota sich bei seiner Heimmesse weitgehend auf Studien beschränkt. Allen voran zu nennen ist da der Toyota RiN, der mehr an ein Teehaus oder einen Tempel denn an einen fahrbaren Untersatz erinnert. Nicht viel ernsthafter ist der Nissan Pivo2 zu nehmen. Eine knuffig-rundliche Knutschkugel, die zumindest optisch an die in Tokio allseits beliebten Love-Hotels der jungen Paare erinnert. Dem Designer eines europäischen Autoherstellers wäre in der Montagmorgenrunde nach der Vorstellung eines solchen Vehikels wohl der Konsum von Betäubungsmitteln vorgeworfen worden.
Das sieht im Land des Lächelns weitgehend anders aus. Die Studien sind wichtig – viel wichtiger als die Serienmodelle. Die gibt es zwar auch auf der Motor Show. Der sehenswerte Lexus LF-Xh etwa gibt einen präzisen Ausblick auf die nächste Generation des Lexus RX. Nur ein paar Meter weiter glänzt der Messeevergreen Lexus LF-A. Er dürfte in knapp zwei Jahren dem supersportlichen Nissan Skyline GT-R, dem 480 PS starken Star der Tokio Motor Show, folgen und die Porsche 911 dieser Welt jagen.
Spieltrieb
Was muss es für das Mazda-Designteam rund um Laurens van den Acker ein tolles Gefühl gewesen sein, eine automobile Skulptur wie den Taiki zu erschaffen. Er ist in kurzer Folge das vierte Modell aus der "natural" angehauchten Nagare-Reihe. Kein Zweifel, dass Mazda beizeiten auch unterhalb des RX-8 einen waschechten Sportwagen kreieren wird – natürlich mit Kreiskolbenmotor und Heckantrieb. Vielleicht sogar bereits mit einem Wasserstoff-Hybridantrieb wie ihn auf der Messe der eher schmucklose Mazda 5 Hydrogen RE Hybrid hat.
Die Tokio Motor Show lädt zum Träumen ein. Das Träumen von einer automobilen Welt, in der man sich mit Staus und Energieproblemen arrangiert hat. Ist man einmal nicht gut drauf, macht der Bordcomputer mit einem spaßige Spiele. Und im schlimmsten Fall gibt es sogar asiatisches Karaoke an Bord. Zumindest das sollte einen wieder auf den Boden der Realität zurückbringen.
Doch an der nächsten Ecke bricht dann wieder der Spieltrieb der Designer durch. Toyota und Suzuki etwa zeigen auf der Motor Show einmal mehr ihre fahrbaren nSessel - eine Symbiose aus C1-Roller und Vollvisierversion des Segway. Ob man sich in den überfüllten Großstädten der Zukunft so fortbewegen muss – man hoffentlich nicht.
Aber Träumereien sind eben erlaubt und ein großer Vorteil. Das Auto ist ein wichtiger Bestandteil des japanischen Alltags. Darüber meckert in Tokio - trotz Verkehrschaos und endlosen Citystaus - nicht einmal der betagte Taxifahrer, der seinen kantigen Toyota Cedric mit weißen Handschuhen durch die engen Gassen chauffiert. Auch er träumt gerne vom Auto der Zukunft – würde aber seinen mit Häkeldeckchen verzierten Wagen nur ungern abgeben. Aber ein Hybrid - das wäre schon was. Nur eines bitte um keinen Preis: ein Diesel.
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