Kurz & bündig
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[+] Sehr stabil und berechenbar bei hohen Geschwindigkeiten, viel Platz, verschiebbare Rückbank |
[-] Überfrachtetes Lenkrad, lange Aufpreisliste, mäßig übersichtlich |
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Der Antritt des Porsche Cayenne Turbo bei der Autobahnauffahrt ist mehr als heftig. Kickdown - unmerklich schaltet die Achtgangautomatik nach unten und auf einmal tritt einem der 404 kW/550 Turbo-Achtzylinder mit einer Vehemenz ins Kreuz, dass einem fast Hören und Sehen vergeht. Nach 4,1 Sekunden flitzt die Tachonadel an der 100 km/h-Marke vorbei und bis zu 286 km/h fliegt der Cayenne weiter. Nur wenige Augenblicke später zeigen die Geschwindigkeitsdioden die magische Zahl an: 300 km/h. Echt jetzt? Unglaublich, wie entspannt und stabil sich der Cayenne auf der leeren Autobahn in diese Sportwagensphären schraubt. Das immerhin 2.175 Kilogramm schwere und 4,93 Meter lange SUV feuert mit einer Selbstverständlichkeit über den Asphalt, als sei man mit 140 km/h unterwegs wäre.
Das liegt an der steiferen Karosserie, die dank Materialmischbauweise 65 Kilogramm leichter ist als der Vorgänger (trotz mehr Ausstattung), an den neu entwickelten Achsen und der aktiven Aerodynamik inklusive beweglicher Klappen im Frontspoiler, die sich der jeweiligen Fahrsituation und dem Fahrprogramm anpasst. Bei sportlicher Fahrweise öffnen sich die vorderen Pforten, um den Motor zu kühlen, während sich der Flügel jenseits der 160 km/h um 20 Millimeter nach oben stellt. Beim Fahrprogramm "Sport Plus", schnellt die Theke 40 Millimeter in die Höhe und drückt die Hinterräder noch mehr auf den Asphalt. Der Spoiler funktioniert auch als Luftbremse, richtet sich maximal auf und verringert den Weg bei einer Vollbremsung bei 250 km/h um zwei Meter.
Doch ein Porsche Cayenne definiert sich nicht nur über das Geradeausbolzen, das können andere auch, sondern über die Agilität. Da hat der Vorgänger die Messlatte schon ziemlich hoch gelegt. Um es gleich vorneweg zu sagen: Der neue Cayenne, der sich mit dem Audi Q7 und dem Bentley Bentayga die Plattform teilt, macht es besser, ist spitzer und agiler als bisher. "Wir nutzen die Konzernplattform und machen einen Porsche daraus", sagt Bremsenentwickler Matthias Leber.
Schaltet man das SUV mit dem Sport Plus-Modus scharf, verleiht der Porsche seinen Namen alle Ehre und zirkelt mit einer Präzision um die Ecken, die bei derart großen und schweren Crossovern ihresgleichen sucht. Die Lenkung ist exakt und meldet pflichtschuldig, wie es um das Verhältnis zwischen Reifen und Asphalt steht. Die Hinterachslenkung verkürzt virtuell den Radstand und erhöht so die Agilität. Dazu kommt noch das maximale Drehmoment von 770 Newtonmetern, das dem Cayenne Turbo den extra Schuss Souveränität gibt. Die elektronische Wankstabilisierung (kommt auch vom Audi SQ7 TDI und dem Bentley Bentayga) verfeinert das Ganze noch und hält die Karosserie auch bei engen, schnellgenommenen Kurven waagrecht.
Die Kehrseite der Zuffenhausener Multimedia-Beschleunigung zeigt sich am überfrachteten Lenkrad
Bei so viel Fahrspaß ist es nur schwer vorstellbar, dass irgendjemand den Normverbrauch von 11,9 Litern pro 100 Kilometer erreicht. Doch der Cayenne kann auch anders: Wählt man den Fahrmodus "Komfort" mutiert der Kraftbolzen zum Langstreckenfahrzeug, das aber seine dynamische Natur nicht ganz verleugnen kann.
Beim Infotainment legt sich Porsche mächtig ins Zeug. Noch vor ein paar Jahren blickten Porsche-Fahrer auf einen kleinen Bildschirm und die Konnektivität bestand nur aus einer Bluetooth-Verbindung mit dem Handy. Die Zeiten sind längst vorbei: Ein 12,3 Zoll Touchscreen ist die Kommunikationszentrale und auch die Rundinstrumente sind digital und frei konfigurierbar. Lediglich der - natürlich zentrale - Drehzahlmesser ist analog. Schließlich sitzen wir immer noch in einem Porsche. Die Kehrseite der Zuffenhausener Multimedia-Beschleunigung zeigt sich am überfrachteten Lenkrad. Drei Hebel und jede Menge Tasten in Bedienfeldern, die sich auf gleichem Höhenniveau befinden, also nur schwer ertastet werden können und mit teilweise kryptischen Symbolen belegt sind. Nach einer Eingewöhnungszeit kommt man auch damit klar - aber das machen andere besser. Bei der Vernetzung ist Porsche vorne dabei: Ergebnisse von Hotelsuchen inklusive Yelp-Bewertungen oder freie Parkhäuser inklusive eines Fotos der Einfahrt machen das Leben leichter.
Aber auch bei den klassischen Eigenschaften eines Automobils punktet der Cayenne. Im Fond ist dank der um 16 Zentimeter verschiebbaren Rücksitzbank genug Platz, um es sich bequem zu machen, zumal sich auch die Lehnen bis zu einem Winkel von 29 Grad verstellen lassen. Dank der Dreikammer-Luftfedern ist es auch um den Komfort gut bestellt und der Kofferraum hat beim Turbo ein Fassungsvermögen von 745 bis 1.680 Litern (sonstige Modelle 770 und 1.710 Liter). Damit ist der Cayenne im Grunde der beste Kombi aller Porsches. Sorry, Panamera Sport Turismo. Allerdings entsteht beim Umlegen der Rückenlehnen eine Stufe.
Zudem ist der Preis für so viel Spaß porschetypisch nicht ganz günstig. Unter 138.850 Euro geht beim Porsche Cayenne Turbo gar nichts und bei den Extras langen die Zuffenhausener auch nochmal hin: Das gute Matrix-LED-Licht kostet zum Beispiel 1.059,10 Euro, die Hinterachslenkung 2.046,80 Euro, der Spurwechselassistent 773,50 Euro und der adaptive Tempomat 1.701,70 Euro. Unterm Strich macht das für den gefahrenen und gut ausgestatteten Wagen 169.807,85 Euro. Los geht es beim Cayenne mit ausreichenden 340 PS bei 74.828 Euro. Auf einen Diesel müssen die Cayenne-Fans noch bis nächstes Jahr warten.
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