Kurz & bündig
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[+] Herausragende Fahrleistungen, sehr gutes hnd sicheres Fahrwerk, präzise Lenkung, hohe Alltagstauglichkeit, großzügige Platzverhältnisse, ausgezeichnete Verarbeitung |
[-] Hoher Verbrauch, teure Extras, teuer in der Verarbeitung |
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Die Kunden von AMG & Co. bezahlen viel Geld - und wollen dafür mehr als nur sportliche Exklusivität. Soe wollen den Wolf im Schafspelz. Einen, der sein exklusives Leder innen trägt und in der Karosse einer gewöhnlichen E-Klasse allen anderen um die Ohren donnern kann. Da Exklusivität auch sichtbar werden muß, legt AMG besonderen Wert darauf, dass jedes einzelne Triebwerk von einem einzigen Monteur gefertigt wurde. Das Kraftwerk unseres Testwagens, so weist eine matt schimmernde Plakette auf dem Triebwerk aus, wurde von Stefan Wenger montiert. Und er hat einen guten Job gemacht.
Unter Namenstafel, Ansaugtrakt und Zylinderbänken brummeln bereits im Stand 525 PS hungrig vor sich hin. Überhaupt hat es das aktuelle Topmodell der ansonsten wenig aufdringlichen E-Klasse nicht so mit der gewohnten AMG-Zurückhaltung. Nicht nur der matte Champagnerlack, die 19-Zöller und die verbreiterte Spur sorgen dafür, dass kein Zweifel bleibt, wer da grummelt. Auch die vierflutige Auspuffanlage macht ihn nicht verwechselbar mit zum Beispiel einem zahmen E 220 CDI.
Das Fahrverhalten des E 63 muss den Vergleich mit dem BMW M5 oder einem Jaguar XF R keineswegs scheuen. Er kann viel mehr als nur schnell geradeaus donnern. Einlenkverhalten, Kurvenbremsen, geringe Wankneigung und souveränes Herausbeschleunigen aus engen Kehren – hier zeigt der E 63 AMG sein ganzes Potenzial. Allein bei der Gewichtsverteilung gibt es nicht die gleichen hohen Vorgaben wie im Hause BMW. Der 63er hat deutlich mehr Last auf der Vorderachse, was sich im Grenzbereich nur schwer überspielen lässt.
Schwänzeln oder schieben
Seine Fahrleistungen sind schlicht grandios. Von 0 auf 100 km/h in 4,5 Sekunden sind absolutes Sportwagenniveau - selbst der Porsche 911 Carrera 4S braucht einen Hauch länger. Trotzdem reist man mit dem Affalterbacher lässig. Die elektronischen Dämpfer lassen sich ganz nach Untergrund justieren und so der Gangart und den Stimmungen des Piloten anpassen.
Die wahren Freudenbringer finden sich auf dem Mitteltunnel, fein säuberlich zum Fahrer hin gedreht. Dort kann man seinem Spieltrieb durch Drücken und Drehen der Schalter freien Lauf lassen. Bei den Fahrprogrammen gibt es die vier Stufen C, Sport, Sport Plus und manuell. Ein Stück weiter unten kann der Fahrer eine Taste mit verschiedenen Modi frei belegen. Ein Druck auf das rot hinterlegte AMG-Logo - und der Viertürer stellt sich in Sekundenbruchteilen entsprechend um, schwänzelt mit dem Heck oder schiebt noch brachialer an.
Im Innenraum halten sich die Unterschiede zwischen dem E 63 und einem gewöhnlichen E 350 überraschend zurück. Gefallen können die offenporigen Holzintarsien und die perfekt geschnittenen Sportsitze, die in Kurven nicht nur die Seitenwangen aufblasen, sondern je nach Umgebungstemperatur und Neigung heizen, kühlen, unterstützen und entspannen.
Gebremste Kraft
Das Cockpit zeigt sich gewohnt aufgeräumt mit seinen fünf Runduhren, bei denen nur die überdimensionale Analoguhr nicht so recht ins Bild passt. Gewöhnen sollten sich alle Insassen an die nervigen Warngeräusche der Assistenzsysteme, wenn es im fließenden Verkehr schon einmal etwas knapper zur Sache geht.
Die Fahrprogramme C und Sport sind etwas für alle Tage. Doch so richtig geht die Post ab bei der Einstellung Sport Plus. Der Achtzylinder brüllt und presst mit seinen 525 PS bis zu 630 Nm an die Kurbelwelle.
Ist der Untergrund wellig oder die Piste verdreckt, träumt der Pilot kurzzeitig von einem variablen Allradantrieb. Die Leistungsausbrüche bringen den 63er an seine Grenzen. Die sind auch bei einer Vollgaspassage auf der Autobahn viel schneller erreicht als erwartet. Knapp unterhalb der 260-km/h-Marke wird der über 1,8 Tonnen schwere Schabe automatisch eingebremst. Bitter, dass die AMG-Strategen die stärkste E-Klasse aller Zeiten nicht mehr von der Leine lassen als einen ganz normalen 350er. Erst gegen Aufpreis und nach einem sportlichen Trainingsprogramm für den Fahrer lässt Mercedes sein bestes Stück bis Tempo 300 von der Leine.
Controlled Durst
Im Gegensatz zum SLS AMG läuft die Kraftübertragung beim E 63 AMG nicht via elektronischer Doppelkupplung, sondern über eine gewöhnliche Siebengang-Automatik. Ebenso komfortabel wie sportlich abgestimmt gibt diese auch bei härterer Gangart keinen Grund zur Klage. Das Getriebe besitzt statt des gewöhnlichen Drehmomentwandlers eine nasse Anfahrkupplung. Neben dem Automatikmodus kann der Pilot jederzeit manuell über Lenkradpaddel in den Schaltvorgang eingreifen. Im manuellen Modus ermöglicht das automatisierte Sportgetriebe Schaltvorgänge in rund 100 Millisekunden. Die Bremsen arbeiten vorzüglich. Wer will, ordert die optionalen Karbonbremsen.
Mercedes verspricht beim 63er einen Durchschnittsverbrauch von 12,6 Litern Super auf 100 Kilometern, realisiert durch das Fahrprogramm C, was für "Controlled Efficiency" steht. Die Automatik schaltet früh in den nächsten Gang und die Bremsenergie-Rückgewinnung tut ihr möglichstes, den Verbrauch zu senken.
Doch ein Brennraum von knapp über 6,2 Litern will nun mal gefüllt werden. So sehr man sich auch müht: Unter 14 Liter ist nichts zu machen. Wer die Leistung des Achtenders artgerecht ausnutzt, fährt locker oberhalb der 16-Liter-Marke. Stören wird dies keinen der Kunden - und auch nicht den Motorenbauer Stefan Wenger. Er wird um die Leistung und schließlich auch den Durst des von ihm montierten Kraftpaketes wissen. Und um den Preis des Mercedes E 63 AMG. Der kostet 105.791 Euro. Mindestens.
Wie entsteht ein Praxistest? Das erfahren Sie hier
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