Die Versuche, die britische Traditionsmarke Lotus wiederzubeleben sind ungezählt. Doch eines muss man den mittlerweile chinesischen Briten zugestehen: Sie geben nicht auf und hauen bei ihren Premieren mächtig auf den Putz. Gab es 2010 beim Pariser Automobilsalon eine komplett neue Fahrzeugpalette zu bestaunen, aus der letztlich doch nichts wurde, so präsentiert die einstige Leichtbaumarke mit dem Lotus Evija nun nichts weniger als den stärksten Seriensportwagen der Welt und den erste Hypersportler aus dem Vereinigten Königreich.
Der 4,46 Meter lange Evija (der Name steht für "der erste seiner Art") folgt damit einem Hypersportwagen wie dem Pininfarina Battista. Gerade einmal 1,12 Meter hoch ist das Design des knapp 1,7 Tonnen schweren Karbonrenners schlicht spektakulär. Die genauen Leistungsdaten für die Elektroflunder, deren Produktion auf 130 Fahrzeuge begrenzt ist, stehen noch nicht fest. Doch angetrieben wird er nach aktuellem Planungsstand von vier Elektromotoren, die eine gigantische Gesamtleistung von rund 2.000 PS und 1.700 Nm abliefern. Aus dem Stand geht es in drei Sekunden auf 100, in sechs Sekunden auf 200 und in neun Sekunden auf 300 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei 340 km/h liegen - dann wird abgeregelt.
Trotz dieser spektakulären Fahrleistungen soll die elektrische Reichweite bei stattlichen 400 Kilometern liegen. Und ist das 70-kWh-Akkupaket im Fahrzeugboden einmal leer, kann es in kürzester Zeit wieder aufgeladen werden - zumindest theoretisch. Denn Lotus hat das Paket aus Akkus und Ladeinfrastruktur von Williams entwickeln lassen und sich dabei der Hochgeschwindigkeitsladung aus der Rennserie Formel E bedient. Sollte an Ladesäulen künftig eine Stromversorgung mit 800 kW verfügbar sein, erstarkt der Lotus Evija damit in wenige Minuten. Mit der aktuell verfügbaren Maximaltechnik von 350 kW kommt er in zwölf Minuten auf 80 Prozent und in 18 Minuten auf seine volle Leistungsfähigkeit. Der CCS2-Ladestecker ist hinter einer belüfteten Klappe am Heck des Hypersportlers versteckt.
Der Lotus Evija präsentiert sich als das erste Straßenauto der Briten mit einem einteiligen Kohlefaser-Monocoque-Chassis. Die Kabine ist von den variabel einstellbaren Rennsitzen bis zum Multifunktionslenkrad wie aus einem GT-Rennwagen entliehen. So viel Hightech hat seinen Preis - wobei das wohl stärkste Serienauto nicht das teuerste sein soll. Derzeit kalkuliert Lotus mit einem Preis zwischen 1,5 und 2,0 Millionen Britischen Pfund. Wer eines der 130 Fahrzeuge reservieren will, die ab Ende 2020 produziert werden sollen, muss 250.000 Britische Pfund als Anzahlung leisten.
Lotus plant, seine Produktionskapazität von derzeit 2.000 auf 5.000 Fahrzeuge pro Jahr zu erhöhen
Dafür gibt es nicht nur einen Elektrosportler, der fahrdynamische Maßstäbe setzt, sondern auch eine maximale Individualisierung bietet. Denn bei Lacken und Dekorelementen soll es nach Design Direktor Russell Carr nicht bleiben: "Abzeichen im Intarsienstil ähneln dem, was im traditionellen Möbelbau verwendet wird, bei dem verschiedene Holzfarben eingelegt werden. Bei der Evija ist es wirklich Sache des Kunden, die Materialien und das Design zu wählen, die ihn ansprechen."
Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als wären am Lotus-Standort in Hethel endgültig die Lichter ausgegangen. Doch die Milliardeninvestitionen des chinesischen Geely Konzerns, der schon Volvo wiederbelebte, sich mit knapp zehn Prozent bei Daimler einkaufte und große Pläne mit Smart hat, will Lotus in den kommenden Jahren zu einem ernsthaften Konkurrenten für Porsche aufbauen.
Nach Aussagen von Lotus-CEO Phil Popham sollen in den kommenden Jahren große Summen in Lotus und besonders den Firmensitz im britischen Hethel investiert werden. In diesem Zusammenhang ist geplant, die Produktionskapazität von derzeit 2.000 auf 5.000 Fahrzeuge pro Jahr zu erhöhen. Mögliche Optionen sind zudem ein Ausbau des Standorts. Die Zahl der Ingenieure soll mit der anstehenden Werkserweiterung von 180 auf 500 Personen steigen. Zusammen mit der Produktionserweiterung soll die Attraktivität der Traditionsmarke nicht nur durch den Evija, sondern auch durch Volumenmodelle wie einen SUV und einen sportlichen GT erhöht werden.
|