Die Show des Nio-Gründers William Li hatte apple-eske Züge. Sobald der drahtige Mann eine Pause in seinem Vortag machte, hallten juchzende Jubel-Laute der sonst so zurückhaltenden Chinesen durch das Auditorium des Messestandes auf der Shanghai Auto Show. Dass die Beifallsbekundungen hauptsächlich von weiblichen Besuchern der Präsentation des Nio es8 kamen, mag auch an der schneidigen Figur und an Lis maßgeschneiderten Sakko gelegen haben. Denn der Hauptakteur des Tages, der Nio es8 tritt doch eher bescheiden auf.
Das Design des großen SUV hat nichts mit der frischen Unbekümmertheit der Studie Nio Eve oder der schnittigen Elektro-Flunder Nio ep9 gemein. Der siebensitzige, fast fünf Meter lange Crossover könnte genauso gut auf dem Präsentationsteller eines anderen chinesischen Auto-Schaulaufens stehen. "Ich hoffe, dass wir immer mental ein Start-Up bleiben. Etablierte Firmen altern. Das soll bei uns nicht so sein", sagt Nio-Mitgründer Lihong Qin.
Beim Design des es8 hat Kris Tomasson, der schon bei BMW und Ford die Design-Feder geschwungen hat, offenbar genau dieser Mut verlassen. Immerhin soll der es8 ab Anfang des nächsten Jahres zunächst in China und später in den USA für Umsätze sorgen.
Durch den ebenfalls recht dröge gezeichneten Innenraum weht aufgrund des großen iPad-ähnlichen Touchscreens ein Hauch von Tesla. Raum ist in dem SUV genug - bis zu sieben Personen sollen Platz finden. Über die Reichweite hat Nio noch keine Angaben gemacht. Aber um weltweit Erfolg zu haben, sollten es schon 500 Kilometer sein. Zwei E-Motoren - einer vorne, einer hinten - sorgen dem Vernehmen nach für angemessenen Vortrieb.
Gefertigt wird das Auto als Auftrag bei GAC, 300 Kilometer westlich von Shanghai. "Wir haben den Produktionsvorgang stets voll im Griff", verspricht Lihong Qin. Das ist eine mutige Ansage, immerhin ist Nio erst knapp zweieinhalb Jahre im Automobilgeschäft tätig. Zwar ist der Sportwagen ep9 vielversprechend, aber eine Serienproduktion von rund 20.000 Fahrzeugen zu organisieren, ist eine andere Hausnummer. Zumal nicht jeder chinesische Hersteller für extrem hohe Qualitätsstandards bekannt ist.
Das Geschäft will Nio in dem neuen Stil aufziehen, der einem Start-Up entspricht: Die Kundenbindung steht dabei im Mittelpunkt. "Der Autokauf funktioniert seit fast einem Jahrhundert nach dem gleichen Schema. Das wollen wir ändern", sagt Lihong Qin. Nio will den Vertrieb zusammen mit ausgewählten Partnern selbst organisieren und direkter gestalten. Wie genau, das bleibt noch offen. Genauso, warum der Nio-Manager das Wort "auffüllen" statt "aufladen" für die Akkus bevorzugt. "Es gibt verschiedene Arten, eine Batterie wieder einsatzbereit zu machen. Das Aufladen ist nur eine", meint Qin kryptisch.
Zum Nio-Geschäftsmodell und damit zum Auto gehören auch eine möglichst große Vernetzung und viele digitale Technologien, wie zum Beispiel Apps und laufende Updates derselben. Das der es8 Technologien des autonomen Fahrens an Bord hat, dürfte klar sein. Bleibt nur das etwas gewöhnliche Blechkleid.
Doch eine gute Nachricht gibt es für die Nio-Fans dann doch noch. Zehn Modelle des ep9 können zum Preis von 1,48 Millionen US-Dollar ab sofort geordert werden. Immerhin hat der E-Renner die Nordschleife in einer Rekordzeit von 7:05.12 Minuten umrundet.
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