Das Maskottchen steht in einem Glaskasten am Eingang der Halle auf dem Audi-Werksgelände: ein ausgestopfter Ziegenbock. Er wacht über einen Arbeitsbereich, in dem es um Fugen und um Lackschichten geht, um Bruchteile von Millimetern, Texturen und um Schattenwürfe. Hier sind - im guten Sinn - die Erbsenzähler von Audi zuhause. Neun Monate, bevor ein Auto wie der Audi A3 in Serie geht, bekommen hier die einzelnen Teile, aus denen sich schließlich Karosserie und Innenraum zusammenpuzzeln, ihren Feinschliff.
Dabei gibt es "den" Meisterbock nicht - aber eine ganze Reihe einzelner Konstruktionen für verschiedene Baugruppen eines Autos. Auf dem Außenmeisterblock etwa werden alle von außen sichtbaren Bauteile so aufeinander abgestimmt, dass sie passgenau zueinander stehen. Dazu werden Blechteile wie Türen, Front- und Heckklappen, Spiegel, Leuchten, Griffe, Tankdeckel, Spoiler, Zierleisten und mehr auf ein massives Gestell aus Alu-Profilen montiert. Zuvor allerdings wird die Maßhaltigkeit des Unterbaus in einem eigenen Fügemeisterbock aufeinander abgestimmt, damit alles spannungsfrei sitzt. Zum Teil sind anfangs einzelne Bauteile vom Zulieferer noch gar nicht verfügbar - dann werden sie auf der Basis der technischen Zeichnungen erst einmal aus einem Alu-Block gefräst und eingepasst. Erst wenn alles passt, kommen die Teile zum Feintuning an den Außenmeisterblock.
Dort beginnt die wahre Fummelarbeit, meist mit hand- oder CNC-gesteuerten Messinstrumenten. Beispiel Lack: Die Lackschicht auf der Karosserie ist zwar gerade mal bis 15 Hundertstel Millimeter dick - aber selbst dass spielt bei engen Karosseriefugen mittlerweile eine Rolle. Stück für Stück wird der Verlauf der Fugen optimiert. Und nicht immer geht es dabei nach der reinen Mathematik - mitunter entscheiden auch Gefühl und Psychologie. So wird etwa der Frontstoßfänger im Übergang zum Kotflügel minimal zurückversetzt. Als Resultat des Kniffs nimmt der Kunde später den Übergang harmonischer wahr. Oder die Fugen an der Tankklappe: Dort wird die obere Fuge geringfügig kleiner ausgerichtet als die untere. Subjektiv passen beide Fugen für den Betrachter so besser zueinander.
Im Außenmeisterblock gibt es auch die ersten praktischen Erfahrungen über das Zusammenspiel verschiedener Werkstoffe wie Stahl, Aluminium, Glas, Gummi oder Kunststoff. Dazu lässt sich nun erstmals in der Realität erkunden, wie gut die einzelnen Komponenten sitzen, ob sie sich später problemlos montieren lassen, ihre Haptik, den Glanz und die Farbtreue der Materialien.
Ähnlich präzise geht es gleich nebenan in Sachen Innenraum zu. Dort steht der Innenmeisterblock der Audi-Qualitätssicherung. Dort geht es bereits zehn Monate vor Produktionsbeginn mit der Feinarbeit los. Sitze, Armaturenbrett mit Instrumenten, Schaltern Hebeln und Audioanlage sind dort auf einem festen Block montiert. Bis zur Produktion wird dort nicht nur geprüft, wie freigängig die diversen Bauteile sind oder wie straff die Sitz. Es geht auch um die Kräfte und Geräusche, die beim Bedienen entstehen. Oder darum, ob Fugenverläufe oder Übergänge passen. Ein Beispiel: Je nach Lochmuster, -abstand oder -ausrichtung entstehen auf dem Gitter der Lautsprecherabdeckung mehr oder weniger harmonische Abschlüsse zum Rand hin. Auf dem Innenmeisterbock kann man das noch entsprechend korrigieren, bevor die Produktion beginnt.
Wie scharf sind die Grate an den Defrosterdüsen? Wie weit darf der Zierring auf dem Ganghebel hervorstehen, ohne dass er unangenehm in der Hand liegt? Wie lässt sich der Klang beim Verstellen der Mittelarmlehne optimieren? All das wird hier ausprobiert. Dabei geht es schon bei kleinen Bauteilen oft um komplexe Systeme. Die vier Ausströmdüsen vorne am Cockpit etwa setzen sich aus mehr als 30 Einzelteilen zusammen. Die Toleranzen beim Zusammensitzen liegen zum Teil bei wenigen Hundertstel Millimetern.
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