Verwaiste Stände, schummrige Beleuchtung, düstere Mienen: Die Detroit Motor Show war in den vergangenen Jahren kein Ort zum Feiern. In diesem Jahr hellt sich die trübe Winteratmosphäre in der gebeutelten Autostadt vom 10. bis zum 23. Januar ein wenig auf.
Bei Chrysler zum Beispiel setzt man auf neue Größe. Der Fiat-Partner präsentiert den neuen 300, der als Lancia auch nach Europa kommen wird, sowie den gelifteten Minivan Voyager. Dazu kommt der Mittelklassewagen Chrysler 200 als Nachfolger des Sebring. Als Vorschuss für den kommenden Frühling sollen die Amerikaner außerdem ein neues Cabriolet im Gepäck haben.
Die Marke Dodge präsentiert sich in generalüberholtem Design – der Widderkopf am Grill ist verschwunden, die mächtige Chromfront dafür aggressiver denn je. In Detroit parken der überarbeitete Charger und das sportlich angehauchte Kompaktmodell Avenger, außerdem die Neuauflage des bulligen SUV Durango. Wie Gulliver bei den Riesen wird sich in Detroit die US-Version des Fiat 500 fühlen. Sie kostet umgerechnet rund 11.300 Euro. Für amerikanische Verhältnisse ist das ein stolzer Preis, denn der Fiat ist teurer als ein Ford Fiesta und kaum billiger als ein Toyota Corolla oder VW Jetta.
Bei Ford wird sich die Elektroversion des Focus auf dem Präsentierteller drehen, dazu der Minivan C-Max, der nach Europa nun auch die USA erobern soll und eine Hybridvariante bekommt. Die PS-Fraktion wird mit Modellen wie dem Ford Mustang Boss 302 bedient.
Bulliger Auftritt
General Motors zeigt den Buick Regal GS, technisch verwandt mit dem Opel Insignia. Große Hoffnungen setzen die Amerikaner zudem in das neue Kompaktmodell Buick Verano, das wiederum Gene des Opel Astra in sich trägt. Für Sonnenanbeter gibt es das Camaro Cabriolet. Den bulligsten Messeauftritt hat die Studie GMC Sierra All Terrain HD Concept. Das fast sechs Meter lange Ungetüm wurde in allen Belangen auf die höchstmögliche Geländetauglichkeit hin gebürstet.
Bei den deutschen Herstellern steht VW im Mittelpunkt. Die Wolfsburger rollen ihren "New Midsize Sedan" ins Rampenlicht, eine speziell für den nordamerikanischen Markt konstruierte Limousine im Passat-Format mit solider Technik und guter Ausstattung zum Kampfpreis. Sie soll Ford Fusion, Toyota Camry und Honda Accord das Fürchten lehren. Den Namen des neuen Wagens will VW erst kurz vor der Show verraten.
Bei Audi wird sich die jüngste Generation des A6 in den Scheinwerfern sonnen, bei BMW der neue 6er sowie die gelifteten Modelle 1er Coupé und 1er Cabrio. Porsche trumpft mit einer Sportwagenstudie auf. Mercedes wird die neue C-Klasse nur einem ausgewählten Publikum präsentieren, die Messepremiere hebt man sich wahrscheinlich für New York auf. Bei Mini dagegen werden in Detroit die Hüllen fallen, die Studie Paceman wird erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Drehbare Sessel
Bei Hyundai steht die elegante Limousine Elantra auf dem Stand. Außerdem gibt es ein neues Crossover-Coupé, das sich an der Studie Veloster orientiert und über drei Türen verfügt – eine auf der Fahrerseite und zwei auf der Beifahrerseite. Toyotas Lifestyle-Marke Scion zeigt den iQ, eine US-Variante des bekannten Toyota-Modells. Kia überrascht mit der Studie KV7. Das Konzeptfahrzeug hat eine normale Tür und eine Flügeltür an der Beifahrerseite sowie zwei drehbare Sessel im Fond.
Von Toyota wird ebenfalls eine Studie erwartet, und zwar auf Basis des Hybridmodells Prius. Außerdem wird in der Branche über eine Weiterentwicklung des FT-CH spekuliert, den Toyota schon 2010 als Studie gezeigt hatte und der ein Ausblick auf kleine Hybrid- und Elektrofahrzeuge des Konzerns sein könnte.
Trotz vieler Neuheiten aus Deutschland, Japan und Korea geben in diesem Jahr seit langem wieder einmal die "Big Three" den Ton an. Die US-Autoindustrie kann sich auch einen vorsichtigen Optimismus erlauben. Mit 11,5 Millionen verkauften Autos ist der Stand vor dem Beginn der Wirtschaftskrise zwar noch lange nicht erreicht, doch das Tal der Tränen ist durchschritten.
Die "Großen Drei" General Motors, Ford und Chrysler konnten 2010 kräftige Zuwächse bei den Absatzzahlen verzeichnen. GM legte um 21 Prozent zu, Ford um 19 Prozent und Chrysler um 17 Prozent. Während die US-Hersteller in der Käufergunst stiegen, hatten die Japaner zum Teil das Nachsehen. Der große Verlierer 2010 war Toyota. Diverse Rückrufaktionen und zahlreiche reißerische Fernsehberichte über den Prius haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Marktanteil der Japaner schrumpfte von 18 auf 15 Prozent.
Wer geglaubt hatte, die Krise würde die Amerikaner zu einem Volk von Kleinwagenfahrern machen, hat sich geirrt. Auf dem wichtigsten Teilmarkt Kalifornien zum Beispiel legte der Anteil der PKW am Gesamtmarkt zwar leicht zu, der Anteil der SUV blieb aber unverändert. Und Ford konnte im ganzen Land von seinem populären Pick-Up der F-Serie mehr als eine halbe Million Stück verkaufen, eine Steigerung um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Falls also Smart seinen neuen Viertürer auf Basis des Nissan Micra schon in Detroit zeigt, wird er zu den wenigen Kleinwagen der Messe gehören.
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