Der Haupttross des Formel 1-Zirkus ist schon in die Weihnachtsferien entschwunden. Auch die Pirelli-Ingenieure sind fertig mit ihren Reifentests und haben eingepackt. Auf dem Parkplatz an der Boxengasse warten, in einem Container luftig übereinander gestapelt, die silbernen Safetycars auf ihren Abtransport. In der Mercedes-Box werkeln noch ein paar Techniker, die Auswahl beim Catering im Servicemodul ist bereits deutlich auf Kaffee, Snacks und Schoko-Törtchen geschrumpft. Auf dem leeren, aber hell erleuchteten Asphalt des Yas Marina Circuit in Abu Dhabi ziehen ein Grüppchen Jogger seine Runden.
Genug Einsamkeit, um auf dem Formel 1-Kurs ungestört und in aller Ruhe Hochglanzfotos vom Mercedes Vision EQ Silver Arrow zu schießen. Der Mercedes-Showcar ist vor ein paar Wochen gerade frisch im kalifornischen Pebble Beach präsentiert worden. Nun soll ihn der britische Lifestyle-Fotograf Jonathan Glynn-Smith am Persischen Golf ins Bild setzen.
Der im Scheinwerferlicht schimmernde, flache Einsitzer erinnert an den erfolgreichen Rekordrennwagen W 125 von 1937. Damals entstand der Mythos der Silberpfeile, weil die Mechaniker den weißen Lack bis aufs silberne Blech abgeschabt hatten, um auch das letzte Gramm Gewicht zu sparen. Der EQ Silver Arrow dagegen bekam extra eine Mehrschichtlackierung in Alubeam-Silber, um so zu glänzen wie sein historisches Vorbild - Gewicht spielt bei einem Showcar nur eine untergeordnete Rolle.
Außer der Farbe ist vor allem das geschwungene und stromlinienförmige Design am W 125 orientiert: flach, mit weit ausladenden Radhäusern, mittigem Fahrersitz, offenem Dach und einer Heckfinne aus Plexiglas samt einem ausgefrästen Mercedesstern am Ende. Bei 5,30 Meter Länge ist der EQ Silver Arrow mit seiner Karosserie aus Kohlefaser gerade mal einen Meter hoch. "Schlank, aber sinnlich", schwärmt Daimlers Chefdesigner Gorden Wagener.
Innen ist der EQ Silver Arrow ebenso puristisch wie gediegen eingerichtet
Nach dem Einschalten der Zündung strahlt es überall an der schönen Flunder blau. Die Front zieren ein breit gezogenes Leuchtband, ebenso die Seitenschweller. Vorne wie im Heck leuchtet jeweils ein großer, vertiefter EQ-Schriftzug. In den ausgestellten Radhäusern rollen teilverkleidete Räder - die 168 Speichen pro Rad bestehen aus rosegoldfarben lackierten Aluminiumspeichen. Darauf aufgezogen sind vorne Slicks im Format 255/25 R 24 und hinten Slicks der Größe 305/25 R 26. Auf die Lauffläche hat der Reifenhersteller Pirelli geradezu liebevoll viele kleine Mercedes-Sterne eingeritzt. Zwei ausfahrbare Heckspoiler dienen als Luftbremse.
Der Einstieg ist etwas mühsam - erst recht, weil die Mercedes-Techniker peinlichst darauf bedacht sind, dass man mit seinen Hacken nur ja keine Spuren in der Karosserie hinterlässt. Und weil man selber damit beschäftigt ist, sich nicht den Kopf an der nach vorne aufklappenden Fahrerkanzel zu stoßen. Innen ist der EQ Silver Arrow ebenso puristisch wie gediegen eingerichtet - und mit viel Platz. In der Mitte thront man auf einem breiten, fest eingebauten Sitz aus sattelbraunem Echtleder, der in eine Platte aus massivem Walnussholz eingelassen ist. In den Sitzbezug wurden per Lasergravur ebenfalls Sternchen abgesteppt. Die Seitenwände sind mit gauem Wildleder ausgeschlagen. Zum Fahren reichen zwei massive, individuell anpassbare Pedale, die sinniger Weise mit + und - beschriftet sind. Das Cockpit ist - natürlich - digital, die Welt da draußen nimmt man größtenteils auf einem üppigen Panoramabildschirm wahr, auf den ein Beamer von hinten ein dreidimensionales Bild der Umgebung projiziert. Ein Vierpunktgurt fixiert den Fahrer fest im Sitz.
Gedacht für den geräuschlosen EQ Silver Arrow ist ein Elektroantrieb mit 550 kW/750 PS. Das soll zusammen mit einem flachen Akku im Unterboden für 80 kWh gut sein und eine Reichweite von über 400 Kilometer erlauben. Real allerdings muss der Showcar auf solch ein Kraftpaket verzichten - er wird ja ohnehin nie im realen Verkehr unterwegs sein. Der tatsächlich eingebaute Elektromotor erlaubt nur Schrittgeschwindigkeit und wird von außen über ein tragbares Bedienmodul ferngesteuert wie ein Modellflugzeug.
Fotograf Jonathan Glynn-Smith hat also keine Schwierigkeiten, mit dem Skateboard neben dem modernen Silberpfeil her zu rollen und seine Fotos zu schießen. Enttäuschend? Nein, warum? Der EQ Silver Arrow ist eh als schöne Studie gedacht und nicht als Rundenrekordler. Da hätte er ohnehin Schwierigkeiten, an den historische Zwölfzylinder W 125 heranzukommen: Mit dem erreichte damals Rudolf Caracciola auf der A5 zwischen Frankfurt und Darmstadt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 432,7 km/h.
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