In Zeiten der immer stärker ausgeprägten Individualisierung sind auch die Automobilbauer gefragt. In zahlreichen Manufakturen wird denn auch der Freigeist solventer Kunden in eine automobile Form gegossen, genäht und lackiert. Nach dem Preis fragt vorher und nachher nur derjenige, der wenig machen lässt. Alle andere sagen einfach nur: "Bitte genauso und nicht anders."
Die Geschichte der Porsche Exclusive Manufaktur beginnt im Jahr 1948. Damals kam Ferry Porsche auf die Idee, "einen Sportwagen zu bauen, wie er mir gefiel." Der daraus entstandene 356 Roadster Nr. 1 erhielt 1948 seine Zulassung. Es dauerte ein paar Jahre, bis auch der erste verbriefte Kundenwunsch in Form eines Heckscheibenwischers für das Porsche 356 B Coupe in Auftrag gegeben wurde. Sein Auftraggeber: der Großindustrielle Alfred Krupp. Sein Grund: Es gab schlicht keinen Heckscheibenwischer in der Serie. Von diesem Zeitpunkt an mauserte sich die einst recht überschaubare Abteilung zur Spezialeinheit für Modifikationen aller Art bis hin zur Produktion von ganzen Kleinserien wie dem schicken 911 Speedster ober dem aktuellsten Modell, dem Porsche 911 Turbo S Exclusive Series. Sogar eine eigene fahrzeuggebundene Zubehörmarke mit dem Namen Tequipment wurde 1995 gegründet.
Die Ergebnisse der professionellen Handarbeit hatten sich rund um den Globus herumgesprochen, so dass nun jedes Jahr 15.000 Fahrzeuge durch die Abteilung rollen. Es wird aktuell in drei Schichten, also auch in der Nacht, gearbeitet, wobei ein Mitarbeiter stets für ein Fahrzeug verantwortlich ist. Im Schnitt verbleibt ein Exemplar bis zur 100 Prozent-Überprüfung zwei Stunden lang in seinen Händen, bevor es direkt zum Kunden geht.
Aber es gibt auch Ausreißer nach oben. Die werden in der Porsche Exclusive Manufaktur 60-Stunden-Autos genannt und sind vornehmlich bereits ab Werk sehr hochmotorisierte und komplex ausgestattete 911 Turbo und Turbo S. Zu den 911er-Modellen reihen sich noch Boxster- und Cayman-Modelle in die Schlange ein. Doch durch ihre Extrawünsche zieht sich die Auslieferungszeit nicht bis ins endlose. Lediglich knapp eine Woche müssen Kunden unabhängig vom Extrawunsch auf ihr automobiles Schätzchen länger warten. Da fällt die Zeit, die der Kunde zur Planung seiner Wünsche benötigt so manches Mal wesentlich länger aus - verbunden immer mit der kostenfreien Beratung durch einen geschulten Porsche-Mitarbeiter.
Dass die Schlüsselwangen des Zündschlüssels in genau derselben Farbe ausgeführt sind, ist selbstredend
Die Auswahl ist gewaltig. Vom kleinsten Extra, der Abdeckung der Scheibenreinigungsanlage bis hin zur kompletten Schalttafel samt Cockpit kann alles individualisiert werden. Mal ist daher alles nach ein paar Stunden, mal erst nach einer Woche geklärt. Dass die Beratung kostenfrei ist, liegt nicht daran, dass Porsche kein Geld verdienen möchte. Es liegt einfach daran, dass die Kunden im Schnitt sowieso 15.000 Euro ausgeben, wenn sie denn erst mal beraten worden sind.
Dass es auch wesentlich höhere Auftragssummen gibt, zeigt etwa der erst jüngst gefertigte 911 Turbo S in Python-Grün. Und da das spezielle Grün noch nicht reicht, muss es auch noch in einer speziell pigmentierten ChromaFlair-Lackierung aufgetragen werden. Allein der Preis für den Lack liegt bei 60.000 Euro. Dass die Schlüsselwangen des Zündschlüssels in genau derselben Farbe ausgeführt sind, ist selbstredend. Und selbst das Problem, dass es keinen sichtbaren Unterschied zwischen den Metall- und den Kunststoffoberflächen geben darf, ist bei Porsche Exclusive Manufaktur erkannt und perfekt gelöst worden.
Natürlich haben auch andere Hersteller ihre Handarbeits-Abteilung auf die Wünsche ihrer "Nicht von der Stange"-Käufer eingestellt. So verließ bei Audi vor wenigen Wochen ein von A bis Z individualisierter R8 die heiligen Hallen der Abteilung Audi exclusive. Sein ohne Zweifel recht solventer neuer Besitzer Saif Al Salman mag es individuell und scheute auch nicht davor zurück, mehrere Stunden mit den Beratern zu philosophieren. Am Ende glänzt sein Sportwagen in den Farben Lila, Grau und mit weißem Interieur inklusive lilafarbenen Nähten in der Sonne.
Da hat der Besitzer eines Mercedes-Maybach in designo mysticblau nochmal Glück gehabt
Dass auch die Farbe Blau nicht ganz aus dem Kopf der Kunden wegzudenken ist, zeigt sich an einem individualisierten Audi RS7. Der - präzise formuliert - vodooblaue Sportwagen geht auf die Anfrage eines spanischen Kunden zurück, der unbedingt auch einen hellblauen Innenraum wollte. Dazu wurde eigens eine Leder-Alcantara-Kombination mit orangenen Kontrastnähten sowie die gleiche Farbe für die entsprechenden Anbauteile beschafft.
Noch weiter im Süden, bei der BMW Individual Manufaktur, erteilte einst ein Fischfabrikant einen Auftrag und übersandte direkt 100 Lachshäute an das BMW-Team. Die Fischhäute wurden auf dünne Lederhäute aufgezogen und kleiden heute die Interieurleisten eines BMW X6 M. Selbst für den Tag, an dem sie nicht mehr schön schimmern oder anderweitig Schaden nehmen sollten, ist vorgesorgt: "Weil Ersatzteile für solche Spezialanfertigungen nicht ab Werk zu haben sind, lagert - wie immer bei solchen Manufakturprodukten - eine zweite Ausfertigung in unserem brandsicheren Safe", sagt Mathias Babbel, Leiter der Exklusivkundenberatung BMW Individual Manufaktur in Garching.
Wie bei den meisten Manufakturen haben Kunden so manches Mal auch zu extravagante Wünsche, wie Mercedes-Benz-Sprecher Michael Allner verrät: "Ja, wir lehnen auch Kundenwünsche ab. Dies sind zum Beispiel Umfänge, die in die Sicherheit des Fahrzeuges eingreifen (etwa die Belederung des Airbags oder ein weißes Cockpit mit der zu erwartenden Blendung in der Frontscheibe) oder solche, die die Produkthaftung betreffen würden." Da hat der Besitzer eines Mercedes-Maybach in designo mysticblau nochmal Glück gehabt. Seine 35.000 Euro teure Zusatzausstattung beinhaltet eine zweifarbige Lederausstattung, verkleidete Fensterrahmen, einen ebenfalls zweifarbig belederten Innenhimmel sowie noch ein paar weitere Details.
Wie sich beim Maybach und auch bei einem citrinbraun magno-farbenen Mercedes-AMG S 63 Coupe ableiten lässt, sind die Kunden der Manufakturen den Herstellern meist keine Unbekannten, wie Michael Allner gern bestätigt: "Den typischen Auftraggeber gibt es so nicht. Wir haben Kunden aller Altersklassen und gesellschaftlicher Schichten. Grundsätzlich haben wir viele Stammkunden, aber immer wieder auch Neukunden, die gerne eine individuellere Ausstattung hätten."
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