Der neue Ford Focus RS hat nicht nur 350 PS und Allradantrieb, sondern auch ein Driftprogramm. Noch nie war kontrolliertes Querfahren leichter. Der erste Satz Reifen ist zum Glück inklusive.
Mit einem Ford Focus RS verbinden die meisten Rallyesport, brachiale Kraft an der Vorderachse und einen Wendekreis, der es mit einem Sattelzug aufnehmen kann. Das Besondere bei all der Kraft war stets, dass es der Kölner schaffte, sie nur über zwei angetriebene Vorderräder auf die Straße zu bringen. Weder Traktionsverluste noch große Lenkeinsätze mussten dabei in Kauf genommen werden.
Freunde des reinen Frontantriebs sind jedoch ab sofort beim Ford RS an der falschen Adresse. Denn das Ingenieursteam hat einsehen müssen, dass ein Allradantrieb bei 350 PS allemal Sinn hat. Herausgekommen ist ein noch wendigerer, präziserer und vor allem dirftwilligerer RS mit der Möglichkeit, bis zu 100 Prozent der Motorenkraft an die Hinterachse zu leiten. Noch nie war kontrolliertes Querfahren leichter.
Damit nicht nur Könner den 1.529 Kilogramm schweren Kölner durch die Seitenscheibe navigierend bewegen, dafür steht nun neben den Fahrprogrammen Normal, Sport und Track ein Programm mit dem Namen Drift parat. Dabei ist es kein Hexenwerk, was da ein simpler Knopfdruck bewirkt. Die Lenkung wird ein wenig unpräziser als in den beiden dynamischen Programmen, das Gaspedal verändert seine Kennlinie und die Traktionskontrolle wird in den Sportmodus versetzt - so die Theorie.
Wer es auf 360-Grad-Kreisel anlegt, der kann durch längeres Drücken des ESP-Off-Schalters dieses System auch kompromisslos komplett deaktivieren. Das Resultat ist an einem erhöhten Reifenverschleiß zu erkennen. Selbst, wenn man nicht auf Schmirgelpapier quer durch die Gegend rutscht, schafft man den vormontierten 19 Zoll-Satz in gut zehn Minuten.
An Bord mit dem ziemlich entspannt wirkenden Testfahrer zeigt sich schnell: Ford hat nicht zu viel versprochen. Dass weiße Gummiwolken nicht alles sind, was der neue Ford Focus RS zu bieten hat, dürfte klar sein. So fällt schon beim ersten Kontakt sein geringes Aggressionspotenzial auf. Sprich, die Heckspoiler-Theke ist ungewohnt zurückhaltend gestaltet. Im Innenraum geht es durchaus komfortabel zu und sowohl der Spritverbrauch als auch der Wendekreis wurden reduziert. In Zahlen ausgedrückt: Ein RS-Fahrer muss nun 7,7 Liter Super nach 100 Kilometern nachfüllen. Gleichzeitig schafft er es in mindestens einem Zug weniger aus einer engen Parklücke heraus.
Der 4,39 Meter lange und 2,01 Meter breite Fünftürer schafft aber auch ohne Launch Control im Nu 266 km/h
Was sich auch zum Besseren verändert hat, ist seine Fahrdynamik. Aus einem untersteuernden Kraftmaxen ist ein leicht zum kontrollierten Übersteuern neigender Kurvenfresser geworden. Das ist selbst auf dem Beifahrersitz erfahrbar - wenn etwas zu flott oder zu spät und somit zu stark in die Kurve eingelenkt wurde. Beim früher als je zuvor möglichen Herausbeschleunigen zieht die brachiale Kraft von bis zu 470 Newtonmetern den RS dann aus jeder misslichen Lage gerade wieder heraus.
Video: Ford
Für die korrekte Gangwahl steht bei dem ab 39.000 Euro teuren Ford Focus RS ausschließlich ein manuelles Sechsganggetriebe bereit. Echte Motorsportfans oder Ford-Testfahrer sehen darin natürlich keinen Hinderungsgrund. Zumal sich der trotz des Antriebswechsels lediglich um 70 Kilogramm schwerer gewordene RS sehr leicht und kommod in den gewünschten Gang versetzen lässt.
Wer die 4,7 Sekunden bis zur Tempo 100-Markierung tatsächlich erfahren möchte, sollte mit der Launch Control eigentlich die größten Chancen haben. Bei ersten Tests in Vorserienfahrzeugen weist sie allerdings noch ernste Funktionsdefizite auf. Laut Ford sollen diese natürlich bei der Markteinführung korrigiert sein.
Der 4,39 Meter lange und 2,01 Meter breite Fünftürer schafft aber auch ohne die Startunterstützung im Nu 266 km/h. Dank des 2,3 Liter großen Reihenvierzylinders mit Turboaufladung tritt zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, doch ein wenig mehr Leistung zu vermissen.
Beim Beschleunigen, wenn der Blick normalerweise nicht nach unten auf die dunkle Tachoscheibe gerichtet wird, blinkt ein RS-Logo auf, wenn der Schaltzeitpunkt erreicht ist. Ein paar Zentimeter höher und es wäre im peripheren Sichtfeld. So ist es leider völlig wirkungslos - oder dient lediglich dem Mitfahrer als Schaltpunktansagen-Zeitpunkt.
Alles in allem zeigt Ford mit dem neuen RS, dass nicht nur der Fahrer richtig viel kontrollierten Spaß haben kann. Alternativen, wie der wesentlich teurere Mercedes-AMG A 45 4Matic, müssen sich trotz Mehr-PS auf einen heißen Konkurrenzkampf gefasst machen.
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