Noch im März sollen die ersten Brilliance-Modelle vom Typ BS6 zu haben sein - wenn auch zunächst nur bei einigen Händlern in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Genfer Autosalon zeigten die Chinesen aber schon, was nach dem BS6 anrollen soll. Neben dem Coupé BC3, das noch ein Show-Car ist, erregte vor allem die kompakte Mittelklasse-Limousine BS4 Aufsehen.
Das Auto ist seit Anfang 2006 in China auf dem Markt und wurde schon 36.000 mal verkauft. "Der Wagen hat in China ein sehr gutes Image und dort einen ähnlichen Status erlangt wie ein BMW", sagte versicherte uns ein chinesischer Auto-Journalist.
Optisch ist der BS4 durchaus gelungen. Die gefälligen Linien, der Grill und die Scheinwerfer erinnern stark an BMW. Kein Wunder – der China-Konzern produziert in einem Joint-Venture mit dem Münchner Autobauer die 3er- und 5er-Modelle für den chinesischen Markt.
Schon Mitte des Jahres soll der BS4 auch in Europa zu haben sein. Mit 4,65 Metern ist er etwas kürzer als der BS6. Der BS4 soll mit Autos wie dem Opel Vectra oder dem Ford Focus konkurrieren. Unter der Haube arbeiten Vierzylinder-Saugmotoren mit 1,8 Liter Hubraum. Die kleinere Variante soll 136 PS leisten, die stärkere mit Turbolader 170 PS. Brilliance verspricht ein Drehmoment von 235 Newtonmetern und eine Beschleunigung von 0 auf 100 Km/h in 11,4 Sekunden. Zum Verbrauch machen die Chinesen keine Angaben, aber der Wagen soll beim Schadstoffausstoß die Euro 4-Norm erfüllen.
Der BS4 hat einen 430 Liter großen Kofferraum und ist serienmäßig unter anderem mit Zentralverriegelung, elektrischen Fensterhebern, Klimaanlage, CD-Radio, Leichtmetallfelgen und Einparkhilfe ausgestattet. Die "Deluxe"-Version soll außerdem mit Klimaautomatik, Seitenairbags, elektrischem Schiebedach und Lederausstattung vom Band rollen. Geschaltet wird wie beim BS6 mit einem manuellen Fünfganggetriebe. Beim Turbo übernimmt die Kraftübertragung eine Automatik mit vier Gängen.
Kein Schnäppchen
Das erste Probesitzen im BS4 hinterließ einen angenehmen Eindruck. Das Leder verströmt zwar noch etwas Chemie-Geruch, und Details wie die Räder zur Sitzverstellung sehen noch ziemlich unbeholfen aus. Insgesamt wirkt der BS4 aber deutlich gefälliger als der BS6. "Sehen Sie: Wir lernen schnell", freut sich Brilliance-Sprecherin Nicole Heymann.
Das ist auch nötig. Als wir vor einigen Monaten den BS6 getestet haben, beschlichen uns doch Zweifel im Hinblick auf die chinesische Ingenieurskunst. Die 4,8 Meter lange Limousine sieht zwar schick aus (die Karosserie wurde vom italienischen Star-Designer Giugiaro entworfen), das Fahrwerk ist ordentlich gemacht (Porsche half bei der Entwicklung). Und auch wenn der Motor (kommt von Mitsubishi) mit seinen 130 PS für ein Luxusauto etwas schwachbrüstig und mit dem hakeligen Fünfganggetriebe nicht gerade ein Motivationsbündel ist - wir sind da schon Schlimmeres gefahren.
Doch dort, wo die Chinesen offenbar selbst Hand angelegt haben, sah das schon ziemlich übel aus. Schaltknüppel und Lenkräder, die sich wie Lakritze anfühlen, Polster und Kunststoffe, die nach Chemie müffeln, Schrauben, die keine Abdeckungen besitzen, eine Lenkung, bei der man in Geradeausfahrt ständig nachkorrigieren muss – die Liste der Mängel war lang. Bessern die Chinesen nicht in diversen Punkten nach, dürfte der BS6 keine reelle Chance auf dem deutschen Markt haben. Denn mit knapp 20.000 Euro ist er im Vergleich mit anderen Marken trotz reichhaltiger Ausstattung keineswegs ein Schnäppchen.
Vorbei gecrasht
Für unfreiwillige Komik sorgt der deutsche Prospekt über den BS6. ABS und elektronischer Bremskraftverstärker werden als "moderne Assistenzsysteme" gepriesen. Über die Airbags muss sich Brilliance doppelt freuen, denn es gibt nur zwei. Und mit Erleichterung nimmt man zur Kenntnis, dass die 1,5 Tonnen schwere Luxuslimousine rundum mit Scheiben bremsen darf und an der Hinterachse nicht mehr trommeln muss. Bei der Abbildung des Motorblocks rücken die Chinesen stolz den aufgeprägten Mitsubishi-Schriftzug ins Licht, so als ob sie befürchten, dass man der Marke Brilliance allein nicht trauen könnte.
Auch beim Thema Crash-Sicherheit bleiben noch Fragen offen. Den für die Zulassung erforderlichen Crashtest nach ECE-Norm bestand die Chinesen-Limousine zwar. Beim ersten Test nach der strengeren EuroNCAP-Norm allerdings konnte Hans-Ulrich Sachs, Chef des Generalimporteurs HSO-Motors, nur kleinlaut vermelden, dass der BS6 "die drei Sterne knapp verfehlt" habe.
Selbst Kleinwagen wie der Renault Clio gehen aus diesem Test mittlerweile mit fünf Sternen nach Hause. Und ESP, in dieser Fahrzeugklasse mittlerweile Standard, ist beim BS6 noch nicht lieferbar. Man werde nachbessern, versprach Sachs. Immerhin: Der kompakte BS4 verfügt laut Ausstattungsliste ab der Version "Deluxe" über Seitenairbags. Zum Thema Crashtest lässt Brilliance noch nichts verlauten.
Auch das Show-Car BC3 lässt hoffen, dass die Chinesen doch mehr in der Hinterhand haben. Das Coupé wirkt nicht nur elegant und schnittig sondern findet auch eine eigenständige Linie. Angetrieben wird der 1,4 Tonnen schwere BC3 von einem 170 PS starken Turbomotor – übrigens das erste von Brilliance eigenständig entwickelte Aggregat. Der BC3 soll in 9,7 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen und 220 km/h schnell sein. Eine schwarz-rote Lederausstattung mit Sportsitzen sowie chromumrandete Instrumente vermitteln Sportlichkeit. Front- und Seitenairbags sollen serienmäßig an Bord sein. Preise und das Datum der geplanten Markteinführung gibt Brilliance allerdings noch nicht bekannt.
Verschlungene Pfade
Auch wenn BS4 und BC3 einen viel versprechenden Eindruck machen: Die Markteinführung der Chinesen-Autos in Deutschland läuft bislang nur schleppend an. Eigentlich sollten die ersten Limousinen vom Typ BS6 schon Ende 2006 nach Deutschland kommen. Jetzt soll es endlich soweit sein - wenn auch auf etwas verschlungenen Pfaden.
HSO Motors, dessen Chef Hans-Ulrich Sachs Anfang der 90er Jahre bereits Hyundai auf den deutschen Markt brachte, hat einen Vertrag mit der "DIFA Dienstleistungen für Autohäuser mbH" geschlossen. Die wiederum ist eine 100-prozentige Tochter der Unternehmensgruppe Röchling und Eicker. Um den Markteintritt zu beschleunigen, wurde die "Brilliance Motors Deutschland GmbH" gegründet. Sie werde künftig Service- und Vertriebsverträge mit Großhändlern in regionalen Ballungszentren schließen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Die Details bleiben noch nebulös. Brilliance spricht von 50 Autohäusern in Nordrhein-Westfalen, in denen die Autos bald zu haben sein sollen. Langfristig soll auch der Rest des Landes erobert werden. "Das Netz wird weiter ausgebaut", versichert Brilliance-Sprecherin Nicole Heymann. Bis Ende 2008 will HSO Motors europaweit 700 Verkaufs- und Service-Punkte für Brilliance-Automobile errichten.
Brilliance könnte bei alledem nur die Vorhut einer chinesischen Großoffensive sein. Branchenkenner rechnen damit, dass über kurz oder lang auch die Marken Chery und Shanghai Automotive auf den europäischen Markt drängen.