Der Drophead ist eine Yacht auf Rädern: unvergleichlich schön, unglaublich exklusiv - und unbezahlbar teuer. Bei geöffnetem Dach erinnert der 5,61 Meter lange Viersitzer an die grandiosen Riva-Boote oder die schnittigen Sunseeker-Yachten. Sicher kein Zufall, dass sich Motorboot-Spezialist Sunseeker nur ein paar Meilen weiter westlich in Southhampton befindet und eine Vielzahl ehemaliger Bootsbauer von Rolls Royce zum 2003 eröffneten Rolls-Werk nach Goodwood/Chichester geholt worden waren.
Auf der diesjährigen Detroit Motor Show hatten sich die Trendstudie Mercedes-Benz Ocean Drive und das Realmodell Rolls Royce Drophead Coupé gegenseitig ausgestochen. Wan der Deutsche kommt, steht in den Sternen – der britische BMW-Ableger steht seit einigen Wochen bei den rund 80 weltweiten Händlern.
Man täte dem Drophead unrecht, würde man ihn allein mit dem wenig schmuckvollen Begriff "Cabriolet" beschreiben. Offen können viele. Und mit einem Mercedes SL oder gar einem schnöden Peugeot 207cc hat der Brite nun wirklich nicht mehr als ein zu öffnendes Dach gemein.
So wie den Drophead stellt man sich einen britischen Flanierkreutzer für die Schönen und Reichen dieser Welt vor. Kein Gedanke an die windigen Roadster in schlechten Rosamunde-Pilcher-Streifen oder das schneeweiße Golf Cabriolet Sondermodell CC, dem ein Sascha Hehn in der Schwarzwaldklinik einst zu Ruhm und Ehren verhalf.
Dieser offene Rolls Royce ist einzigartig. Die kantige-charismatische Erscheinung seines Ziehvaters Phantom steht ihm gut und lässt die opulenten Dimensionen gelungen verschwimmen. Niemand wäre je der Meinung, dass der Drophead zu üppig dimensioniert wäre.
So spektakulär er sich auf der Straße und besonders in hügeliger Herbstlandschaft präsentiert, so wenig beeindruckend ist der luftgefederte Drophead für den Fahrer. Ähnlich wie beim Phantom fällt einem sofort das spindeldürre Lenkrad auf, mit dem man den tonnenschweren Briten mit nur zwei Fingern um den Kreisverkehr steuern kann.
Vom Zwölfzylinder-Triebwerk ist bei langsamer Fahrt nichts zu vernehmen. Geschlossene Auspuffventile sorgen dafür, dass es der exklusive Brite von der Geräuschentwicklung her mit einem Elektroauto aufnehmen kann. Einen Drehzahlmesser sucht man vergebens. Stattdessen informiert eine Anzeige neben dem Tacho darüber, wie viel Prozent des Drehmoments gerade verfügbar ist.
So sehr man sich auch müht: Zum Schwitzen bringt man diesen coolen Cruiser niemals. V12-Triebwerk, 6,75 Liter Hubraum, 460 PS und 720 Nm Drehmoment ab 3.500 U/min fahren sich so langweilig wie eine Mercedes E-Klasse. Nur wer es darauf anlegt, der erlebt die 240 km/h Höchstgeschwindigkeit und das Spurtpotenzial 0 auf 100 km/h in sechs Sekunden.
Automobile Yacht
Ein sanfter Druck auf das Gaspedal - und der knapp 2,6 Tonnen schwere Hecktriebler schiebt sich unnachgiebig und eindrucksvoll nach vorn. Die Dynamik der automobilen Yacht nehmen allenfalls die Umgebung und die Passagiere im Fond wahr. Bei geöffnetem Dach weht es hinten mächtig. Und die viel zu kurzen Kopfstützen zeigen, dass der Rolls Royce trotz grandioser Verarbeitung und üppiger Platzverhältnissen auch seine Schwächen hat.
Suchen muss man diese Makel aber mit der Lupe. Und die Erscheinung des Innenraums, einer Orgie aus Leder und Edelholz, macht einem die nötige Objektivität nicht leicht. Na gut: Die Lenkung könnte präziser sein und die Bedienelemente übersichtlicher. Anderswo längst etablierte Komfortdetails wie Keyless Go, Kurvenlicht oder einen Abstandstempomaten bietet der ansonsten mit allen Wünschen auszustaffierende Brite nicht einmal für teures Aufgeld. Dafür Extras wie Holzintarsien, Stickereien im weichen Luxusleder oder eine besondere Holzart. Ehe eine Holzleiste den Innenraum verziert, vergehen bis zu 28 Tage allein an Bearbeitungszeit.
Die Briten haben sich mehr als drei Jahre Zeit gelassen, ehe sie die Serienversion des Drophead endlich der Öffentlichkeit präsentierten. Aus der grandiosen Konzeptstudie 100EX, die erstmals auf dem Genfer Salon 2004 bestaunt werden konnte, wurde ein Cabriolet, das keine Grenzen kennt. Einmalig nicht nur die eindrucksvolle Gesamtlänge sondern auch die stählerne Motorhaube und die hinten angeschlagenen Türen, die pro Stück allein 70 Kilo wiegen.
95.000 potentielle Kunden
Ganz nebenbei: Der offene Bruder des Phantom ist der erste Rolls Royce in der 103jährigen Firmengeschichte, dessen Kühlergrill niedriger ist als die Motorhaube selbst. Dieses einmalige optische Ereignis sollte einem aber mindestens 440.300 Euro wert sein. Ein Preis, der den Kreis der Käufer elitär macht. Wenn auch nicht mikroskopisch: Nach Angaben von Meryll Lynch gibt es weltweit rund 95.000 potentielle Kunden. So viele haben offiziell mehr als 30 Millionen Euro auf dem Konto. Die meisten Kunden wohnen in den USA. Doch der echte Wachstumsmarkt ist in China.
Für so viel geld kann man Stil auch im Detail erwarten. Die umlegbare hintere Kofferraumwand zum Beispiel wird im Handumdrehen zu einer Sitzbank mit einer Tragfähigkeit von 150 Kilogramm. Praktisch nicht nur fürs Picknick: Die Klappe erfüllt als Ladehilfe für den 315 Liter großen Kofferraum auch einen profanen Nutzen – egal ob in Dubai, Florida oder der südbritischen Rolls-Heimat.
Wie entsteht ein Fahrbericht? Das erfahren Sie hier
|
|