"Heureka!", soll knapp 250 Jahre vor Christus der Mathematiker Archimedes gerufenen haben, als er das nach ihm benannte Prinzip in der Badewanne sitzend entdeckte: "Ich hab's." Und weil er es so eilig hatte, seinen Mitmenschen dies mitzuteilen, fand er noch nicht einmal die Zeit, seinen nackten Körper zu bedecken und rannte wie Gott ihn schuf wild schreiend über den Markplatz. Ähnlich, aber mit einem gut sitzenden italienischen Maßanzug bekleidet, dürfte sich vor gut 40 Jahren Unternehmenschef Nuccio Bertone gefühlt haben.
Doch anders als Archimedes rief er "Countach!", was übersetzt so viel wie "fantastisch" bedeutet, als er zum ersten Mal das von seinem Mitarbeiter Marcello Gandini gezeichnete Modell für einen neuen Sportwagen zu Gesicht bekam. Zum Glück, mögen viele Lamborghini-Fans denken, denn Heureka klingt beileibe nicht so schön wie Countach.
Was nach dem ersten spontanen und vor allem sehr emotionalen Einverständnis folgte, war die Vorstellung des Prototypen auf dem Genfer Automobilsalon Anfang 1971. Neben den biederen Fahrzeugen anderer Hersteller wirkte der kuntatsch ausgesprochene Italiener wie von einem anderen Stern. Der Keil auf Rädern mit niedrigem Bug inklusive Klappscheinwerfern und von Öldämpfern unterstützten Scherentüren hatte schnell der Ruf einer weiteren Stilstudie inne.
Der signalgelb lackierte Prototyp war auch kurz davor, dies zu bleiben. Denn auf Genf folgte eine harte Zeit für den Sportwagenhersteller aus Sant'Agata Bolognese. Die Marke wurde an die Schweizer Investoren Georges-Henri Rosetti und René Leimer verkauft. Streiks und die Ölkrise potenzierten den Kummer der Manager.
Die Türkante befindet sich fast auf Augenhöhe, die Sitzposition ist eher liegend als aufrecht
Nach vielem Hin und Her sowie zahlreichen absolvierten Tests erhielt der Countach im Mai 1972 dann doch grünes Licht für die Serienproduktion. Für den Antrieb des 4,14 Meter langen, 1,99 Meter breiten und nur 1,07 Meter hohen LP 400 war ein vier Liter großer und längseingebauter V12-Benzinmotor mit 276 kW/375 PS vorgesehen.
Die Nomenklatur ist schnell erklärt: LP steht für die Einbaulage des Motors, in diesem Falle longitudinale posteriore - die Ziffernfolge für den Hubraum. Mit Hilfe des hauseigenen Fünfganggetriebes wurde die brachial klingende Kraft von 361 Newtonmetern an die hinteren 14 Zoll großen Räder geleitet. Zu Gunsten des Leergewichtes von 1,4 Tonnen wurde bei der Außenhaut auf genietete Leichtmetallbleche gesetzt - Beulen und andere Arten von Kaltverformungen waren vorprogrammiert.
Wer es ins Innere und somit auf einen der beiden engen Schalensitze geschafft hat, der merkte sofort, dass hier einiges anders ist als bei anderen Fahrzeugen. Die Türkante befindet sich fast auf Augenhöhe, die Sitzposition ist eher liegend als aufrecht und die horizontal geteilten Seitenscheiben ließen sich nur einen Spalt weit öffnen. Letzteres machte aber gar nichts, denn es befand sich serienmäßig eine Klimaanlage an Bord.
Die war auch wichtig, da die beiden Insassen bei einer Höchstgeschwindigkeit von über 300 Kilometer pro Stunde ziemlich ins Schwitzen kamen. Das schnellste Serienauto der Welt war geboren. Der innerhalb von 5,5 Sekunden bis Tempo 100 beschleunigende Countach feierte wie schon sein Konzept auf dem Genfer Automobilsalon seine Premiere - das war 1973. Der Marktstart wurde auf das Ende des Jahres terminiert.
Insgesamt wurden knapp 2.000 Exemplare des Sportlers produziert
Fünf Jahre später präsentierte die Marke mit dem Kampfstier im Logo die S-Variante. Galt der LP 400 bereits als brachial und brutal, setzte der S noch einen martialischen Schritt oben drauf. Eckige Radläufe, Bugspoiler und ein Heckflügel, der mehr für Aufsehen als für Anpressdruck sorgte, machten aus ihm einen der ersten Kampfjets für die Straße. Anders als erwartet, wurden die nun 15 Zoll großen Rädern von 260 kW/353 PS, also weniger Leistung, befeuert. Gleichzeitig ist sein Fahrwerk leicht modifiziert worden.
Im Jahr 1982 brachte der LP 5000 S die ursprüngliche Leistung von 276 kW/375 PS auf die Straße. Trotz seines auf 4.754 Kubikzentimeter angewachsenen Hubraums erreichte er nicht die Schnelligkeit des Ur-Countachs. Auf ihn folgte 1985 der Countach Quattrovalvole mit 5,2 Litern Hubraum und 48 Ventilen. Der V12-Motor leistete 335 kW/445 PS und brachte ein maximales Drehmoment von 500 Newtonmetern hervor. 5,1 Sekunden bis Landstraßentempo und eine Höchstgeschwindigkeit von 290 Kilometer pro Stunde konnten sich sehen lassen. Die aus Karbon gefertigte Motorhaube mit einer kastenförmigen Ausbeulung war sein nach hinten die Sicht raubendes Markenzeichen. Hinzu kamen monströse Hinterreifen mit einer Breite von 34,5 Zentimetern.
Pünktlich zum 25jährigen Bestehen präsentierte Lamborghini ein Interimsmodell, den Anniversary, bevor im Juli 1990 der letzte Countach das Werk in Sant'Agata Bolognese verließ. Insgesamt wurden knapp 2.000 Exemplare des Sportlers produziert. Auf ihn folgte der lange verschobene Lamborghini Diablo.