Dieses unterschwellige Brabbeln schickt jedem Autofan einen wohligen Schauer über den Rücken. Dann ein Tritt aufs Gaspedal: Aus dem Grummeln wird ein wütendes Gebrüll, so als habe man gerade Attila den Hunnen aus dem Tiefschlaf geweckt. Die Reifen des 1972er Dodge Challenger drehen durch und lassen qualmenden Gummiabrieb aus dem Asphalt zurück, das Heck schlingert leicht, der V8-Bolide jagt davon.
Doch der Oldie mit seiner gelben Lackierung namens "Top Banana" und der schwarz abgesetzten Motorhaube ist nicht allein auf der Straße: Mit einem Grollen, das die Luft erzittern lässt, schiebt sich der silberne Dodge Challenger SRT-8 an seinem Urahn vorbei. Sein V8-Motor mit 431 PS und dem berühmten HEMI-Schriftzug auf dem Block – so genannt wegen der hemisphärischen, also halbkugelförmigen Brennräume des Motors – macht den kraftstrotzenden Muscle Cars aus Amerikas schillerndster Automobilepoche alle Ehre.
Es war eine heiße Zeit, in die der erste Challenger da hineingeboren wurde. Die 70er Jahre beginnen für die Amerikaner trotz Flower Power und Schlaghosen äußerst unruhig: Bei Protesten gegen den Vietnam-Krieg werden Studenten erschossen, die Astronauten der Apollo 13-Mission entkommen nur knapp einer Katastrophe und die USA starten eine blutige Invasion in Kambodscha. Die Menschen schwanken zwischen Aggression und Desillusionierung und kaum ein Film verkörpert das so gut wie „Fluchtpunkt San Francisco“ mit Barry Newman. Vollgepumpt mit Amphetaminen, liefert sich der Held des Films am Lenkrad seines 1970er Dodge Challenger wilde Verfolgungsjagden mit der Polizei und stirbt zum Schluss als tragischer Anti-Held. Barry Newman kennt heute niemand mehr - den Challenger aber macht der Film unsterblich.
Auch im wahren Leben musste das Muscle Car erst das Zeitliche segnen, bevor es als Legende wiedergeboren wurde. Als der Challenger zum Verkaufsschlager aufstieg, war sein Ende bereits nahe: Rasant steigende Versicherungsprämien sowie neue Umweltschutz- und Sicherheitsbestimmungen beendeten die Ära der Muskel-Autos fast so schnell, wie sie in den 60er Jahren mit dem ersten Pontiac GTO begonnen hatte.
Schon 1974 rollte der letzte Challenger vom Band. 1978 wurde der Name von Dodge für ein hässliches Kompakt-Coupé auf Basis eines importierten Mitsubishi-Modells wiederbelebt, das zu Recht in Vergessenheit geriet. Erst 2008 kam wieder ein Challenger auf den Markt, der seinen Namen auch verdiente.
Tummelplatz
1970 war der Name Challenger (Herausforderer) noch Programm, denn die Konkurrenz auf dem Muscle Car-Markt hatte sich damals ins Uferlose ausgeweitet. Chevrolet hatte den Camaro zum potenten Asphaltjäger aufgerüstet, der Ford Mustang war vom harmlosen Ponycar zur PS-Rakete mutiert und auch Oldsmobile, Mercury oder Buick hatten ihre Muscle Cars.
Der Dodge Challenger trat auf diesem Tummelplatz der Hubraum-Fanatiker zusammen mit seinem Pendant Plymouth Cuda an. Der Plymouth sollte vor allem im Low-Budget-Segment räubern. Der Challenger war eher als potentes Spielzeug für die gehobene Kundschaft gedacht, um dem luxuriösen Mercury Cougar Marktanteile abzuluchsen. Im Lastenheft der beiden Autos war vermerkt, dass sämtliche Motoren des Chrysler-Konzerns Platz finden sollten.
Das erlaubte Aggregate bis zu 7,2 Litern Hubraum, und zwar ohne dass der Kunde - wie bei einigen Ford Mustang-Modellen - auf die Servolenkung verzichten musste, weil die Technik nicht mehr in den Motorraum passte. Top-Motorisierung war der Hemi-V8 mit 425 PS. Um die Versicherungen nicht zu reizen, wurden die PS-Zahlen manchmal sogar nach unten geschönt.
Nach 1971 war Schluss mit dem PS-Overkill. Die großen Bigblock-Aggregate flogen aus dem Programm, Leistung und Verdichtung wurden reduziert. Dem quietschgelben Challenger von 1972 sieht man das kaum an: Äußerlich unterscheidet er sich nur durch den modifizierten Grill und die geänderten Heckleuchten vom Urmodell und auch das satte Brabbeln des V8-Motors klingt kraftvoll wie eh und je. Sein 5,2 Liter großer Achtzylinder bringt es aber nur auf 150 PS, gegen seinen Urenkel SRT-8 hat er da natürlich keine Chance.
Perfektes Feeling
Doch der US-Oldie verkörpert in perfekter Weise das klassische Ami-Feeling, das lässige Cruisen in lauen Sommernächten mit offenen Scheiben und den Stoffwürfeln am Innenspiegel. Die Würfel zeigen übrigens je nach Position an, ob der Fahrer für ein Rennen bereit ist – hängen sie auf gleicher Höhe, ist der Pilot ausgeglichen und überlässt den Burnout lieber anderen. Hängen sie auf unterschiedlichen Höhen, geht an der nächsten Ampel die Post ab, wenn sich ein würdiger Gegner findet.
Viel mehr als geradeaus fahren will man mit einem klassischen Dodge Challenger allerdings nicht. Die Lenkung des Wagens hat soviel Spiel, dass man bei der Geradeausfahrt ständig nachkorrigieren muss. In der Kurve wankt das 1,6 Tonnen schwere Dickschiff zur Seite, die Kraftentfaltung ist ruppig und unerzogen. Wer den Challenger wirklich herausfordern will, muss sich auf harte Arbeit hinter dem Lenkrad einstellen.
Da macht es einem der SRT-8 von 2010 schon deutlich einfacher: Dank Traktionskontrolle bringt er seine 431 Pferdestärken mehr oder weniger kontrolliert auf die Straße, obwohl man bei Vollgas schnell spürt, was da für eine geballte Power unter der Haube steckt. Bis zur 100-km/h-Marke vergehen aus dem Stand kaum mehr als fünf Sekunden. Die Federung ist mit Einzelradaufhängung, Schraubenfedern und Gasdruckstoßdämpfern straff bis hart, dabei für ein solches Auto aber nicht zu unkomfortabel.
Der Challenger bleibt unterm Strich ein typisches Muscle-Car, das geritten werden will - daran ändern auch ABS, ESP und die fetten 20-Zöller wenig. Aber hinter dem Lenkrad dieses Wagens will man schließlich spüren, auf wessen Pfaden man wandelt.
Die Originale aus den frühen 70ern wurden nach dem Ende der Musclecar-Ära als kaum verkäufliche Gebrauchtwagen verschleudert. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Wer heute einen klassischen Challenger erwerben will, muss hohe fünfstellige Summen einplanen. Für weniger als 10.000 Euro gibt es allenfalls Restaurationsobjekte, in den USA kosten Top-Fahrzeuge 80.000 Dollar und mehr.