Irgendwie ging es schon Ende der 90er Jahre los. Die einen begeisterten sich für einen alten Ford Granada 2.3 Ghia, andere für einen Mercedes-Benz 450 SEL, einen Peugeot 504 oder einen 733er BMW und natürlich loderte da bei vielen dieses ansteckende Porsche 911er-Feuer - gefährlich, gefährlich. Gebrauchtwagen aus den 70er und 80er Jahren, für die sich Anfang/Mitte der 90er kein Mensch interessierte, waren immer noch günstig, wurden jedoch immer begehrter.
Ein gelber Mercedes 350 SLC von 1978 kostete mit nicht einmal 100.000 Kilometern auf der Uhr 1996 kaum mehr als 5.000 Mark. Ein 1986er BMW 735i der frühen E32er-Baureihe lag mit 200.000 Kilometern in gutem Zustand bei 8.000 Mark.
An das Potenzial zur Wertsteigerung dachten damals nur wenige. Die meisten historisch angefixten Männer im Alter zwischen 20 und 35 Jahren wollten das Auto fahren, das einst auch Vater, Onkel oder Freunde bewegten. Ober eben das Auto, das sich das eigene Familienoberhaupt damals nicht leisten wollten oder konnte. Jetzt ging genau das. Luxus, Historie, eigene Vergangenheit, Fahrspaß und Alltagsnutzen zum bezahlbaren Preis.
Gerade die Fahrzeuge aus der deutschen Luxusklasse hatten bereits in den 70ern eine Qualität, dass man diese auch 15 bis 20 Jahre später im harten Zwölf-Monats-Alltag fahren konnte. Daueraufenthalte in der Werkstatt waren eher die Ausnahme - die Reparaturkosten zumeist überschaubar. Und dann gab es da noch die günstigen Schrottplätze für Ersatzteile.
Das sah bei Modellen aus Italien oder Frankreich zumeist etwas anders aus. Auch da stand der Autoverwerter zwar gerne parat und viele Ersatzteile waren auch nicht teuer. Doch Wartungsaufwand, Elektronik- und Rostprobleme waren vielleicht charmant, machten das Ganze aber teuer - kaum geeignet für einen betagten Ganzjahreseinsatz.
Begehrlichkeit wecken Fahrzeuge der Nuller-Jahre zumeist weder in Sachen Design, noch bei Antrieb oder Technik
Aus diesem Trend entstand in den 2000er-Jahren eine überaus kraftvolle Youngtimerwelle. Die ersten Modelle, zumeist Sportwagen oder Luxuskarossen mit geringer Laufleistung, schossen mit ihren Preisen schnell durch die Decke. Es war über Nacht schick, einen coolen Youngtimer zu fahren, der viel mehr war, als ein betagter Gebrauchtwagen mit ein paar Jahren zu viel auf dem Buckel. Es formierten sich Clubs, Veranstaltungen und wochenendliche Ausfahrten.
Die Youngtimer wurde immer begehrter und rutschen nicht nur in Sachen Wert längst an die Oldtimer heran, die von diesem Klassikschub ebenfalls profitierten - schließlich wird jeder Youngtimer nach 25 bis 30 Jahren auch mal ein echter Oldtimer.
Doch damit dürfte bald Schluss sein. Denn wer sich eine Mercedes E-Klasse der Baureihe W 210 ab 1997 oder einen Opel Senator aus den 90ern anschaut, der dürfte sich dieses Fahrzeug kaum als begehrenswerten Klassiker der Zukunft vorstellen. Das sieht bei ersten Generationen des Ford Mondeo, einem Peugeot 405 oder dem durchaus innovativen Fiat Croma kaum anders aus.
Natürlich lassen sich diese Modelle ebenso wie ein BMW 3er der Baureihe E 30 oder ein Audi 80 der Serien B3/B4 vorzüglich im Alltag bewegen. Doch eine Begehrlichkeit wecken diese Fahrzeuge zumeist weder in Sachen Design, noch bei Antrieb oder Technik.
Nicht alles, was selten ist, ist damit zwangsläufig auch schön
Bei vielen Modellen handelt es sich weitgehend herstellerunabhängig um richtig gute Autos mit einer zeitgemäßen Ausstattung. Airbags, ABS, Komfortdetails und Bordcomputer hatten ebenso wie Autotelefone oder elektrische Sitzverstellungen nicht nur in die Modelle der Luxusklasse Einzug gehalten. Ein Reiserechner wie seinerzeit in der Mercedes S-Klasse der Reihe W 126 oder eine besonders exklusive Lederausstattung im Jaguar XJ bringt Auto- und Klassikfans jedoch ebenso kaum in Wallung wie die zahllosen Fehlfarben, die Anfang der 90er zu einem heißen Trend wurden.
Nicht nur bei damaligen Sportmodellen gibt es wenig ansehnliche Bi-Color-Entgleisungen, giftgrüne Zierleisten und Sitze mit zerrüttetem Psychomuster. Nicht alles, was selten ist, ist zwangsläufig auch schön. BMW Individual, Mercedes Designo oder Porsche Exklusiv bieten zahllose Beispiele im ehemaligen Hochpreissegment.
Die coolen Youngtimer in Form von Allerweltsautos wie Mercedes E-Klasse W 123, BMW 3er E21 oder Audi Ur-Quattro werden daher wohl keine Nachfahren bekommen, wenn sie in den Status von Oldtimern entwachsen sind. Dass die Autofans mit den Fahrzeugen der 90er oder gar 2000er Jahre einen automobilen Teil ihrer Jugend zurückholen wollen, ist kaum anzunehmen. So werden die Jahrzeuge aus dieser Zeit keine Youngtimer mit Aussicht auf stattliche Wertsteigerungen, sondern nicht mehr als schnöde Gebrauchtwagen mit opulenten Laufleistungen.
Keine Regel ohne Ausnahme. Und so gibt es natürlich ein paar Autos, die auch weiterhin das Zeug zu begehrten Young- und dann Oldtimern haben. Das gilt insbesondere für echte Sportwagen. Die lange Zeit nur in der zweiten Reihe parkenden Porsche 911 der Baureihe 996 (Baujahre 1998 bis 2004) sind begehrter denn je und auch Fahrzeuge von Jaguar (X 100), Ferrari (550 Maranello) oder Aston Martin (DB 7) ab Mitte der 90er Jahre schwingen sich langsam auf, teure Klassiker von morgen zu werden. Alle die da zuschlagen wollen, sollten es schnell tun. Die Preise gehen bald durch die Decke.
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