Ab heute werde ich wieder jeden Monat 2,50 Euro zur Seite legen, dann habe ich nächstes Jahr auch nichts zu meckern", sagt Joshua Hucklenbroch. Kein Wunder. Denn mit einem Tageskassenpreis für Erwachsene in Höhe von 30 Euro gehören die Classic Days auf Schloss Dyck nicht gerade zu den günstigsten Wochenendveranstaltungen. Doch was ist schon der umgerechnete Verzicht einer halben Schachtel Zigaretten im Monat gegen das, was bei der schönsten Auto-Veranstaltung Deutschlands zu sehen und vor allem zu hören ist? Nichts.
Schon die Anfahrt zu dem edel anmutenden Schlosspark macht schnell klar, dass es mehr Autofans gibt, als gedacht. Dass sich der Stress gelohnt hat, ist schon nach den ersten Metern zu spüren. Soweit das Auge reicht Autos, Autos und noch mehr Autos. Aber nicht nur irgendwelche, sondern historische, moderne, seltene und utopisch teure.
Der große Unterschied zu nahezu allen anderen Veranstaltungen mit derlei Topaufgebot ist jedoch nicht zu überhören. Denn fast alle der automobilen Stars hier zeigen auf einem gut einsehbaren Rundkurs, was in ihnen steckt. Einzige Ausnahmen sind die Juwelen der Veranstaltung, die auf ihrer Schlosspark-Insel schon fast zu schade sind zum Anschauen.
Einer diese mobilen Edelsteine ist der Mercedes-Benz 540 K aus dem Jahr 1938. Der unter dem Namen Stromlinienwagen besser bekannte Schwabe zeigte schon vor fast 80 Jahren, wie ein Luftwiderstandsbeiwert von cW=0,36 erreicht werden kann. In unmittelbarer Nähe stehen zwei Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange, die auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten. Der 100 Jahre alte Detroit Electric Modell 52 Double Drive dürfte auch den kleinen Besuchern bekannt vorkommen, dient er doch Oma Dorette Duck in Entenhausen als Auto. Und der Tesla Model S 70D. Wie der Name schon verrät handelt es sich aber nicht nur beim Tesla um ein Elektroauto, sondern auch bei dem roten Oldtimer. Lautlose Vergangenheit und Moderne auf wenigen Quadratmetern.
Vom Thema Lautlosigkeit ist eine der Hauptattraktionen der Veranstaltung so weit entfernt, wie die Regenwolken vom Schloßpark. Der Drago Ruggente, übersetzt brüllender Drache, genannte Bolide von Glen Billqvist aus Südschweden ist einzigartig. Selbst mehrere hundert Meter entfernt hört sich allein das Anlassen des 27 Liter großen V12-Aggregats an, als ob ein Dutzend Fahrzeuge explodierten. Der ursprünglich für einen Caproni-Bomber 313 im Jahre 1938 entwickelte Motor hat es zwar nie in ein Flugzeug geschafft. Doch sorgen seine 800 PS, die auf das Getriebe eines Ford LKW der 40er Jahre eindreschen, für einen unfassbaren Lärm.
Autoclubs finden sich im Dycker Feld wieder - und mit ihnen ihre zahllosen und in langen Reihen aufgestellten Fahrzeuge
So schön das Chassis des Delage aus den 20ern ausschaut, so urgewaltig mutet der luftgekühlte Isotto Fraschini Flugzeugmotor an. "Es ist das größte Projekt meines Lebens. Ich arbeite im IT-Bereich und das Schrauben an den Fahrzeugen ist der perfekte Ausgleich", sagt Billqvist.
Zu den menschlichen Stars der Veranstaltung zählen neben den Rennfahrerlegenden Sir Stirling Moss, Hans Herrmann, Klaus Ludwig und vielen weiteren natürlich auch in diesem Jahr die beiden Camping-Urgesteine Karl-Heinz und Annemarie Paumen. Die beiden 83-Jährigen campen bereits zum zehnten Mal für rund eine Woche im Schlosspark und sind dieses Mal mit einem Volvo 164 von 1979 und einem Westfalia Camping 310-4 angerollt.
Aber nicht nur Wohnwagen-, sondern auch Wohnmobilfreunde kommen dieser Tage auf ihre Kosten. So sind zahlreiche VW California aus allen Epoche zu sehen. Ebenfalls epochenübergreifend stehen Rennboliden über das ganze Gelände verstreut zum Anschauen bereit. So zeigt Peugeot auf einem der vielen Herstellerstände neben einem echten Rally Paris-Dakar-Siegerfahrzeug ein Gruppe B-Monster auf Basis des 205 Turbo 16 neben dem auf 200 Exemplare limitierten Serienfahrzeug. Von dem existieren in Deutschland nur noch drei Stück, die, wenn sie jemand überhaupt noch verkauft, Preise bis an die 200.000 Euro-Grenze erzielen.
Autoclubs finden sich im Dycker Feld wieder - und mit ihnen ihre zahllosen und in langen Reihen aufgestellten Fahrzeuge. Dort sind die Autos zu sehen, für die man nicht erst im Lotto gewinnen oder eine Bank ausrauben muss. Eher automobile Schätze, deren emotionalen Wert höher ist als ihr Materialwert. Ob nun die gefühlt komplette Produktion an BMW Z1, Lotus Seven, alten Stingrays aus dem Hause Chevrolet oder Austin Healey - sie alle versprühen ähnlich viel Faszination wie die seltenen Bristol-Cars oder Facel Vega auf der Schloss-Insel.
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