Die Beschreibung liest sich wie aus einem Horror-Roman: "Frauen schrien. Kutschen stoben rasend von der Straße. Wasserbüffel, Ochsen, Ziegen, Esel, Elefanten, Kamele und Eingeborene stoben bei diesem Anblick in jede Richtung davon." Was laut dem zeitgenössischen Bericht einer Zeitung aus Kalkutta so viel Entsetzen auslöste, sieht eigentlich aus wie frisch vom Kirmeskarussell gerollt: Ein Auto wie ein Schwan.
Das Gefährt dachte sich 1910 Robert Nicholl "Scotty" Matthewson aus, ein wohl nicht ganz zu Unrecht als exzentrisch verschriener reicher Bürger Kalkuttas. Die High Society der Stadt war nicht gerade amüsiert - und ließ den Schwan von den Straßen der Stadt verbannen. Matthewson, der für den rollenden Bürgerschreck die üppige Summe von knapp 15.000 Pfund bezahlt hatte (so viel, wie damals sechs neue Rolls-Royce Silver Ghost kosteten), verkaufte ihn schweren Herzens an den Maharadscha von Nabha. Und kurz danach ließ der sich eine kleine, elektrisch betriebene Version bauen, mit der er auf seinem Besitz herumkurvte.
Heute ist das Schwanenpaar eine der Attraktionen der Retromobile in Paris. Die Oldtimermesse glänzt dieses Jahr mit einer spektakulären Sonderschau über die automobilen Juwelen der Maharadschas. Dazu haben die Veranstalter fünfzehn Fahrzeuge zusammenbekommen, die einstmals indische Potentaten gehörten - als Jagdfahrzeuge oder einfach als rollende Symbole von Macht und Reichtum.
Zu den automobilen Kostbarkeiten gehört unter anderem auch ein Isotta Fraschini aus dem Jahre 1929. Dessen elegante Karosserie stammt von dem Italiener Cesare Sala und sein erster Besitzer war der Radscha Sajid Hussein von Kotwara, der bereits mit 14 Jahren auf den Thron kam. Er kaufte den Isotta Fraschini als Student im schottischen Edinburgh. Bei der Rückkehr nach Indien nahm er 1932 den Wagen mit. Erst 1972 kam das Auto zurück nach Großbritannien - in den Besitz von Peter Grand, dem Manager der Rockband Led Zeppelin. Heute gehört der Isotta einer Sammlung in Colorado, USA.
Mehr als 400 Aussteller zeigen auf 41.000 Quadratmetern über 500 Fahrzeuge
Unübersehbar ist die Vorliebe der Maharadschas für Rolls-Royce. So glänzt in Paris etwa ein Phantom I von 1926 im Scheinwerferlicht. Der Rolls blieb unlackiert und strahlt in poliertem Aluminium. Heute steht der "Silber Phantom von Hyderabad" normaler Weise im dänischen National Museum. Gleich daneben sind auf der Retromobile ein Phantom I-17EX und ein Phantom II von 1930 zu sehen. Das Cabriolet diente vor allem als Jagdwagen: An den Lehnen der Vordersitze hängen denn auch stilecht Jagdflinten.
Wenn es mal nicht "RR" war, dann ließ man sich mit nicht weniger edlen Raritäten chauffieren. Ein Mercedes-Benz Super Sports von 1930 gehört denn genauso zu der Ausstellung der Maharadscha-Autos wie ein Delage D8 aus dem gleichen Jahr oder ein bildschöner Delahaye 135 Figoni & Falaschi von 1938. Von ihm wurden nur elf Stück gebaut und nur drei haben bis heute überlebt. Eine Besitzerin des zweisitzigen Cabrios war die Maharani von Jaipur.
Die Retromobile, die in diesem Jahr zum 39. Mal in Paris stattfindet, hat sich mittlerweile zu einer der größten Oldtimermessen Frankreichs entwickelt. Mehr als 400 Aussteller zeigen auf 41.000 Quadratmetern über 500 Fahrzeuge, 81.000 Besucher werden an den fünf Messetagen erwartet. Hersteller wie Citroen, Peugeot oder Renault haben die Messe mittlerweile ebenso fest im Kalender wie zum Beispiel Porsche, Alfa Romeo, Skoda oder Mercedes-Benz. Die Schwaben etwa erinnern aktuell an 120 Jahre Rennsportgeschichte.
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