Ist es jetzt ein Italiener oder nicht? Das ältere Ehepaar, das an dem azurblauen Cabrio vorbeiflaniert, ist sich zunächst sicher. "Schau, da ist ein Fiat Spider", befindet der Mann mit fester Stimme. Ehe ihn die Frau verbessert. "Aber da steht doch Seat auf dem Emblem." Die Augen der Dame sehen richtig: Tatsächlich handelt es sich um einen "Seat 850 Sport". Doch auch der Ehegatte hat nicht ganz unrecht, denn die schicke Flunder mit der Stoffmütze ist technisch gesehen ein Fiat 850 Spider, der in der Zona Franca (Barcelona) in Lizenz gebaut wurde.
Der Seat-Spider ist eine echte Rarität: Zwischen 1969 und 1972 wurden nur 1.746 Exemplare gebaut. Erst eine Variante mit 843 cm³ Hubraum und 47 PS. Danach wurde der Flitzer aufgebohrt und die Ingenieure kitzelten aus 903 cm³ 52 PS. Die haben mit dem 730 Kilogramm schweren Italo-Spanier auch kaum ein Problem. Die Beschleunigung von null auf 100 km/h ist in 17 Sekunden absolviert.
Der Seat 850 Sport lässt sich auch im automobilen Alltag des Jahres 2012 erstaunlich entspannt bewegen. Selbst als Sitzriese findet man gemütlich Platz. Natürlich darf man von 52 PS keine Geschwindigkeitsorgien erwarten, doch zum entspannten Mitschwimmen reicht es alle Mal. Und mal ganz ehrlich: Wer wollte in diesem iberischen Schönling mit Vollgas über die Autobahn rauschen. Immerhin waren mal 150 km/h drin. Das entspannte Cruisen liegt dem Spanier eher im Blut. Da sieht man auch über das viel zu dünne Lenkrad und die Scheinwerfer hinweg, die eigentlich bessere Funzeln sind. Heizung? Die verdient ihren Namen nur auf dem Papier.
Alles egal. Jeder Meter im Seat Spider zaubert ein bisschen Costa Blanca in die Schlechtwettersommer gequälte teutonische Seele. Alleen und Landstraßen werden zu Uferpromenaden. Der Heckantrieb verleiht dem Oben-ohne-Floh eine angenehme Agilität. Geht es mal etwas forscher um die Ecken (ok, ok, so weit das mit 52 PS möglich ist), lenkt das Hinterteil willig ein. Die Luft wirbelt durch die Haare. Das Gefühl des Fahrens, des Gleitens über den Asphalt macht einem klar, was die Faszination des Autofahrens eigentlich ausmacht und steht im diametralen Gegensatz zu den hermetisch abgeriegelten faradayschen Käfigen unserer Tage.
Also gönnen wir dem türkisblauen Cabrio noch etwas Auslauf. Der Komfort ist trotz Blattfedern erstaunlich gut. Auch die Viergangschaltung ist einigermaßen exakt. Und der Motor im Heck wird bei höheren Drehzahlen richtig lebhaft und trompetet seine sportliche Attitüde lustvoll heraus. Immerhin geht das Vergnügen bis 6.500 U/min.
Öffnet man die Motorhaube hinten, kommt ein unverkleidetes Aggregat zum Vorschein, das selbst mittelmäßig begabten Schraubern keine Rätsel aufgibt. Auch der Tausch eines verstopften Benzinfilters stellt kein großes Problem da. Genauso wenig, wie das Cockpit. Die Bedienung ist auf das Wesentliche reduziert: Hebel für Blinker, Licht und den Tageskilometerzähler. Das war's im Grunde auch schon. Auch mit unserer Ausfahrt.
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