Das beginnt wie in jeder guten Soap schon mit der durchaus heiklen Feststellung der Vaterschaft. Denn die musste seinerzeit erst einmal vor Gericht eingeklagt werden.
Gemeinhin ist es Ferdinand Porsche, der als Konstrukteur - und damit Vater - des VW Käfer gilt. Das ist nicht ganz falsch. Aber auch nicht ganz richtig.
1931 entwickelte das Konstruktionsbüro von Porsche für die Zündapp-Werke in Nürnberg den "Porsche Typ 12", aus dem dann die ersten drei Prototypen entstanden - das gilt allgemein als die Geburtsstunde des Volkswagens. Der wassergekühlte Sternmotor mit fünf Zylindern und 1,2 Litern Hubraum wurde, anders als bei den vorangegangenen Konstruktionen Porsches, im Heck eingebaut. Ein Drei-Gang-Getriebe lag vor der Hinterachse. Mit seinen knapp 26 PS Leistung und einem Leergewicht von 600 Kilogramm sollte der Prototyp 80 km/h Höchstgeschwindigkeit bringen. Vor allem aber brachte er so viele technische Probleme, dass Zündapp die Entwicklung stoppte und Ferdinand Porsche mit 80.000 Reichsmark und einem der Prototypen abfand.
Einen zweiten Anlauf unternahm Porsche 1933, als NSU ihn mit der Konstruktion eines Kleinwagens beauftragte. Diesmal arbeitete im Heck des "Porsche Typ 32" ein luftgekühlter Boxermotor mit vier Zylindern - wie später auch im "richtigen" Käfer. Der Protoptyp kam auf 90 km/h, lief schon wesentlich problemloser - und wurde wieder nicht gebaut. Die Serienfertigung war NSU zu teuer.
Erst im dritten Anlauf wurde aus den Prototypen zumindest eine Vorserie. 1933 nahm Porsche von Hitler den Auftrag an, einen "Volkswagen" zu entwickeln: Mit Platz für zwei Erwachsene und drei Kinder, einer Steigfähigkeit von 30%, einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h - und einem Preis von weniger als 1000 Reichsmark. Ein Jahr später schon legte Ferdinand Porsche einen detaillierten Plan für das Projekt vor und baute - basierend auf dem NSU-Entwurf - bis 1936 fünf Prototypen in seiner heimischen Garage in Stuttgart zusammen. Nach erfolgreichen Probefahrten montierte Daimler-Benz in seinem Sindelfinger Werk 30 Vorserienmodelle, darunter ein Cabrio. Porsches Chefdesigner Erwin Komenda entwarf die Karosserie. Und Hitler war begeistert von dem Auto, das nun offiziell KdF-Wagen hieß. 1938 wurde der Grundstein für das Volkswagenwerk bei Fallersleben gelegt.
Große Augen
Die Vorserienmodelle waren kaum aus der Halle bei Daimler-Benz gerollt, als 1939 dort ein junger Ingenieur anheuerte, der bei ihrem Anblick wahrscheinlich ziemlich große Augen bekommen hätte: Béla Barényi.
Barényi? Den kennen im Gegensatz zu Ferdinand Porsche nur wenige - obwohl die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie dem genialen Konstrukteur und Erfinder ihr Leben oder zumindest ihre Gesundheit verdanken. Denn in seinen Jahrzehnten bei Daimler-Benz entwickelte Barényi grundlegende Sicherheitsfeatures - von der Knautschzone über die Sicherheitsfahrgastzelle und die sich bei einem Unfall zusammenschiebende Lenksäule bis hin zum versenkten Scheibenwischer.
Und schon als 19jähriger reichte er 1925 bei der Maschinenbauanstalt in Wien den detaillierten Entwurf für ein Auto wie den VW Käfer ein. Allerdings sicherte er sich seine Ideen nicht gut genug durch Patente ab. Erst Mitte der 1950er Jahre erklagte sich Barényi vor Gericht zunächst die Ansprüche auf die von Ferdinand Porsche eingereichten Patente und ließ sich anschließend sein Urheberrecht am "Typ 1" gerichtlich bestätigen.
Drei Millionen Entschädigung
Es war nicht der einzige Prozess, den VW für nachgewiesenen Ideenklau beim Käfer verlor. Porsches Designer Komenda, so befand 1961 ein weiteres Gericht, habe sich seinerzeit etwas zu freizügig beim Tatra 97 bedient. Die Wolfsburger mussten dem damals noch tschechoslowakischen Autohersteller drei Millionen Mark Entschädigung überweisen.
Dem Siegeszug des VW Käfer tat der Vaterschaftsstreit keinen Abbruch. Nach der Zwangspause des Zweiten Weltkrieges, in der vor allem "Kübelwagen", eine allradgetriebene Limousine, Amphibienfahrzeuge und andere Rüstungsgüter für die Wehrmacht produziert wurden, ging es im gerade erst "Wolfsburg" getauften Produktionsstandort unter englischer Besatzungsaufsicht zügig los, zunächst mit Autos für Post und Verwaltung. Bereits 1946 wurde mit dem "Brezelkäfer", so genannt wegen seines in der Mitte geteilten Rückfensters, die erste Limousine ausgeliefert.
1948 waren die meisten Kriegsschäden am VW-Werk behoben und die Produktion lief auf vollen Touren. Schon 1955, zehn Jahre nach Kriegsende, rollte der millionste Käfer vom Band - goldfarben lackiert. Zwei Jahre zuvor bereits war das Brezel-Fenster durch ein durchgehendes, ovales Fenster ersetzt worden. 1964 gab es rundum größere Fenster mit einer erstmals leicht gewölbten Frontscheibe, ein paar Jahre später größere Rückleuchten, aufrecht stehende Scheinwerfer und neue Stoßstangen. Die hektisch wackelnden Winker in der B-Säule waren schon 1960 durch Blinker ersetzt worden. Am 17. Februar 1972 überholte der Käfer mit 15.007.034 Exemplaren das Model T von Ford und wurde damit zum meistverkauften Auto der Welt.
Der letzte in Dakotabeige
Der Golf machte dem VW Käfer dennoch bald den Garaus. Dessen technische Möglichkeiten waren 1974 so gut wie ausgereizt, als am 1. Juli um 11:19 Uhr das letzte von 11.916.519 in Wolfsburg produzierten Exemplaren durch die Endkontrolle rollte. Farbe: "dakotabeige".
Nach und nach drehte Volkswagen seinem Erfolgsmodell den Hahn zu. Bis Anfang 1978 kamen Käfer in Europa noch aus dem VW-Werk in Emden, danach wurde er aus Puebla, Mexiko importiert. Bei Karmann in Osnabrück hielt man etwas länger durch: Dort wurden bis 1980 die Käfer-Cabrios montiert - insgesamt 330.281 Stück. Ganz Schluss war in Deutschland mit dem Kugelporsche im Spätsommer 1985 - zumindest offiziell. Zwar führte VW selbst keine Käfer mehr ein. Aber freie Importeure besorgten zum Teil noch ganze Schiffsladungen vornehmlich aus Mexiko.
Doch selbst dort gibt's seit 2003 keine frischen Käfer mehr. Der letzte mit der Nummer 21.529.464 steht in Wolfsburg im Museum. Es ist nicht ohne Ironie: Das letzte Exemplar des wohl deutschesten aller Autos ist - ein Mexikaner.
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