Le Mans 1970. Das Motorengebrüll lässt den Asphalt erzittern, mit hochriskanten Manövern fahren die Piloten am Limit. Das materialmordende Rennen fordert seinen Tribut: Porsche-Pilot Jo Siffert liegt in Führung, doch dann verschaltet er sich und überdreht den Motor. Alle Porsches des Gulf-Teams fallen nach und nach aus. Bei Ferrari ist die Situation nicht besser. In strömendem Regen geraten gleich vier der Renner in einen Crash und müssen abbrechen.
Jetzt schlägt Hans Herrmanns Stunde. Der Fahrer des roten Porsche 917 KH mit der Startnummer 23 liegt nur auf Rang neun, doch er arbeitet sich Stück für Stück nach vorn. Schließlich gelingt das Husarenstück tatsächlich – gemeinsam mit seinem Fahrerkollegen Richard Attwood siegt Herrmann bei den prestigeträchtigen 24 Stunden von Le Mans.
Mit dem 917 hatte Porsche nicht nur auf der Piste großen Mut bewiesen. Man nutzte ein Schlupfloch im Reglement aus, als kurzzeitig die Hubraumgrenze der Prototypen-Klasse aufgehoben wurde. Der luftgekühlte Zwölfzylindermotor leistete bis zu 580 PS bei 8.400 Touren und schöpfte die geballte Kraft aus 4,5 Litern Hubraum. Die Zylinderbänke waren übrigens nicht in V-Form (90-Grad) angeordnet, sondern im 180 Grad-Winkel. Der Gitterrohrrahmen des 917 bestand aus Aluminium, die Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff.
Die Langheckversion des Autos erreichte auf der 5,8 Kilometer langen Hunaudières-Geraden in Le Mans fast 400 Km/h. Die Kurzheckversion war für kurvenreiche Rennstrecken entwickelt worden. Die offenen Version 917 Spyder kam später bei der amerikanischen CanAm-Serie zum Einsatz. Der Sieg von Herrmann und Attwood sollte nicht der letzte für Porsche in Le Mans sein. Schon 1971 wiederholten Helmut Marko und Gijs van Lennep den Erfolg.
Potemkinsche Renner
Dabei waren die ersten Runden des potenten Rennwagens ausgesprochen holprig. Der 917 legte ein unberechenbares Fahrverhalten an den Tag und war anfangs bei den Piloten extrem unbeliebt. Erst aerodynamischer Feinschliff am Heck verhinderte, dass der Wagen buchstäblich abhob.
Als die erforderlichen 25 Exemplare 1969 den Kontrolleuren des Rennsportverbands Fia in Zuffenhausen vorgeführt wurden, setzte der damalige Porsche-Entwicklungschef Ferdinand Piech auf volles Risiko: Manche Automobilhistoriker behaupten, dass nicht alle Fahrzeuge rechtzeitig fertig geworden waren und einige deshalb nicht einmal einen Motor unter der Karosse hatten. Wie dem auch sei – die Homologation klappte, der 917 konnte seinen Siegeszug starten und das sportliche Image der Marke Porsche unsterblich machen. In den 70er Jahren gab es wohl keinen Jungen, der nicht einen 917 auf seiner Carrera-Bahn durchs Kinderzimmer flitzen ließ.
Und es gab noch jemanden, der an der Legende des 917 mit strickte. Steve McQueen, der schon 1968 in "Bullitt" die Kinozuschauer mit quietschenden Reifen in Atem gehalten hatte, schwor auf Sportwagen der Marke Porsche. Er drehte 1970 den vielleicht besten Rennfahrer-Film aller Zeiten. "Le Mans" ist ein Streifen für Männer mit Benzin im Blut, in dem jede Handlung zur Nebensache wird und das Grollen der V12-Motoren einen wohligen Schauer über den Rücken jagt. Frauen spielen hier nur Nebenrollen als weinende Fahrer-Witwen am Streckenrand.
Rennen - und filmen
Weil kein Hollywood-Studio den Film finanzieren wollte, produzierte McQueen ihn kurzerhand selbst und übernahm auch die Hauptrolle. Er fährt als Rennpilot Michael Delaney im Film einen 917 K (Kurzversion) in der orange-blauen Gulf-Lackierung, sein deutscher Gegner Erich Stahler (Siegfried Rauch) einen Ferrari 512 S.
Viele Rennszenen sind Originalaufnahmen von 1970, inklusive des plötzlich einsetzenden Regens. McQueen hatte ein Team aufgestellt, das mit einem offenen Porsche 908 am Rennen teilnahm – alles nur, um aus dem Cockpit stundenlang Filmmaterial zu drehen. Die vielen Originalaufnahmen verleihen "Le Mans" eine enorme Authentizität. Sogar für die nachgedrehten Szenen heuerte McQueen echte Le Mans-Piloten an.
Als erfolgreicher Hobby-Rennfahrer wollte der Filmstar bei vielen Aufnahmen aber auch selbst am Steuer sitzen. "Der Wagen schafft locker 240. Meistens lasse ich es langsamer angehen und fahre so um die 225 Sachen", sagte Steve McQueen damals einem Reporter des Playboy. Bei der spektakulären Crash-Szene saß der blonde Draufgänger freilich nicht hinterm Lenkrad. Der Filmwagen wurde ferngesteuert, als er mit halsbrecherischem Tempo von Leitplanke zu Leitplanke schlidderte.
Der Porsche 917 bleibt einer der berühmtesten Renner aller Zeiten. Es ist wohl kein Zufall, dass sich die Zuffenhausener bei der Namensgebung eines anderen Hochleistungsflitzers daran orientieren: Porsches für 2013 geplanter Hybrid-Supersportwagen soll 918 Spyder heißen.
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